Auch dass sich die jungen Spieler nur wenig gesteigert haben, stößt dem Teamchef sauer auf.
Österreichs Fußball-Teamchef Josef Hickersberger ist am Tag nach dem enttäuschenden Testspiel gegen Japan im neuen Klagenfurter EM-Stadion gegen Japan mit seinen Kickern hart ins Gericht gegangen. Der Niederösterreicher kritisierte an dem torlosen Remis und anschließenden 4:3-Sieg im Elferschießen unter anderem taktische Fehler und mangelnde Erfahrung.
Teamchef stellt Einstellung in Frage
"Es gibt keinen Zweifel,
dass das Spiel gegen Japan schlecht, phasenweise sehr schlecht war und wir
die Leistung gegen Tschechien nicht bestätigen konnten. Natürlich muss man
fragen, ob das an der Einstellung oder an anderen Ursachen liegt", meinte
der Teamchef, dessen Truppe nun schon seit sieben Länderspielen auf einen
Sieg wartet.
Problem mit Ausgangslange
Ein Problem war laut "Hicke" unter
anderem die völlig andere Ausgangslage im Vergleich zum Tschechien-Match.
"Gegen die Tschechen waren wir krasser Außenseiter. Jeder hat gewusst,
welche Klassespieler in dieser Mannschaft stehen, daher war die
Erwartungshaltung eher bescheiden."
Japaner zwangen Team zu taktischen Fehlern
Die Kicker aus Fernost
haben es verstanden, die ÖFB-Auswahl mit langen Ballstafetten im Spielaufbau
aus der Reserve zu locken und dadurch zu taktischen Fehlern zu zwingen.
"Osim ist ein Trainerfuchs, er kennt den österreichischen Fußball wie seine
Westentasche. Er wollte uns locken, damit wie hinten hinausgehen", erklärte
Hickersberger.
Nächste Seite: Hicke sieht Steigerung nach Seitenwechsel
Während die ÖFB-Offensivspieler in der gegnerischen Hälfte attackierten, stand die Abwehr tief, wodurch wiederum Räume entstanden, die von den Japanern genützt wurden. "In der ersten Hälfte haben wir durch diese Situation taktisch schlecht gespielt", stellte der Coach fest und sprach von "leeren Kilometern", die seine Mannschaft absolviert hätte. Manche hätten regelrecht Angst vor dem Ball gehabt. "Man kann den Ball fordern oder sich so verhalten, dass der Mitspieler nicht weiß, ob man den Ball will oder nicht."
Steigerung nach Seitenwechsel
Nach dem Seitenwechsel erkannte
Hickersberger aber immerhin eine gewisse Steigerung. "Da haben wir uns
besser auf die Wechselpässe eingestellt." Der Trainer konnte der Partie auch
andere positive Aspekte abgewinnen. "Wir haben ganz schlecht gespielt und
viele haben einen schwarzen Tag erwischt. Trotzdem haben wir ein 0:0
erreicht und das Elferschießen gewonnen, das zeugt von einer gewissen
Stabilität im Defensivverhalten. Im Vorjahr hätten wir solche Partien noch
klar verloren", betonte "Hicke" und ergänzte: "Wenn wir schon nicht gewinnen
können, ist es wichtig, nicht zu verlieren. Von dieser Warte her gibt es
gewisse Fortschritte."
Defensive wird auch bei EM Trumpf sein
Die Defensive könnte auch
bei der Heim-EM-Trumpf sein, so Hickersberger. "Bei der EURO wird die
Situation so sein, dass alle gezwungen sind, gegen uns zu gewinnen, weil wir
der größte Außenseiter sind. Wenn wir gut stehen und zu einigen Kontern und
Standard-Situationen kommen, haben wir eine Chance", vermutete der frühere
Rapid-Meistermacher.
Routine vermisst
Um bei der Europameisterschaft zu bestehen, ist
aber laut Hickersberger neben gutem Abwehrverhalten auch eine gewisse
Routine nötig. In diesem Bereich sieht der Teamchef noch große Mängel.
"Viele können damit nicht so gut umgehen, wenn das Publikum nach 30 Minuten
pfeift", sagte der Trainer, betonte aber auch: "Die Pfiffe waren berechtigt.
Die Leute wollten ein Fußball-Fest feiern und wir waren nicht in der Lage,
unseren Beitrag zu leisten."
Nächste Seite: Zu wenig Fortschritte bei jungen Spielern
Die Spieler konnten mit dem kritischen Verhalten des Kärntner Publikums laut Hickersberger nicht umgehen. "Einige sind noch nicht so weit, unter solchen Bedingungen eine gute Leistung zu zeigen, das kann man von den Jungen auch nicht erwarten", sagte er und bat um die Unterstützung der Öffentlichkeit. "Ich habe mit meinen 59 Jahren schon sehr viel Geduld. Beim Fußball-Volk ist diese Eigenschaft weniger vorhanden, aber da müssen alle Beteiligten durch."
Zu wenig Fortschritte bei jungen Spielern
Bei einigen jungen
Spielern ortete Hickersberger in den vergangenen Monaten zu wenig
Fortschritte. "Ich habe eigentlich erwartet, dass die, die vor rund einem
Jahr in den Kader gekommen sind, bis zur EM reif genug sein werden. Die
Entwicklung bei dem einen oder anderen war nicht optimal", erklärte der
Niederösterreicher, für den "20 oder 25 Länderspiel-Einsätze" genügend
Erfahrung liefern sollten, um mit Drucksituationen umgehen zu können.
Hicke wehrt sich gegen Schwarzmalerei
Bei aller Kritik wehrte
sich Hickersberger aber auch gegen Schwarzmalerei. "Es ist nicht alles so
schlecht, wie es den Anschein hat. Es gibt eine gewisse Stabilität, wenn
auch nicht auf einem Niveau, auf dem wir bei der EM spielen müssen. Im
Moment sind die Resultate nicht so schlecht, aber die Art und Weise, wie wir
nach vorne spielen, ist nicht zufriedenstellend", meinte der Coach und bat
um Verständnis. "Es wird bei einer Mannschaft, die hauptsächlich aus jungen
Spielern besteht, immer Schwankungen geben."
Unerklärliche Fehlpässe
Die teilweise völlig
unerzwungenen Fehlpässe seiner Spieler erklärte Hickersberger mit der
schlechten Tagesform. "Es kann mir keiner einreden, dass ein
österreichischer Nationalspieler ohne Bedrängnis keinen Pass über 10 oder 15
Meter zusammenbringt."
Hoffen auf "anderes" Spiel gegen Chile
Am Dienstag
gegen Chile könnte aber alles schon wieder anders aussehen. "Ich bin
überzeugt, dass die Spieler in diesem Match eine Trotzreaktion zeigen
werden." Gegen die Südamerikaner, die am Freitag bei der 1:2-Niederlage
gegen die Schweiz vom Technischen ÖFB-Direktor Willi Ruttensteiner
beobachtet wurden, hofft Hickersberger auf die Rückkehr von Martin Stranzl.
"Dass er uns nicht nur als Typ auf dem Platz gefehlt hat, ist klar."