Schwacher Referee
Hollands Buhmann: "Webb, der Depp"
12.07.2010
Oranjes haben Schuldigen für Final-Pleite gefunden: den Schiedsrichter...
Mark van Bommel schaute bitterböse, Bert van Marwijk hob drohend den Zeigefinger und Wesley Sneijder sprach von einer "Schande für den Fußball". Nach dem WM-Turnier mit den schlimmsten Schiedsrichter-Fehlern der Geschichte ging die hitzige Referee-Debatte auch nach dem Endspiel weiter, und Konsequenzen durch die FIFA scheinen unumgänglich. Die niederländische Presse jedenfalls hatten ihren Buhmann nach der Niederlage im Finale gegen Spanien schnell gefunden: Für Sergeant Howard Webb verhängte sie die Höchststrafe. "Oranje fühlt sich bestohlen", schrieb das "Allgemeen Dagblad".
Viele Fehlentscheidungen
Der getadelte Schiedsrichter stand nach
dem Abpfiff niedergeschlagen im Mittelkreis des Soccer City Stadiums von
Johannesburg. Im Fußball-Spiel seines Lebens hatte der Polizist aus
Yorkshire viel zu viele falsche Entscheidungen gefällt. Zwölf gelbe Karten
und eine Gelb-Rote waren Rekord für ein WM-Finale - und ein Bärendienst an
seiner ohnehin schon viel gescholtenen Zunft. Dabei war das Problem gar
nicht die Webb'sche Kartenflut, sondern die falsche Farbe des Kartons. Der
Engländer agierte sogar zu milde.
Niederländer sollten sich bedanken
Ausschlüsse gegen van
Bommel und Kung-Fu-Treter Nigel de Jong wären schon in der ersten Hälfte
zwingend gewesen und hätten das rüde Spiel vielleicht noch gerade
rechtzeitig beruhigt. Paradoxerweise maulten dann die harten Holländer über
Webb. Kurz vor dem Tor durch Andres Iniesta verweigerte der 38-Jährige ihnen
einen klaren Eckball, ein angebliches Foul an Eljero Elia blieb ungeahndet.
Böse Vorwürfe
Oranje kochte vor Fußball-Wut. "Das hätte
sogar ein Blinder gesehen", ereiferte sich Torwart Maarten Stekelenburg, der
gegen den goldenen Schuss von Andres Iniesta in der 116. Minuten chancenlos
gewesen war. Trainer van Marwijk war um Fassung bemüht, äußerte aber einen
schlimmen Generalverdacht: "Der Mann war auf Spaniens Seite." Die
Niederlande hatten ihren Buhmann gefunden, einige ganz schwer Enttäuschte
sprachen sogar vom "Webb, der Depp".
Englands Medien milde
Die englische Presse, selten um drollige
Vergleiche verlegen, versuchte ihren Landsmann gnädig zu behandeln. Aber: Im
Polizeieinsatz in Yorkshire hätte Sergeant Webb die Niederländer nicht so
leicht davon kommen lassen dürfen, sondern wegen versuchter Körperverletzung
festnehmen müssen, bilanzierte der "Daily Telegraph" treffend. Das "Algemeen
Dagblad" nannte Webb schlicht und einfach eine "Schlafmütze".
Pfiffe bei der Ehrung
Pfiffe der Fans bei der Ehrung nach dem
Spiel gegen den Referees sind schon obligatorisch, doch so laut wie gegen
den Webb waren sie selten. In der Enttäuschung der Fans kulminierte sich
auch der Ärger über die schwachen und uneinheitlichen Leistungen der
Unparteiischen in Südafrika in zu vielen der 64 WM-Spiele. Die FIFA wird an
einer Debatte über eine grundlegende Reform des Schiedsrichter-Wesens nur
schwer vorbeikommen.
Flut an Fehlentscheidungen
Der "Tordiebstahl" von Bloemfontein,
der England eines Treffers gegen Deutschland beraubte, und das klare
Abseitstor von Argentiniens Carlos Tevez gegen Mexiko waren im Achtelfinale
die Gipfel der krassen Fehlentscheidungen in Südafrika. Nach zweitägiger
Schockstarre erlaubte FIFA-Chef Joseph Blatter eine Wiederaufnahme der
Diskussion über technische Hilfsmittel. Ironischerweise lieferte der zu
milde Webb nun Wasser auf die Mühlen der Traditionalisten, die sich gegen
jede Technologie im Fußball wehren. Denn Video-Beweis und Chip-Ball hätten
das WM-Finale auch nicht fairer gemacht.