Frauen-WM
Marta zum Abschied von Pfiffen begleitet
11.07.2011
Olympiasieger USA nach Elfer-Krimi mit Happy End nun Titelfavorit.
Nach Titelverteidiger und Europameister Deutschland, der mit dem 0:1 n.V. gegen Japan im Viertelfinale die erste Niederlage in einem WM-Turnier seit zwölf Jahren kassierte, hat sich am Sonntag auch der Vize-Weltmeister Brasilien von der Frauen-WM vorzeitig verabschiedet. Die Südamerikanerinnen unterlagen am Sonntag in Dresden Olympiasieger USA im Elferschießen 3:5, nachdem die 120 Minuten davor ebenso dramatisch verlaufen waren wie dann die Entscheidung vom ominösen Punkt.
Der Sonntag-Schlager war nichts für schwache Nerven. Nach 90 Minuten stand es 1:1, nach Verlängerung 2:2. Allein schon die Torfolge (0:1, 1:1, 2:1, 2:2) lässt Dramatik pur erahnen. Zur tragischen Figur wurde letztlich Abwehrspielerin Daiane, die zwei Minuten nach Spielbeginn mit einem Eigentor die US-Führung besorgte und dann im Elfer-Krimi an Keeperin Hope Solo scheiterte. Die Südamerikanerinnen vermochten ihr Out nicht zu fassen, es flossen Tränen der Enttäuschung und dazu gab es auf den Weg in die Kabine auch noch Pfiffe von den Tribünen.
Quittung
Eine der "Selecao", in der die Ex-Neulengbach-Legionärin Rosana ab der 85. Minute zum Einsatz kam, wird Dresden besonders in unguter Erinnerung behalten. Marta, die ihr Torkonto von zwei auf vier erhöhte und mit nunmehr 14 Treffern den WM-Rekord der Deutschen Birgit Prinz egalisierte, hatte sich vom ersten Tag an unbeliebt gemacht und bekam im Laufe des Spiels die Quittung, in dem jeder Ballkontakt von ihr mit Pfiffen bedacht wurde. "Ich weiß nicht, warum die Leute pfeifen, ich habe es nicht verstanden. Sie ist die beste Spielerin der Welt", rätselte Teamchef Kleiton Lima.
Nicht die technische Klasse der fünffachen Weltfußballerin, sondern ihr Benehmen auf und abseits des Rasens brachte die Leute in Rage. Während eines Stadtbummels hatte die 25-Jährige Autogramm-Wünsche nicht erfüllt, solange Kameras auf sie gerichtet waren. Danach schrie sie teilweise unbeherrschte Fans an und flüchtete. Und in der Partie gegen die USA gestikulierte sie divenhaft, kommentierte jede Schiedsrichter-Entscheidung, forderte Karten gegen Gegnerinnen, litt aber selbst unter "Fallsucht".
Sie sah die Gelbe Karte und musste sich einen süffisanten Kommentar von US-Trainerin Pia Sundhage gefallen lassen: "Marta ist die beste Spielerin der Welt, aber das Team ist besser als eine Spielerin." Marta selbst stellte sich bockig und schien über das vorzeitige WM-Aus nicht sonderlich enttäuscht zu sein. "Sie lieben mich halt. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich ausgepfiffen werde. So etwas motiviert mich", meinte sie trotzig.
Marta sah den Turnierverlauf wie ihr Coach zufriedenstellend. "Wir haben keine Partie in der regulären Spielzeit verloren, also waren wir auch nicht schlecht", resümierte Marta. Für Lima war es ein "sehr hartes und ausgeglichenes Spiel". Er sagte: "Wir wussten, dass die USA sehr stark sind. Wir waren kreativer, vermochten uns aber einfach nicht durchzusetzen. Wir haben eine gute WM abgeliefert, auch wenn wir unser Ziel nicht erreicht haben".
Auf der anderen Seite schüttelte die Teamchefin überrascht den Kopf. "Es ist schwer, Gedanken zu fassen. Ich komme aus Schweden und diese US-Grundhaltung, gegenseitig das Beste aus sich herauszuholen, ist ansteckend. Ich bin sehr stolz und sehr glücklich, Trainerin dieser Mannschaft zu sein." Elfer-Killerin Hope meinte: "Selbst mit einer Spielerin weniger (Anm. Rachel Buehler sah Rote Karte/65.), fühlten wir, dass etwas passieren wird. Das Team hat weiter gekämpft. Das kann man nicht trainieren, das ist ein Gefühl".
Die USA, zuletzt 2007 in China hinter Deutschland und Brasilien WM-Dritter, gelten jetzt als Favorit. Am Mittwoch (18.00 Uhr) in Mönchengladbach gegen Frankreich können sie ihrem dritten WM-Titel nach 1991 und 1999 näher kommen. Im zweiten Semifinale stehen einander ebenfalls am Mittwoch (20.45 Uhr/beide live ZDF) Japan und Schweden gegenüber. Die Skandinavierinnen fertigen im zweiten Sonntag-Spiel in Augsburg Australien 3:1 ab. Sie stehen zum dritten Mal nach 1991 und 2003 unter den letzten Vier.