Fußball-Drama: Sporting Lissabon vor Aus?
22.08.2018
Misswirtschaft, Fan-Attacken und populistische Präsidenten bei Jugendverein von Ronaldo.
Sporting Lissabon galt jahrelang als Aushängeschild des portugiesischen Fußballs. Als Verein, wo Luis Figo und Cristiano Ronaldo das Kicken lernten, erarbeiteten sich die Portugiesen den Ruf einer europäischen Talenteschmiede. Nun drohen die Löwen aber im Chaos zu versinken. Die Schuld wird vor allem einem Mann zugeschrieben, der als "Donald Trump" des portugiesischen Fußballs bezeichnet wird. Wenn Benfica Lissabon an diesem Samstag im Estadio da Luz den Stadtrivalen Sporting empfängt, wird Portugals Hauptstadt wieder einmal vom Derby lahmgelegt werden.
Doch Benfica und Sporting trennten mittlerweile Welten. Während die Adler, Benfica, vier der fünf letzten Meisterschaften gewannen, holten die Löwen ihren 22. und letzten Titel vor 16 Jahren. Zudem erlebte Sporting zuletzt Monate voller Chaos, Ultra-Attacken, Kündigungen von Stars und Rausschmissen.
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht. "Es kann sein, dass der Club schon im November nicht mehr die Gehälter der Spieler zahlen kann", warnte dieser Tage Jose Maria Ricciardi. Der 63-jährige Unternehmer und Bankier, dessen Großonkel Jose Alvalade den Verein 1906 mitgegründet hat und Namensgeber des Clubstadions ist, ist einer der sieben Kandidaten bei der für den 8. September angesetzten Präsidentenwahl. Seine Worte blieben unwidersprochen, weil sie wohl zutreffend sind. Wegen Schulden von mindestens 40 Millionen Euro bei Lieferanten sowie weiterer Verbindlichkeiten in nicht bekannter Höhe beim Fiskus und der Sozialversicherung seien zwei von drei Konten des Clubs bereits gepfändet worden, berichteten jüngst Medien.
Hooligan-Attacke schockte Portugal
Die Probleme sind aber beileibe nicht nur finanzieller Art. Nach mehrjährigem Durcheinander spitzte sich die Lage am 15. Mai dieses Jahres dramatisch zu. Damals drangen zahlreiche vermummte Hooligans auf dem Trainingsgelände in Alcochete bei Lissabon nach einer Serie schlechter Ergebnisse bis in die Umkleidekabine ein. Mit Stöcken und Gürteln bewaffnet prügelten sie auf mehrere Spieler und Trainer ein. "Wir alle haben um unser Leben gebangt", schrieb Nationaltorhüter Rui Patricio in einem Brief.
Dass es soweit kommen konnte, verdankt der Club, so die vorherrschende Meinung, dem damaligen Vereinsboss Bruno de Carvalho. Der 46-jährige Unternehmer hatte im Frühjahr nach dem Aus Sportings im Viertelfinale der Europa League gegen Atletico Madrid die Profis ungewöhnlich scharf kritisiert und 19 Spieler sogar suspendiert. De Carvalho hob die interne Sperre nach kurzer Zeit zwar auf, setzte seine öffentliche harsche Kritik nach Punktverlusten in der Liga aber fort. Damit habe er die Hooligans zur Attacke "motiviert", meinten Medien.
Club-Boss als Donald Trump des Fußballs
Der frühere Club-Präsident Jose Roquette, das US-Blatt "Politico", die britische Zeitung "The Independent" und viele andere sind einer Meinung: "De Carvalho ist der Donald Trump des portugiesischen Fußballs". Wie der US-Präsident wird der 2013 zum Sporting-Boss gewählte und 2017 im Amt bestätigte Unternehmer als "Populist" kritisiert, der keine Sprüche und Aktionen scheut.
Am 23. Juni wurde der "Presidente" auf einer außerordentlichen Generalversammlung von knapp 15.000 Clubmitgliedern mit mehr als 70 Prozent der Stimmen vorzeitig abgewählt und durch Interimspräsident Jose Sousa Cintra ersetzt. Unter den Folgen der Misswirtschaft und der Aktionen von De Carvalho leidet der Club aber immer noch. Nach der Hooligan-Attacke lösten neben Trainer Jorge Jesus auch mehrere Profis ihre Verträge auf.
Inzwischen kam aber leise Hoffnung auf. Der neue Trainer Jose Peseiro, der 2005 mit Sporting das UEFA-Cup-Finale erreichte, scheint um den nach vielen Jahren zurückgekehrten Europameister Nani ein solides Team geformt zu haben. Nach einem Bericht der Fachzeitung "Record" soll der brasilianische Ex-Star Roberto Carlos in den nächsten Tagen als Sportchef unterzeichnen. "Sporting schlägt eine neue Seite auf, und ich glaube, es wird sehr gut werden", ist Nationalspieler Fernandes überzeugt.