Mehrheit für Blatter bröckelt, UEFA stimmt für Prinz Ali.
+++ In unserem LIVE-TICKER etwas weiter unten informieren wir Sie laufend über das aktuelle Geschehen +++
Ungeachtet weltweiter Kritik und Boykott-Drohungen hat FIFA-Präsident Joseph Blatter am Donnerstag den 65. Kongress des Fußball-Weltverbandes in Zürich eröffnet. Zwar steht die FIFA nach den skandalösen Entwicklungen mit Festnahmen und Suspendierungen weltweit am Pranger. Blatter kann sich nach den turbulentesten Stunden seiner Dauer-Regentschaft dennoch auf eine fünfte Amtszeit einrichten.
"Sie werden mir zustimmen, dass dies beispiellose und schwierige Zeiten für die FIFA sind", sagte der 79-jährige Schweizer zu Vertretern der 209 Mitgliedsverbände und sprach von "Schande und Beschämung" für den Fußball. Den jüngsten Skandal mit Festnahmen von sieben Funktionären in Zürich stellte Blatter, der am Freitag zum fünften Mal zum FIFA-Präsidenten gekürt werden will, jedoch als individuelles Problem dar.
"Ich werde nicht erlauben, dass einige wenige die harte Arbeit der Mehrheit, die so hart für den Fußball arbeitet, zerstören." Die nächsten Monate würden nicht einfach für die FIFA. "Ich bin sicher, dass weitere schlechte Nachrichten folgen werden", sagte Blatter, der jede persönliche Verantwortung von sich wies. "Ich weiß, dass viele mich für verantwortlich halten ... Ich kann aber nicht ständig auf alle aufpassen", erklärte der FIFA-Boss.
Details der FIFA-Anklage
1/7
Auf 161 Seiten zeichnen die US-Behörden in ihrer Anklage gegen 14 Beschuldigte ein erschreckendes Bild der Korruption im Weltfußball. In dem Schriftstück werden die einzelnen Schemata aufgeschlüsselt, wie im Geflecht von Bestechung, Schmiergeld und Geldwäsche die Summen steigen und immer mehr Funktionäre mitverdienen. Eine Auswahl aus Sicht der US-Justiz:
COPA AMERICA: 1986 erwirbt das Unternehmen Traffic Brazil die weltweiten Vermarktungsrechte für die Südamerika-Meisterschaft. Fünf Jahre später fordert CONMEBOL-Präsident NICOLAS LEOZ für eine Vertragsverlängerung eine sechsstellige Summe an Schmiergeld. Ein namentlich nicht genannter Mitverschwörer (#2) veranlasst die Zahlung einer sechsstelligen Summe in US-Dollar auf ein Konto, das LEOZ zugeschrieben wird. Bis 2011 erhält LEOZ Zahlungen für jede Auflage des Turniers, diese erhöhen sich jedes Mal und erreichen einen Millionenbetrag. Für die weltweiten Vermarktungsrechte der vier Copa Americas von 2015 an werden bereits insgesamt Schmiergelder in Höhe von 110 Millionen an elf CONMEBOL-Offizielle vereinbart.
GOLD CUP: Mit Hilfe des gleichen Mit-Verschwörers (#2) wird ein System wie bei der Copa America aufgebaut. Traffic USA erwirbt von 1996 an für fünf Auflagen auch die Vermarktungsrechte der Nord- und Mittelamerika-Meisterschaft. Bis zum Turnier 2003 fließen Hunderttausende Dollar an Schmiergeldzahlungen an CONCACAF-Präsident JACK WARNER. Diese werden ebenfalls versucht, über Mittelsmänner zu verschleiern. WARNERS Nachfolger JEFFREY WEBB erhält 1,1 Millionen für seine Zusage der Rechte am Gold Cup und CONCACAF Champions League 2012 an Traffic USA. Für die Turniere im folgenden Jahr sind es bereits zwei Millionen.
COPA LIBERTADORES: Rund um 2000 hält LEOZ auch hier die Hand auf und bekommt von einem Mit-Verschwörer (#5) einer Sport-Marketing-Agentur Schmiergeld- und Kickback-Zahlungen für die Werberechte an der südamerikanischen Königsklasse im Vereinsfuß0ball. 2006 weist LEOZ #5 an, aus dem Werbekontrakt mit dem CONMEBOL mehr als zwei Millionen US-Dollar auf persönliche Konten in Schweiz und Paraguay zu lenken.
BRASILIANISCHE NATIONALMANNSCHAFT: Ein multinationaler Sport-Ausrüster aus den USA erwirbt 1996 die Ausrüsterrechte für zehn Jahre für 160 Millionen US-Dollar. Der Ausrüster stimmt zu, weitere 40 Millionen an eine Tochter von Traffic Brasil zu zahlen. Die Hälfte fließt als Schmiergeld von Mit-Verschwörer (#2) an eine weitere namentlich nicht genannte Person. 2002 wird der Ausrüstervertrag vorzeitig aufgelöst.
WM-VERGABE 2010: CONCACAF-Präsident WARNER berichtet einem Mitverschwörer, dass hohe FIFA-Offizielle, die südafrikanische Regierung und das südafrikanische Bieter-Komitee bereit seien, eine Zahlung von Südafrikas Regierung in Höhe von 10 Millionen Dollar an den CFU zu arrangieren. Diese soll "die afrikanische Diaspora unterstützen". Mitverschwörer #1 versteht, dass Warner, er selbst und Mitverschwörer #17 für Südafrika als Gastgeber der WM 2010 stimmen sollen. Warner deutet an, dass er das Angebot akzeptiert und sagt Mitverschwörer #1 zu, eine Million Dollar weiterzureichen. Die südafrikanische Regierung soll die Zahlungen daraufhin jedoch nicht direkt aus Regierungstöpfen vornehmen können. In drei Margen weist ein hochrangiger FIFA-Funktionär an, dass zehn Millionen Dollar von einem FIFA-Konto in der Schweiz auf ein US-Konto fließen. Das Geld landet schließlich auf Konten im Namen der Karibischen Fußball-Union CFU und CONCACAF, kontrolliert von Warner, in Trinidad und Tobago. Durch Geldwäsche bei Mittelsmännern fließen Teile des Geldes schließlich zu Unternehmen in Trindad und Tobago sowie Warners Privatkonten. Mit-Verschwörer #1 erhält mehr als 750.000 Euro von Warner.
FIFA-PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL 2011: Mit-Verschwörer #7, ein hoher Funktionär der FIFA und des asiatischen Verbands AFC, erklärt 2011 seine Kandidatur für das FIFA-Präsidentenamt. Ende April fließen 363.537,98 Dollar von einem Konto, das Mit-Verschwörer #7 kontrolliert auf ein Konto des CFU, das WARNER kontrolliert. Im Mai stellt #7 den CFU-Verbänden seine Kandidatur vor, WARNER sagt den Funktionären, dass sie sich ein "Geschenk" abholen könnten. Die Repräsentanten erhalten jeweils einen Umschlag mit 40.000 US-Dollar. Nachdem das System auffliegt und WARNER von seinen Posten zurücktritt, veranlasst Mit-Verschwörer #7 eine Zahlung von mehr als 1,2 Millionen Dollar auf ein Konto, das WARNER kontrolliert.
Platini fordert Blatter zum Rücktritt auf
UEFA-Präsident Michel Platini hat den umstrittenen FIFA-Boss Joseph Blatter zum Rücktritt aufgefordert. "Ich habe ihm gesagt: 'Bitte verlasse die FIFA. Lass es sein. Genug ist genug'", berichtete der Franzose am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Zürich. Platini hatte das Wort bei einem Meeting der Präsidenten der FIFA-Konföderationen an Blatter gerichtet.
"Es wäre ein Zeichen von Größe gewesen. Fußball ist wichtiger als Personen, aber er hat gesagt: 'Es ist zu spät. Ich kann nicht aufhören, nicht zu Beginn dieses Kongresses.'" Platini appellierte an alle Stimmberechtigten, Blatter-Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein zu unterstützen. Die UEFA werde zum "allergrößten Teil" für den Jordanier stimmen, erklärte er.
Platini gab sich zuversichtlich, dass Blatter abgewählt werden kann. "Ich glaube, er kann geschlagen werden. Vor Ereignissen von gestern nicht. Aber ich glaube, dass es eine radikale Veränderung in den Köpfen vieler Präsidenten gibt", sagte der Franzose.
Blatter-Wahl nicht mehr sicher
Nach den Festnahmen und Suspendierungen am Mittwoch scheint eine Mehrheit von Blatter bei der Präsidentschaftswahl zumindest nicht mehr garantiert. Nach dpa-Informationen wollen die Vertreter der südamerikanischen Konföderation CONMEBOL bei internen Gesprächen ihr Wahlverhalten ernsthaft überdenken. Zudem sollen Gespräche mit Funktionären der europäischen Fußball-Union UEFA und der CONCACAF-Zone aus Nord- und Mittelamerika gesucht werden.
+++ FIFA-Skandal: Verhaftungen und Suspendierungen +++
Tritt UEFA aus FIFA aus?
UEFA-Präsident Michel Platini hat für den Fall eines Wahlsiegs von FIFA-Chef Joseph Blatter einen Rückzug der europäischen Mannschaften aus allen FIFA-Wettbewerben nicht ausgeschlossen. Bei einer Sondersitzung rund um das Champions-League-Finale in Berlin werde man in der kommenden Woche "alle Möglichkeiten ins Auge fassen", sagte der Franzose am Donnerstag in Zürich.
+++ Ex-Blatter-Vize Warner stellt sich +++
Video: Polizei verhaftet FIFA-Funktionäre
+++ FIFA-Skandal: So reagiert das Internet +++
Nächste Seite: Der LIVE-Ticker zum Nachlesen