"Geile Truppe"
Kollers Team erntet erste Früchte
08.06.2013
Schweden bangt um WM - Schiri Rocchi als Buhmann.
Österreichs Fußball-Teamchef Marcel Koller scheint schön langsam die ersten Früchte seiner Arbeit zu ernten. Von der WM 2014 in Brasilien spricht der 52-Jährige zwar auch nach dem 2:1-Heimsieg gegen die Schweden noch nicht, seine Kicker sind Koller aber bereits sichtlich ans Herz gewachsen. "Das ist eine geile Truppe. Und zwar nicht nur die elf Mann, die auf dem Platz stehen", zeigte sich der Schweizer angesichts des Teamgeistes bei David Alaba und Co. ungewohnt euphorisch.
Was die sportliche Perspektive angeht, verfiel Koller nach dem bisher wichtigsten Sieg seiner Ära hingegen keinesfalls in übertriebenen Jubel. "Jubeltrubel durch die Gegend zu laufen, das bin ich nicht. Denn dann ist die Gefahr groß, dass du die Dinge nicht mehr so konsequent machst und nachlässig wirst. Ich bin lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass wir noch nichts erreicht haben." Von seinem bis dato schönsten Moment als ÖFB-Headcoach wollte er daher nicht sprechen: "Ich hoffe, dass noch schönere folgen werden. Wir müssen Konstanz in unsere Leistungen hineinbringen."
Platz zwei in Gruppe C hinter Deutschland sieht Koller aber nun als durchaus realistisches Ziel an. Dafür sei aber entscheidend, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Und der nächste Quali-Schritt ist das Auswärtsmatch gegen die Deutschen am 6. September in München. "Die Mission ist noch lange nicht zu Ende. Ich beschäftige mich mit Deutschland, nicht mit Hochrechnungen. Ich weiß mittlerweile, wie sehr das ganze Land gerade in den Partien gegen die Deutschen mitfiebert."
Wie die Spieler freute sich aber auch Koller, nun im Rennen um Rang zwei vom Jäger zum Gejagten geworden zu sein. "Das ist viel angenehmer, weil du es dir selber richten kannst. Ich bin auf jeden Fall lieber oben als unten."
Dass Kollers Drahtseilakt mit Club-Reservisten wie Marc Janko oder Marko Arnautovic voll aufgegangen ist, schweißt die Gruppe jetzt natürlich noch mehr zusammen. "Ich bin von der Qualität meiner Spieler überzeugt. Und ich bin überzeugt, dass sie uns weiterbringen können", meinte Koller über seinen durchaus mutigen Vertrauensbeweis.
Auch das Experiment Arnautovic durfte Koller als gelungen ansehen. "Marko hat bei jedem Spiel ein Ferserl dabei, das war auch diesmal so. Aber das gehört zu seinem Spiel. Er hat die Sache gut gemacht und dem großen Druck standgehalten." Nun sei bei Arnautovic sportliche Konstanz entscheidend ("Nicht nur Farbtupfer"), und das Ende der Serie an privaten Negativschlagzeilen. "Man muss sich vorher überlegen, was ich mache. Nicht nachher."
Über mangelndes Spielglück in den vergangenen beiden Schlüsselspielen in Dublin und Wien konnte sich Österreich ebenfalls nicht beklagen. Koller ist überzeugt, dass sein Team dieses klassisch erzwungen hat. "Die Mannschaft hat sehr viel in diesem Bereich gearbeitet, ist jetzt bewusster vor dem Tor. Und dann fällt das Glück auf deine Seite."
Am meisten leidet Koller offensichtlich in seinem Job bei der Zusammenstellung der Aufstellung. "Ich möchte jeden der 23 Spieler bringen, kann aber nur elf aufstellen. Das ist das Beschissenste am Trainerjob. Manchmal ist es Bauchgefühl, manchmal aus taktischen Gründen. Da gibt es schlaflose Nächte, denn du musst das den Spielern natürlich auch erklären."
Im Umgang mit den Akteuren scheint Koller einen guten Draht zu finden. "Ich bin zwar der Trainer, aber ich bin nicht unantastbar. Kommunikation hat früher in diesem Geschäft keine große Rolle gespielt, umso wichtiger ist sie meiner Meinung nach heute. Das soll nicht nur Blabla sein, das soll gelebt werden."
Sieht und hört man die gegenseitige Wertschätzung, die zwischen den Spielern und dem Teamchef gewachsen ist, scheint eine Vertragsverlängerung nur Formsache zu sein. Doch Koller merkte an: "Natürlich würde es mir schwer fallen, diese Mannschaft zu verlassen. Aber so ist der Trainerjob. Auch wenn die Lage nicht so schön ist, ist es schwierig, ein Team zu verlassen. Denn dann schießen dich alle auf den Mond und du musst schauen, dass du da wieder runterkommst." Koller kündigte aber an, demnächst mit dem ÖFB die Verhandlungen aufzunehmen. Sein Vertrag läuft vorerst bis Dezember.
Auf Seite 2: Schweden hadert mit Schiedsrichter
Schweden bangt nach der 1:2-Niederlage in Wien gegen Österreich um die Teilnahme an der Fußball-WM 2014 in Brasilien. "Das war ein echter Schlag in den Magen. Schweden ringt nach Luft. Jetzt hat das Team das Messer an der Kehle", resümierte die schwedische Zeitung "Aftonbladet". Am Dienstag im Heimspiel gegen die Färöer ist für Zlatan Ibrahimovic und Co. ein Sieg natürlich absolute Pflicht.
Die Wut der Schweden richtete sich nach dem Schlusspfiff im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion vor allem gegen einen Mann: Schiedsrichter Gianluca Rocchi. Dem Italiener wurden in den schwedischen Medien prompt seine angeblichen Verwicklungen in den italienischen Wettskandal aus dem Jahr 2006 an den Kopf geworfen. "Wir hätten zwei Elfmeter bekommen müssen", ärgerte sich Superstar Ibrahimovic.
"Das war ein echter Schlag in den Magen"
Vor allem die Szene in der 94. Minute, als Franz Schiemer Andreas Granqvist zu Fall brachte, lag den Skandinaviern ordentlich im Magen. Granqvist, der sein Geld bei Genoa in Italien verdient, konnte es kaum fassen: "In Italien hätte er von zehn Mal zehn Mal Elfmeter gepfiffen. Er hat mich zu hundert Prozent nur auf meinem rechten Bein getroffen." Teamkollege Sebastian Larsson formulierte es noch drastischer: "Die Österreicher hätten uns mit einer Axt umschneiden können, und es hätte trotzdem keinen Elfmeter gegeben."
Teamchef Erik Hamren äußerte sich ein wenig zurückhaltender. "Ich denke, wir hatten unterschiedliche Ansichten." Mit dem Auftreten seiner Truppe war Hamren durchaus zufrieden. "Die Leistung war 75 Minuten lang sehr gut. Unser Wille und unsere Moral nach der Pause zeigt den Stolz dieser Mannschaft."
Ibrahimovic: "Hätten zwei Elfmeter bekommen müssen"
Abgesehen von der Schiedsrichterleistung befand die Zeitung "Svenska Dagbladet" die Darbietung der Schweden als ernüchternd. "Das Schlimmste an der Niederlage in Wien war, dass Österreich nicht einmal besonders gut war", urteilte das Blatt. Kritik gab es vor allem an den Innenverteidigern Jonas Olsson und Granqvist, die bei den Treffern in ihren Aktionen gegen Martin Harnik und Marc Janko "tödliche Fehler" begingen.