Im emotionalsten Meisterglück seit mehr als zwei Jahrzehnten hat der Aufsichtsrat um Uli Hoeneß mit der Entlassung von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic ein gigantisches Beben beim FC Bayern München ausgelöst.
Kahn schlug nach empörten Tweets doch noch versöhnliche Töne an. "Wir werden uns - wenn alles abgekühlt ist - zusammensetzen und in Ruhe über alles sprechen", sagte der 53-Jährige via "Bild" in Richtung Vereinsführung.
Ein verstörendes Münchner Meister-Wochenende mit Misstönen und Paukenschlägen bleibt es trotzdem. Auch wenn sich die Fußballerinnen und Fußballer des FC Bayern in Dirndl und Lederhosen am Pfingstsonntag auf dem Marienplatz von Tausenden rot-weiß gekleideter Fans mit ihren Trophäen feiern lassen konnten.
Mittendrin war Salihamidzic, der im Gegensatz zu Kahn erst beim 2:1 in Köln mitfieberte, dann mit der Mannschaft feierte und schließlich als treuer Diener des Vereins stilvoll abtrat. "Ich hätte gerne weitergemacht", sagte der 46-Jährige, dennoch gehe er "ohne Groll". Selbst sein Schutzpatron Hoeneß senkte bei ihm den Daumen.
Kahn weg, Salihamidzic weg - damit endete eine von viel Unruhe, einem viel diskutierten Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel und klar verfehlten Zielen geprägte Münchner Chaos-Saison. Von einem "extrem harten Jahr" sprach Joshua Kimmich, der die Vereinsführung für den Zeitpunkt des Doppel-Rauswurfes kritisierte.
Kritik von Kimmich
"Klar überrascht es einen am Tag der Meisterschaft, dass dann so etwas passiert. Ich finde, da hätte man jetzt auch noch zwei, drei Tage warten können, unabhängig von der Entscheidung, ob sie jetzt gut oder schlecht ist", sagte der Nationalspieler. "Es war schon komisch, wenn man sich die Deutsche Meisterschaft in so einem Finale sichert und einen dann so eine Nachricht erreicht. Das ist dann ein Wechselbad der Gefühle."
"Wir haben auch jetzt ein politisches Thema im Club, das auch diesen Sieg und diese extreme Meisterschaft, diese extreme Willensleistung ein bisschen trübt", beklagte ebenso Trainer Thomas Tuchel.
"Neustart" hieß das Schlagwort, das Vereinspräsident Herbert Hainer und der zum Kahn-Nachfolger beförderte langjährige Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen am Sonntag bei einer Pressekonferenz in der Allianz Arena ausgaben. Der 55-jährige Dreesen hätte den Verein eigentlich in Kürze nach zehn Jahren verlassen wollen. "Meine Lebensplanung war eine andere. Aber ich habe mit ganzer Überzeugung Ja gesagt", sagte der Ostfriese, der übrigens auch als Geschäftsführer zur Deutschen Fußball Liga hätte wechseln können.
Dreesen sprach von einem "Team", das er um sich scharen will. Dazu soll der langjährige Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gehören, der an diesem Dienstag in den Aufsichtsrat gewählt werden soll. Mit seiner Erfahrung und seinem internationalen Netzwerk soll der 67-Jährige für den Fußball-Sachverstand sorgen und sein Transfer-Geschick einbringen.
Kommt Eberl?
Dazu wird nach Mister X gefahndet. Als neuer Sportvorstand wird "ein grobes Kaliber" gesucht, wie Hainer sagte. "Wir sind schon unterwegs, wir haben Ideen." Hoeneß' Favorit soll Max Eberl sein, der aber erst vor wenigen Monaten nach einer privaten Auszeit bei RB Leipzig als Sport-Geschäftsführer eingestiegen ist. Eberl hat eine Bayern-Vergangenheit als Spieler. Und Hoeneß wollte ihn einst schon als Nachfolger von Matthias Sammer.
Hoeneß und Rummenigge, die alten Bayern-Granden, ziehen noch einmal die Strippen. Der 71-jährige Hoeneß führte gemeinsam mit Hainer schon am vergangenen Donnerstag auch die Trennungs-Gespräche mit Kahn und Salihamidzic, nachdem der Aufsichtsrat seinen Beschluss frühzeitig gefasst hatte. "Mit Hasan hat das sehr gut geklappt", berichtete Hainer. "Die Gespräche mit Oliver sind nicht so gut gelaufen, waren sehr emotional." Es habe keine "einvernehmliche Lösung" gegeben. Teure Abfindungen kommen auch noch auf den Club zu.
Alles eskalierte darin, dass Kahn in Köln, wo Jamal Musiala mit seinem Tor in der 89. Minute für eine Gefühlsexplosion sorgte, nicht mehr als Tribünengast erwünscht war. Kahn twitterte, die Mitreise sei ihm "vom Club untersagt" worden. Er wies auch "die Behauptung" zurück, "dass ich ausgerastet bin, als ich über die Abberufung informiert wurde".