Neapel steht Kopf: Nach 33 Jahren ist der SSC Neapel zum ersten Mal wieder italienischer Fußball-Meister. Die ganze Stadt ist im Ausnahmezustand.
Der SSC Neapel hat heute seinen dritten Scudetto in der Vereinshistorie perfekt gemacht. Ein 1:1 in Udinese reichte den Süditalienern, um 33 Jahre nach den "Goldenen Zeiten" um Diego Maradona, wieder italienischer Fußball-Meister zu werden. Damit ist die Traumsaison für Napoli vollendet. Fünf Runden vor Schluss liegt der Verein uneinholbar 16 Punkte vor dem Verfolger Lazio Rom.
In Udine ging der Außenseiter durch den ehemaligen österreichischen Nachwuchs-Teamspieler Sandi Lovric (13.) in Führung, Napolis Stürmerstar Victor Osimhen (52.) glich aber kurz nach der Pause aus. 12.000 Napoli-Fans waren vor Ort dabei, über 50.000 sahen die Partie im heimischen Stadio Diego Armando Maradona via Liveschaltung. Danach gab es kein Halten mehr.
Ganze Stadt im Titelrausch
Die entscheidende Partie gegen Udinese wurde an Donnerstag in die Heimstätte des SSC Napoli, ins Stadio Diego Armando Maradona, per Großbildschirm live übertragen. 50.000 Fans hatten sich die Eintrittskarten zum Preis von fünf Euro für das Public Viewing gesichert. Die Einnahmen dienen wohltätigen Zwecken, die Tickets waren in wenigen Stunden vergriffen. Jetzt feiert die ganze Stadt!
Seit Tagen hängen Fahnen und Transparente in den Vereinsfarben von Balkonen und Wäscheleinen. Auf Plakaten steht "Napoli – Campione d’Italia 2022/2023". Heute gibt es die langersehnte Meisterfeier. Die Nacht wird in Neapel heute zum Tag gemacht.
Napoli war zuvor 1987 und 1990 mit Diego Armando Maradona italienischer Meister geworden. Seit dem Tod Maradonas im November 2020 im Alter von nur 60 Jahren ist der legendäre Fußballer eine Art neuer Stadtheiliger. Maradonas Konterfei prangt in fast jeder Straße an Hauswänden, Laternen oder Türen. In der traditionsreichen Via San Gregorio Armeno in Neapels Altstadt ist seine Figur in allen Größen und Varianten ein Bestseller.
Marktwert Napolis bei 629 Millionen Euro
Blickt man auf den Marktwert, so kommt Napolis Standing als Nummer eins nicht überraschend. Mit 629 Millionen Euro liegt der sechsfache Coppa-Italia-Sieger deutlich vor der Konkurrenz, darunter als erste Verfolger die Mailänder Topclubs Milan (547) und Inter (534). Aushängeschild ist der 24-jährige nigerianische Stürmer Osimhen (27 Pflichtspieltore), dessen Wert sich auf mehr als 100 Millionen Euro beläuft. Ähnlich wertvoll ist der 22-jährige georgische Flügelspieler Khvicha Kvaratskhelia (85 Mio.). Doch auch die Defensive rund um Kapitän Giovanni di Lorenzo ist ein Prunkstück.
Di Lorenzo: "Wir sind eine Einheit"
"Wir sind eine Einheit, spielen mit großer Begeisterung und haben Spaß auf dem Platz", nannte Di Lorenzo das Erfolgsgeheimnis des in einem 3-5-2-System agierenden Clubs. Coach Spalletti ist seit Juli 2021 im Amt, nach Rang drei in seiner Premierensaison folgte der große Coup. "Er schaut nicht auf Namen, es stehen jene Spieler in der Startelf, die es sich verdienen", verlautete Di Lorenzo. Napoli konnte auch international reüssieren. Erstmals gelang der Sprung ins Champions-League-Viertelfinale, wo knapp gegen Milan (0:1,1:1) Endstation war.
Somit bleibt der UEFA-Cup-Sieg 1989 der einzige Europacup-Triumph der Süditaliener. Damals führte noch der am 25. November 2020 verstorbene Maradona Regie. In der süditalienischen Stadt am Vesuv erlebte die am 30. Juni 1984 für die damalige Rekordsumme von 13 Milliarden Lire (10,61 Mio. Euro) vom FC Barcelona gekommene argentinische Legende ihre glanzvollste Zeit im Club-Fußball. Als Solokünstler führte er seine durchschnittlich bestückte Mannschaft zweimal zum Meistertitel. Auf der anderen Seite akzentuierten sich in der von der Camorra unterwanderten Stadt die menschlichen Abgründe des Superstars. Die Öffentlichkeit erlebte mit, wie dem Ballkünstler die Kontrolle über das Leben entglitt.
Maradona verließ den Club 1991
Maradona verließ den Club 1991, danach ging es bergab. 2001 stieg Napoli in die Serie B ab, nach einem Konkurs 2004 mit 67 Millionen Euro Schulden musste der Verein sogar zwangsweise in die Serie C. Filmproduzent Aurelio de Laurentiis kaufte für 29,25 Mio. Euro die Konkursmaße, auch die Fans hielten Napoli die Treue. 40.000 Anhänger demonstrierten im Juli 2004 im Stadion gegen den Zwangsabstieg, 15.000 Saisonkarten wurden für die dritte Liga verkauft, in der die Blau-Weißen teilweise über 60.000 Zuschauer ins San-Paolo-Stadion lockten.
Der Neustart gelang. 2006 schaffte Napoli den Aufstieg in die Serie B, 2007 mit dem Österreicher György Garics die Rückkehr in die Serie A. Der ehemalige Abwehrspieler war bis Sommer 2008 für zwei Jahre für Napoli tätig. Ab Ende Juli 2009 spielte dort mit Erwin Hoffer ein weiterer Ex-Rapidler, der Stürmer wurde aber nicht glücklich und kam über elf Pflichtspieleinsätze nicht hinaus. Im August 2013 war das Napoli-Engagement nach mehreren Leihstationen zu Ende. Zuvor hatte mit Fritz Kreutzer in der Saison 1926/27 ein weiterer Österreicher das Napoli-Dress getragen.