Vom ÖFB enttäuscht
Dragovic: "Und dann werde ich so abserviert"
16.04.2023
Der 100-fache Teamspieler hat mit dem ÖFB-Team "sehr enttäuscht" abgeschlossen.
Meistertitel Nummer acht in seiner Karriere liegt für Aleksandar Dragovic auf dem Serviertablett. Roter Stern Belgrad rangiert in Serbiens Fußball-Liga vor dem sieben Spiele dauernden Play-off 20 Zähler vor dem ersten Verfolger. Für den Wiener soll sich mit der Titelverteidigung ein weiteres Kapitel schließen. Dragovic strebt einen Wechsel im Sommer an, zurück in die Bundesliga soll es allerdings noch nicht gehen. Mit dem ÖFB-Team hat er "sehr enttäuscht" abgeschlossen.
Aleks Dragovic wurde zum ersten Mal Papa
Privat führt der Weg des Verteidigers in jüngster Zeit öfters in die Heimat - aus erfreulichem Grund. Vor knapp drei Wochen wurde Dragovic erstmals Vater. Sohn und Frau wohnen noch in Wien, Ende des Monats geht es gemeinsam nach Belgrad. "Dann stehen wieder schlaflose Nächte an", scherzte der 32-Jährige im APA-Gespräch bei einem Besuch in Wien. Am Sonntag stand auch ein Abstecher zum großen Wiener Derby auf dem Programm.
Kontakt zu Wiener Clubs
Die Chance, dabei eines seiner künftigen Teams zu sehen, ist vorhanden, aber wohl nicht allzu groß. Mit der Austria, bei der Dragovic zum Profi reifte, gibt es ebenso Kontakt wie mit Rapid. "Man tauscht sich aus", sagte Dragovic dazu. Zoran Barisic soll sich dem Vernehmen nach um die Dienste des Routiniers bemühen. Ein Interesse des LASK ist offenbar abgekühlt. Der Blick geht jedoch noch nicht nach Österreich.
"Wenn das Gesamtpaket passt, warum nicht. Aber wenn ich heute entscheiden müsste, würde ich sagen, das ist noch zwei, drei Jahre zu früh", meinte der Wiener. Italien lockt, in der Winterpause klopfte Sampdoria Genua an. Die Verantwortlichen von Roter Stern zeigten sich zunächst gesprächsbereit, der Deal schien fixiert, ehe Serbiens Meister den Verteidiger doch nicht abgeben wollte.
Wechsel war fast schon durch
"Ich habe mich schon geeinigt und das Okay bekommen. Leider ist etwas dazwischen gekommen. Es ist nun einmal so. Natürlich wäre es schon schön gewesen, mich in Italien zu beweisen", sagte Dragovic. Nachtragend sei er nicht. "Ich kann immerhin den Meistertitel mit Roter Stern feiern." Zu seinem "Herzensverein" war er 2021 gewechselt, nachdem sein Engagement bei Bayer Leverkusen samt einjährigem Leihvertrag bei Leicester City nicht ganz nach Wunsch verlaufen war. Mit dem FC Basel (2011 bis 2014) und Dynamo Kiew (2015, 2016) schaffte er davor sechs Meistertitel. Auf hohem Niveau will Dragovic auch weiter agieren.
Sein Ziel - sollte ihn Roter Stern trotz bis 2024 laufendem Vertrag ziehen lassen - ist klar: "Den Schritt in eine Top-5-Liga zu schaffen ist meine Wunschvorstellung. Realistisch gesehen kommt mit meinem Alter nur Italien infrage." Dass Inter oder Milan nicht mehr anklopfen, ist Dragovic bewusst. Das Gesamtpaket muss passen, der Familie soll es gut gehen. "Ich werde natürlich auch nicht gratis spielen, so ehrlich muss man sein." Seine romantische Vorstellung vom Fußballgeschäft ist Dragovic abhanden gekommen. "Seit Corona ist Fußball sehr schnelllebig geworden. Es wird oft darauf geschaut, viele junge Spieler zu pushen, um ihren Marktwert zu steigern und sie dann zu verkaufen. Ich will nicht alles schlecht reden, aber da habe ich die Liebe zum Fußball ein wenig verloren."
"Das hat mich sehr getroffen"
Innerlich abgeschlossen hat Dragovic offenbar mit dem Nationalteam. 100 Länderspiele hat er für Österreich bestritten, das letzte davon unter Franco Foda im März 2022. Unter Ralf Rangnick ist er außen vor und darüber alles andere als glücklich. Vom Deutschen hat Dragovic nur einmal - in einem laut seinen Angaben 30-Sekunden-Telefonat - etwas gehört. "Mir ist bewusst, dass die serbische Liga nicht 'wow' ist. Aber ich hätte mir gewünscht, dass man mir eine Chance gibt, mich zu beweisen", betonte Dragovic. "Ich bin schon sehr enttäuscht, das hat mich sehr getroffen."
Er verlange keine Spezialbehandlung, führte der langjährige Teamspieler aus. Gerade auf der Innenverteidiger-Position ist Österreichs Auswahl gut aufgestellt. "Aber auch unter Constantini, Koller und Foda war ich zu Beginn Ersatzspieler, habe mich immer durchsetzen müssen." Die Verbitterung scheint auch deshalb groß, weil Dragovic immer gerne im Team dabei war: "Ich habe in den elf Jahren nur einmal abgesagt, weil ich Corona hatte. Ich war immer mit Leidenschaft dabei. Und dann werde ich so abserviert."
Auch deshalb hat Dragovic das ÖFB-Angebot einer Abschiedsehrung bisher abgelehnt. Im Vorjahr sollte dies vor dem Nations-League-Spiel gegen Frankreich (10. Juni) erfolgen, da befand sich der Wiener schon im Urlaub. Seinen Rücktritt als Nationalspieler hat er dennoch noch nicht erklärt. "Die Chance ist sehr gering, dass ich noch einmal dabei bin. Die Meinung des Teamchefs ist einmal so, das muss man respektieren."