Exclusiv-Interview
Jetzt spricht Matthäus
05.11.2007
Lothar Matthäus (46) spricht erstmals seit seiner Entlassung bei Red Bull Salzburg Klartext. Er gab ÖSTERREICH ein Exklusiv-Interview.
ÖSTERREICH: Herr Matthäus, trotz der Mega-Krise bei Red Bull
scheint keiner den Meister beerben zu wollen. Wie sehen Sie die Situation in
der österreichischen Liga?
Lothar MATTHÄUS: Es gibt nur
einen ganz großen Gewinner. Das sind die Fans. Die ersten sieben
Mannschaften sind nur durch sechs Punkte getrennt. Das bedeutet Spannung
pur. So etwas habe ich noch nie erlebt. Was aber alles andere als für die
Qualität der Liga spricht.
ÖSTERREICH: Konkreter bitte!
MATTHÄUS:
Es ist keine einzige Mannschaft in der Lage, die große Schwächephase von Red
Bull auszunutzen. Wenn Teams wie Rapid oder Austria in der Liga nur
mitspielen, nicht einmal jetzt davonziehen können, wie wollen sie dann auf
internationaler Bühne bestehen? Auch wenn das jetzt wieder viele nicht hören
wollen. Darüber muss man sich Gedanken machen. Und zwar jetzt!
ÖSTERREICH:
Stichwort internationales Parkett. Red Bull ist dort wieder einmal nicht
vertreten, auch in der Liga nicht vorne dabei. Ein Armutszeugnis?
MATTHÄUS:
Eines vorneweg. Es kann nicht so toll laufen wie letztes Jahr. Da haben wir
die Liga ja dominiert wie noch nie ein Team zuvor. Das kann man sich nicht
jedes Jahr zum Maßstab setzen. Aber von einem Team wie Red Bull muss
wesentlich mehr kommen als bisher. Das steht fernab jeglicher Diskussion.
Zumal das Team auch noch personell stärker besetzt ist als im Meister-Jahr.
ÖSTERREICH:
Das sagen Sie so einfach!
MATTHÄUS: Sekagya hat Linke
ersetzt. Und mit Ilic und Leitgeb sind zwei weitere Top-Spieler
hinzugekommen. Auch wenn Ilic bisher noch nicht seine Top-Form gezeigt hat.
Wer in Serbien über mehrere Jahre hinweg der Top-Mann war, auch in der
Türkei groß aufgespielt hat. Ja, bitteschön, der kann das Fußballspielen
nicht von heute auf morgen verlernt haben. Und Leitgeb ist eines der größten
Talente, das der österreichische Fußball besitzt!
ÖSTERREICH:
Warum läuft es beim Meister nicht mehr, seit dem Sie weg sind?
MATTHÄUS:
Herr Mateschitz hat es kürzlich sehr treffend analysiert. Man müsse Wert auf
Teamfähigkeit, Charakter, Opferbereitschaft, Trainingsverhalten und
Freizeitverhalten legen. Es hat mich sehr gefreut, als ich diese Sätze
gelesen habe. Denn das habe ich immer und immer wieder gepredigt und offen
angesprochen, als ich noch im Amt war. Es scheint fast so, als sei ich
damals gar nicht so falsch gelegen!
ÖSTERREICH: Ihr Problem
war aber, dass Sie es in der Öffentlichkeit gesagt haben.
MATTHÄUS:
Das ist auch immer eine Frage des Charakters eines Menschen. Jeder macht das
anders. Auch Heinz Hochhauser scheint sich kein Blatt vor den Mund zu
nehmen. Und ich kann mich mit einem 2:0 oder 3:0 einfach nicht zufrieden
geben, wenn die Mannschaft nach 60 oder 70 Minuten das Fußballspielen
einstellt. Wenn ich endlich höhere Ziele erreichen will, muss ich bis zum
Schlusspfiff das durchziehen.
ÖSTERREICH: Apropos
durchziehen. Glauben Sie, dass Giovanni Trapattoni bald das Handtuch werfen
wird?
MATTHÄUS: Wenn es nicht läuft, steht nicht nur die
Mannschaft, sondern auch der Trainer in der Kritik. Aber Didi Mateschitz hat
klare Worte in puncto Trapattoni gewählt. Jetzt muss man diese Entscheidung
einfach akzeptieren.
ÖSTERREICH: Wird Red Bull den Titel
erfolgreich verteidigen können?
MATTHÄUS: Ich würde
heute noch eine Menge darauf wetten, dass auch in dieser Saison der Meister
wieder Red Bull Salzburg heißen wird.