Koller-Mentalität

Koller: Sieg vergeigt - trotzdem unser Held

15.09.2012


Trotz der Niederlage gegen Deutschland hat Teamchef Marcel Koller unsere Herzen erobert.

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© TZ Österreich
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Seit Jahrzehnten wünschen wir uns eine starke Fußball-Nationalmannschaft. Ein Siegerteam, auf das wir stolz sein können. Helden in kurzen Hosen.

Wachgerüttelt
Koller hat Österreichs Fußball aus der Lethargie geholt. Er rüttelt alle wach. Beim heroischen 1:2 im kochenden Happel-Stadion gegen Deutschland spielte unsere Elf so stark wie selten zuvor. Agil, frisch, aggressiv. Unser Team kommt jetzt genauso sympathisch rüber wie der Teamchef. Wiener Schmäh gemischt mit trockenem Schweizer Humor.

Die Experten sind überzeugt: Der Erfolg wird sich einstellen. Muss sich einstellen, weil Koller einen sensationellen Job macht.

Zuckerbrot und Peitsche
Er schenkt den Fans Hoffnung, hat auch schwierige Spieler wie Marko Arnautovic im Griff. Sein Rezept: Zuckerbrot und Peitsche.

Koller sagt Arnautovic knallhart die Meinung, richtet den schrägen Star aber auch auf, wie nach der vergebenen dicken Chance gegen die Deutschen.

Koller-Mentalität
Der Schweizer treibt unseren Fußballern endlich die Selbstzufriedenheit aus. Er lebt Disziplin und Leidenschaft vor. Koller verlangt, dass alle ans Limit gehen.
Eine neue Mentalität – eine Sieger-Mentalität!

"Wir haben die Berechtigung, weiter von der WM zu träumen"

ÖSTERREICH: Herr Koller, wie viele graue Haare mehr haben Sie nach dem Drama gegen Deutschland?
Marcel Koller: Ach, das ist halb so schlimm. Die Haare werden sowieso mit der Zeit grau – oder fallen ganz aus.

ÖSTERREICH: Sie wirken vor und nach den Spielen immer so gefasst – doch wie schaut’s tief drinnen aus?
Koller: Es hat keinen Sinn, wenn ich wie ein Hampelmann herumspringe. Das 1:2 gegen Deutschland ist unheimlich frustrierend, keine Frage. Ich habe danach kaum geschlafen. Zum Glück sind gute Freunde von meiner Frau und mir aus der Schweiz in Wien gewesen. Die haben mich abgelenkt. Aber es ist nicht einfach, so eine bittere Niederlage zu verarbeiten. Ich habe mich am Tag danach im Büro verkrochen. Als Teamchef geht das. Als Klubtrainer nicht. Da musst du bereits ein paar Stunden später wieder vor deine Spieler treten und sie aufrichten.

ÖSTERREICH: Wie richten Sie unseren tragischen Helden Marko Arnautovic auf? 1,234 Millionen Menschen vor den TV-Schirmen haben schon den Torschrei auf den Lippen – und er haut daneben. Wahnsinn, oder?
Koller: Ich hatte nach der Partie leider nicht mehr die Gelegenheit, mit Marko über diese Szene zu sprechen. Ich kenne ihn jetzt ein bisschen besser und weiß, wie nahe ihm das geht.

ÖSTERREICH: Arnautovic hat sich bei der ganzen Nation entschuldigt …
Koller: Na ja, er hatte Pech. Der Ball ist ihm ans Schienbein gesprungen. Andererseits ist er mit seinem Kopf bereits bei den Fans in der Kurve gewesen. Marko war nicht voll konzentriert. Und du musst voll konzentriert sein! Im Spiel und auch beim Training. Jede Sekunde. Das sage ich den Jungs immer und immer wieder.

ÖSTERREICH: Ist das auch die „Koller-Mentalität“, von der Sie geredet haben?
Koller: Ich nenne es so, weil man nie nachlassen darf, immer ans Limit gehen muss, sonst wird man seine Ziele nie erreichen. Ich tue auch alles, um die Spieler beim nächsten Spiel gegen Kasachstan genauso heiß zumachen, wie es gegen Deutschland gelungen ist.

ÖSTERREICH: Was denken Sie: Schaffen Sie es als Schweizer, Österreich zur Fußball-WM nach Brasilien zu führen?
Koller: Das ist unser Ziel, aber kein Muss. Wir haben die Berechtigung, von der WM zu träumen. Deutschland ist abgehakt – wir schauen nach vorne!

Christian Russegger

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