Sean Dundee
"Keine Gefahr für WM-Touristen"
08.06.2010
Südafrikas Bevölkerung vor WM "zusammengeschweißt".
Sean Dundee ist in Tagen wie diesen ein gefragter Mann in Südafrika. Aufgrund seiner Kenntnisse über den europäischen Fußball wird der gebürtige Südafrikaner, der mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, auf einem großen südafrikanischen Sportsender die WM-Spiele analysieren. Im Intervie berichtete der in Durban wohnhafte Ex-Austria-Stürmer über die Vorfreude am Kap, seine Erfahrungen als Weißer im südafrikanischen Nationalteam und seine Bewunderung für Nelson Mandela.
Frage: Was sagen Sie zur Kritik, in Südafrika sei zu viel Geld in
die Stadien und zu wenig in die Infrastruktur geflossen?
Dundee:
"Das stimmt leider. Es wurde einfach zu viel Geld für Sachen ausgegeben,
die nicht nötig waren, zum Beispiel für einen komplett neuen
Flughafen in Durban. Und statt das eine oder andere Stadion zu renovieren,
hat man einfach neue gebaut."
Frage: Ist der Unmut darüber derzeit in der Bevölkerung zu spüren?
Dundee: "Jetzt ist das überhaupt kein Thema mehr, es dreht sich alles
nur noch um Fußball, alle freuen sich auf das Turnier. Es ist eine
unglaubliche Begeisterung zu spüren. Häuser und Autos sind beflaggt,
die Leute laufen mit südafrikanischen Nationalteam-Trikots herum."
Frage: Wie schätzen Sie die Chancen der "Bafana Bafana" ein?
Dundee:
"Im Moment sieht es besser aus als noch vor vier Monaten. In den
Freundschaftsspielen waren sie zuletzt deutlich verbessert. Aber sie haben
Probleme, Tore zu machen, sie kommen nicht zu vielen Chancen. Und in dieser
Gruppe wird es sehr schwer, ins Achtelfinale zu kommen, entscheidend ist das
erste Spiel gegen Mexiko. Der Heimvorteil könnte den kleinen Unterschied
ausmachen."
Frage: Ist zu merken, dass das ganze Land quer durch alle Bevölkerungsgruppen
hinter dem Nationalteam steht?
Dundee: "Alle stehen voll dahinter
und wollen, dass sich die Mannschaft gut präsentiert. Eine annähernd große
Unterstützung hat noch keine südafrikanische Mannschaft gehabt, auch
nicht das Rugby-Team bei der WM 1995."
Frage: Fußball ist in Südafrika der Sport der Schwarzen, Sie waren in den
1990er Jahren als Weißer einmal beim Nationalteam. Welche Erfahrung
haben Sie damals gemacht?
Dundee: "Ich habe mich nicht integriert
gefühlt. Ich bin damals von Deutschland gekommen und dachte, ich werde
gut aufgenommen, aber das war nicht so. Der Teamchef hat es auch
mitbekommen, aber nichts gesagt. Man hat gleich gemerkt, dass sie keinen
Weißen in der Mannschaft haben wollten. Doch mittlerweile ist das ganz
anders, wie man an Booth sieht."
Frage: Wie haben Sie das Ende der Apartheid erlebt?
Dundee:
"Es war das Beste, was dem Land passieren konnte. Dann hat man gesehen,
welche Möglichkeiten das Land hat, auch im Sport. Nelson Mandela ist
ein Held für mich. Ich durfte ihn kennenlernen und ihm die Hand
schütteln, darauf bin ich sehr stolz."
Frage: Welchen Beitrag kann der Fußball zu einem besseren Zusammenleben
der Bevölkerungsgruppen leisten?
Dundee: "Die Leute sind
derzeit wie zusammengeschweißt, so wie ich es bisher noch nie gesehen
habe. Es gibt nach wie vor Probleme, ein paar Prozent von Weißen und
Schwarzen, die nicht miteinander können. Doch ich hoffe, die sind auch
bald weg."
Frage: Aber besteht nicht die Gefahr, dass es mit dem nationalen Schulterschluss
nach der WM schnell wieder vorbei ist?
Dundee: "Das kann auf
jeden Fall passieren. Ein bisschen Angst habe ich schon, wenn ich daran
denke, was danach passiert. Jetzt freuen sich alle auf die WM und haben sich
gern. Hoffentlich bleibt das kein Strohfeuer."
Frage: Im Vorfeld war die Sicherheit immer ein großes Thema. Besteht Gefahr
für die WM-Touristen?
Dundee: "Davor habe ich weniger Angst.
Man muss sich eben richtig verhalten. Ich gehe auch nicht allein durch
Durban, sondern mit Gruppen dorthin, wo viele Menschen sind. Es kann sein,
dass gestohlen wird, aber wirklich schlimme Sachen sollten nicht passieren.
Außerdem hat sich in punkto Sicherheit viel zum Guten gewandelt. Die Sicherheitskräfte
sind hundertprozentig vorbereitet und das ganze Land will einen positiven
Eindruck hinterlassen."
Frage: Kann die WM überhaupt noch ein Misserfolg werden?
Dundee:
"Nein. Südafrika hat schon in der Vergangenheit viele Großveranstaltungen
ausgerichtet und nichts ist passiert. Es kann sein, dass bei ein paar
unbedeutenderen Gruppenspielen die Stadien nicht voll sind. Andererseits
gibt es seit Tagen Schlangen vor den Ticketbüros, Stunden bevor sie
überhaupt aufsperren. Die Menschen wissen, dass sie so etwas nicht mehr
erleben werden und wollen unbedingt dabei sein."