Im Fußball-Rausch

Jetzt Favorit: WM wird Deutschland-Party

04.07.2010

Sie feiern. Sie jubeln. Sie siegen. Ein Land (82 Millionen) als Fanzone. Deutschland ist seit dem 4:0 gegen Argentinien im Fußballrausch.

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„Deutschland bebt – und das völlig zu Recht“, jubelte Thomas Müller, der neue deutsche Stürmerstar. Mit dem Schlusspfiff wurde das ganze Land zu einer einzigen Partyzone. Zum schwarz-rot-goldenen Fahnenmeer. Zur größten Fanmeile der Welt. Freude, Ekstase, Glückstaumel. 2.000 Public-Viewing-Arenen gibt es Deutschland. Die größte in Berlin: Sechs Riesenleinwände, Bierzelte, 37 Grad und 350.000 ausgelassen feiernde Bikinimädchen und geschminkte Fans zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule (1,7 Kilometer).

In Hamburg waren es 60.000, in München ebenso. Millionen waren auf der Straße. Autokorsos in allen Großstädten. Hupkonzerte überall. Partys die ganze Nacht. Deutschland steht buchstäblich kopf vor Freude. Und trotzdem blieb alles friedlich – das Rote Kreuz hatte kaum Einsätze, in Berlin waren es bloß 62, meist Hitzeopfer.

Faymann und Pröll tippen auf Deutsche
Deutschland siegt – und ist jetzt bei allen Experten Top-Favorit dieser WM. Auch die österreichischen Prominenten tippen mittlerweile großteils auf Deutschland als Weltmeister. Von Kanzler Faymann bis Vizekanzler Josef Pröll: „Deutschland! Weil sie eine junge, kampfstarke Mannschaft haben“, sagt der Vizekanzler. Niki Lauda ergänzt: „Wenn die so weiterspielen wie gegen Argentinien, dann kann nur das deutsche Team gewinnen.

Aus "Panzer" wurden "Wunderkinder"
Was ist das Geheimnis der Attraktivität dieser jungen deutschen Truppe? Ist es der Multi-Kulti-Charakter? Miroslav Klose stammt aus Polen, Mesut Özil hat türkische Vorfahren, Sami Khedira hat einen tunesischen Vater, Jerome Boatengs Vater stammt aus Ghana. Dazu Spielmacher Schweinsteiger, der neue Star Thomas Müller und der leger-zurückhaltende Trainer Jogi Löw. Die gesamte Mannschaft tritt ungekünstelt auf, keiner hat Starallüren, aufgebrezelte Diven wie Portugals Cristiano Ronaldo oder Argentiniens Messi gibt es nicht.

Selbst Libanon jubelt
Trotzdem kommt der neue deutsche Fußball scheinbar überall an. Martialische Fußball-Rhetorik ist passé. Aus „deutschen Panzern“ wurden „präzise Wunderkinder“ (Südafrikas Zeitung Sowetan). Selbst im Libanon gerieten die Menschen außer Rand und Band, als Deutschland Argentinien wegschoss: Autokorsos rasten in Beirut durch die Nacht, Jugendliche brüllten aus den Seitenfenstern: „Almania! Almania!“.

Rekordquoten sind auch für die kommenden Spiele garantiert. Das deutsche Fernsehen rechnet bereits für den Mittwoch-Kracher Deutschland gegen Spanien mit deutlich mehr als 30 Millionen Zusehern.

Weltweit haben alle Medien ihre Ressentiments gegen das deutsche Team abgelegt, selbst die Engländer schreiben inzwischen: „Sie sehen aus wie Weltmeister“, konstatiert etwa The Sunday Telegraph. In Frankreich schwärmte die tägliche Sportzeitung L’Equipe: „Tore und Spektakel. Das bietet diese junge, dynamische deutsche Mannschaft. Herrlich. Warum hat das unser Team nicht geschafft?“

Deutscher Fußball-Rausch gut für die Wirtschaft
Deutschland in Euphorie. Sämtliche politische Geplänkel sind inzwischen vergessen. Auch wirtschaftlich wäre ein deutscher Weltmeister perfekt für Europa, sagen Experten. Immobilieninvestor René Benko: „Deutschland in Weltmeister-Stimmung. Das täte der Wirtschaft überall gut. Einen solchen Dynamikschub darf man nicht unterschätzen.“

Merkel trinkt Bier mit ihren Jungs
Nach dem Spiel kam die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Kabine. Sie trank ein Bier mit den Spielern, umarmte Schweinsteiger, hielt keine Rede, sondern sagte bloß: „Es war ein Traum.“

Deutschland ist seit Monaten auf der Überholspur. Zuerst eroberte die 18-jährige Lena beim Song-Contest die europäischen TV-Zuseher. Jetzt begeistern die Fußballer die Welt. Vom „gefürchteten Deutschen“ zum Sympathieträger, ein gewaltiger Imagewandel. Die britische BBC lieferte gleich eine Statistik dazu. Einer Umfrage unter 30.000 Menschen in 28 Ländern zufolge ist Deutschland derzeit das beliebteste Land der Welt, und das erstaunt. An diese Traumwerte reicht – laut der Studie – bloß Kanada heran. Die höchsten Sympathiewerte erzielten die Deutschen in Frankreich, dem früheren Erzfeind. 82 Prozent der Franzosen finden die Deutschen inzwischen gut.

Vergessen ist das Stechschrittklischee von früher. Heute herrscht „entspannte Lebensfreude im Land“. Wie im Nationalteam.

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