Hicke lobte Einsatz und Willen seiner Burschen, es gab aber auch Punkte, die dem Teamchef schwer im Magen liegen.
Österreichs Fußball-Teamchef Josef Hickersberger hat am Tag nach dem 1:1 im Testspiel gegen Tschechien eine zwiespältige Bilanz gezogen. Zum einen bewertete der 59-Jährige sowohl das Resultat als auch die Leistung seiner Schützlinge über weite Strecken der ersten Hälfte positiv, zum anderen ärgerten ihn die vielen Fehler in der Defensive in der Anfangsphase und auch offensichtliche Mängel im physischen Bereich.
"Das Spiel war ein guter Test. Wir haben gegen einen Gegner gespielt, der über viel Erfahrung verfügt. Die Spieler der tschechischen Anfangsformation hatten zusammen über 500 Länderspiele, wir hatten 183 Länderspiele und 17 Tore. Das zeigt ganz einfach den Unterschied zwischen beiden Mannschaften", betonte der Teamchef.
Harnik & Co nicht hochjubeln
Zwar werde es demnächst auch dem
Weltranglisten-Neunten nicht erspart bleiben, das A-Team zu verjüngen, doch
immerhin könne der nördliche Nachbar dabei auf die Spieler aus seiner
"silbernen" U20-Auswahl zurückgreifen. "Und die Tschechen haben daraus kein
Wunderteam gemacht", sagte Hickersberger mit Blick auf die ÖFB-U20-Truppe.
Lesen Sie hier: Debütant lässt Österreich jubeln.
Mit Ergebnis zufrieden
Angesichts der Stärke der tschechischen
A-Auswahl sei er mit dem 1:1 zufrieden, meinte der Niederösterreicher, dem
vor allem die Leistung "von der 10. Minute bis zur Pause" gefallen hat. "Das
war ein guter Kombinations-Fußball, obwohl wir nur mit einer Spitze gespielt
haben. Nach der Pause war das Match wegen der vielen Auswechslungen, durch
die der Spielfluss verloren gegangen ist, nicht mehr so gut." Weiters meinte
der frühere Rapid-Meistermacher: "Das Team hat jenen Willen gezeigt, den die
Leute spüren wollen, und das war eigentlich das Wichtigste."
Beginn "katastrophal"
Scharfe Worte fand Hickersberger
hingegen für die vielen Unsicherheiten zu Beginn, durch die Tschechiens
Goalgetter Milan Baros zu zwei hochkarätigen Einschussmöglichkeiten gekommen
war. "Die Anfangsphase war katastrophal. Wenn die Mannschaft bei der EM
solche Stellungsfehler macht und dem Gegner eine frühe 2:0-Führung
ermöglicht, können wir einpacken. So etwas wird auf allerhöchstem Niveau
bestraft, davor darf man nicht die Augen verschließen und mit
Selbstzufriedenheit in den Tag hineinleben", kritisierte "Hicke", der davon
ausging, dass die mögliche Niederlage noch höher ausgefallen wäre, hätte
Baros zu Beginn zweimal getroffen. "Das wäre eine Katastrophe für die
Stimmung im Land gewesen."
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Blaues Auge
Am Mittwoch sind die ÖFB-Kicker noch einmal mit einem
blauen Auge davongekommen, bei der EM aber werden solche Fehler bestraft,
ist Hickersberger überzeugt. "Auf höchstem internationalen Niveau
entscheiden Kleinigkeiten. So eine Chance wie von Mörz dürfen wir nicht
auslassen, wenn wir bessere Gegner besiegen wollen. Wir sprechen hier von
der EURO, nicht von Bundesliga-Niveau, sondern von absoluter Klasse."
Diese Kritik wollte Hickersberger loswerden, "weil in Österreich prinzipiell die Gefahr besteht, gute Leistungen wie in der ersten Hälfte zu glorifizieren, und ich habe schon oft die Glorifizierung des Mittelmaßes erlebt."
Lesen Sie hier: Österreich erkämpft 1:1 gegen Tschechien.
Physisch zulegen
Um beim Heim-Turnier zu bestehen, sind auch
physische Qualitäten gefragt - und diesbezüglich gibt es im ÖFB-Team noch
Aufholbedarf. "Für das allerhöchste Niveau reicht unser derzeitiger
Fitnessstand nicht aus. Wir müssen gegen die besten Spieler der Welt viel
Laufaufwand betreiben. Es reicht nicht, nur auf Fehler zu warten, man muss
sie zu Fehlern zwingen", mahnte Hickersberger und wies darauf hin, "dass
einige Spieler nicht über 90 Minuten kommen".
Bis zur EURO könnte es sich laut Hickersberger aber noch ausgehen, neben "Musterschüler" Martin Stranzl auch die übrigen Teamkicker im körperlichen Bereich auf Vordermann zu bringen. "Die Zeit reicht."
Lob für Harnik
Neben Stranzl, der in Abwesenheit des
verletzten Andreas Ivanschitz als Kapitän einlief, hob der Teamchef auch den
Debüt-Torschützen Martin Harnik hervor. Erstmals hatte er den Wahl-Bremer
vor über einem Jahr in einem Nachwuchs-Länderspiel gesehen. "Da ist er mir
durch seinen Zug zum Tor, durch seinen Willen, den Gegner zu überspielen,
aufgefallen. Ich habe mir immer gedacht, wenn er sich gut entwickelt, könnte
er ein Thema fürs A-Team werden, deshalb habe ich Kontakt mit ihm gehalten."
In den wenigen Trainingseinheiten vor dem Tschechien-Match agierte Harnik laut Hickersberger zwar etwas nervös, "aber er hat ein gesundes Selbstvertrauen. Er ist ein aufgeweckter Kerl, es besteht nicht die Gefahr, dass er abhebt." Harniks Treffer bezeichnete der Coach als "Weltklasse-Tor" und sprach von einem "Traumdebüt" sowie einer "märchenhaften Geschichte". Nun gehe es für Harnik vor allem darum, so viel Erfahrung wie möglich zu sammeln.
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Goalie-Frage weiter offen
Zufrieden äußerte sich Hickerserberger
auch über die Darbietungen von Michael Mörz, Joachim Standfest ("Er war
schon in den letzten Länderspielen immer bei den Besten") und Alexander
Manninger ("Er hat einen schwierigen Ball gehalten, seine Körpersprache war
gut"), wobei er jedoch betonte, dass die Tormann-Frage nach wie vor völlig
offen sei.
Lesen Sie hier: Manninger empfiehlt sich für die EM.
Vier-Nationen-Turnier wartet
Bereits am Dienstagabend nominiert
der Teamchef das Aufgebot für das Vier-Nationenturnier mit den Spielen in
Klagenfurt gegen Japan (7. September) und in Wien gegen Chile (11.
September). Mit vielen Änderungen ist allein schon aufgrund der kurzen
Zeitspanne nicht zu rechnen, und eines machte Hickersberger jetzt schon
klar. "Es dürfen nicht zu viele Junge im Kader sein, das war gegen
Schottland und Paraguay der Fall. Es ist gefährlich, zu viele Junge in einem
Spiel gegen einen starken Gegner einzusetzen", sagte "Hicke" und wies darauf
hin, dass dem ÖFB "eine komplette Fußballer-Generation", nämlich die derzeit
24- bis 28-Jährigen, fast zur Gänze fehlen. "Da muss irgendetwas schief
gegangen sein, was, kann ich nicht beurteilen, weil ich zu diesem Zeitpunkt
dort war, wo mich jetzt viele gern hätten", erklärte Hickersberger, der
damals bei arabischen Vereinen in der Wüste tätig war.
Bei den kommenden Länderspielen sicher nicht dabei ist Andreas Ibertsberger, der wegen eines Jochbeinbruchs zumindest sechs bis acht Wochen ausfällt und damit auch kein Thema für den Doppel-Termin am 13. Oktober in Zürich gegen die Schweiz und am 17. Oktober in Innsbruck gegen die Elfenbeinküste ist. Für ihn könnte György Garics nachrücken, sofern er bei Napoli in der Serie A tatsächlich zum Einsatz kommen könnte.
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Gespräch mit Pogatetz
Auch Emanuel Pogatetz wird nicht im
ÖFB-Kader für die September-Partien aufscheinen. Der momentan verletzte
Verteidiger saß am Mittwoch im Stadion und unterhielt sich davor mit
Hickersberger im Mannschafthotel. "Aber die Zeit war zu kurz, um alle
offenen Fragen zu klären", sagte Hickersberger. Im Rahmen des Teamcamps in
Kärnten, wo Pogatetz derzeit seine Rehabilitation absolviert, ist ein
weiteres Treffen geplant.
Kommt England?
Sollte der Middlesbrough-Legionär wieder ins Team
zurückkehren, könnte auf ihn so wie auf alle österreichischen Fußball-Fans
am 17. November ein besonderer Leckerbissen warten. Der ÖFB führt
Verhandlungen, gegen England ein Testspiel zu absolvieren, wobei an diesem
Termin aber bereits ein Match gegen Nigeria mit Teamchef Berti Vogts
angesetzt ist. Die Engländer bestreiten an diesem Tag kein EM-Quali-Spiel,
empfangen aber vier Tage später die Kroaten zum möglicherweise
entscheidenden Showdown um ein Ticket für Österreich und die Schweiz.