An der Spitze löst Belgien überraschend Weltmeister Deutschland ab.
Der 5. November 2015 wird in der österreichischen Fußball-Geschichte ein bedeutender bleiben. Das ÖFB-Herren-Nationalteam scheint als Zehnter erstmals in den Top Ten der FIFA-Weltrangliste
auf. Zu verdanken ist dieser historische Vorstoß der Nationalmannschaft den jüngsten Erfolgen in der Ära von Teamchef Marcel Koller. Angeführt wird das Ranking erstmals von Belgien.
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Koller hatte vor fast genau vier Jahren, am 1. November 2011, die damals auf Platz 72 liegende Nationalmannschaft übernommen. Zwar wurde die WM-Qualifikation danach verpasst. Der Schweizer schweißte das Team rund um David Alaba aber so zusammen, dass nicht nur erstmals die sportliche Qualifikation für eine EM, nämlich jene 2016 in Frankreich, geschafft wurde, sondern auch in der Weltrangliste ein Riesensprung gelang.
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Von den bisher 34 Spielen in Kollers ÖFB-Ära hat das Team 19 gewonnen - bei 7 Remis und 8 Niederlagen. Wirklich beeindruckend lief aber die niederlagenlose EM-Qualifikation für Frankreich mit neun Siegen in zehn Spielen ab. Nur zum Auftakt gegen Schweden (1:1) wurde nicht voll gepunktet. Lediglich England hatte in der Qualifikation eine bessere Bilanz vorzuweisen als das ÖFB-Team. Als Belohnung werden die Österreicher bei der Auslosung der EM-Gruppen am 12. Dezember in Paris unter anderem mit Vierfach-Weltmeister Italien aus Topf zwei gezogen.
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Ziel: Einstellig
Für Koller soll der Vorstoß in die Top Ten aber noch nicht alles gewesen sein. "Es ist auch wichtig, dass wir da bleiben und vielleicht schauen, dass wir einstellig werden", erklärte der Schweizer bei seiner Kaderbekanntgabe für das bevorstehende, abschließende Länderspiel des Jahres am 17. November in Wien gegen die Schweiz.
Reaktionen zu Top-Ten des ÖFB-Nationalteams
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Marcel Koller (ÖFB-Teamchef)
"Wir haben uns nicht nur durch die Qualifikation gewurstelt, sondern wirklich überzeugend gespielt. Und wir haben da auf der einen Seite für Österreich viel gemacht, auf der anderen Seite aber auch in Europa Aufsehen erregt. Dass bewusst wird, dass andere Nationen auch drauf schauen und sehen, hoppla, da ist was gewachsen, da ist eine gute, starke Mannschaft entstanden ... Wir können uns aber nicht festhalten an dieser Weltrangliste. Die Luft da ist dünner, sodass du konstant auf einem sehr hohen Level spielen musst. Das wollen wir beibehalten."
Leo Windtner (ÖFB-Präsident)
"Die Liste und die Top Ten sind die Konsequenz aus einer unwahrscheinlich starken Serie von neun Siegen in der EM-Qualifikation. Darüber dürfen wir uns freuen und darauf können wir stolz sein, auch wenn es natürlich nur eine Momentaufnahme ist, die den Blick darauf nicht verstellen darf, dass es weitergehen muss - etwa mit einer optimalen Vorbereitung auf die EURO. Dann ist Fußball-Europa vielleicht auch dort überrascht, wozu Österreich imstande ist. Wir wollen nicht einen einmaligen Hype, sondern nachhaltig Verbesserungen. Jetzt heißt es dranbleiben."
Herbert Prohaska (Ex-Nationalspieler und ehemaliger ÖFB-Teamchef)
"Sensationell, eine wunderbare Sache, die noch die da war. Zehn ist schon ein Wahnsinn. Das war (zur Amtsübernahme Kollers, Anm.) überhaupt nicht absehbar. Egal wer das Team übernommen hätte." Zur Bedeutung der Weltrangliste: "Es gibt natürlich verschiedene Kriterien, die das manchen erleichtern und manchen erschweren. Aber man muss sie schon ernst nehmen."
Hans Krankl (Ex-Nationalspieler und ehemaliger ÖFB-Teamchef)
"Ich finde das super. Das ist das Beste, was uns passieren konnte. Jetzt nimmt man uns wieder zur Kenntnis, was ja lange Zeit nicht der Fall war. Überrascht bin ich nicht. Das Team besteht ausschließlich aus Legionären, die in Deutschland oder England spielen - das ist schon eine klare Verbesserung gegenüber früher. Die Spieler haben mehr Selbstvertrauen, das merkt man. Und auch die Ergebnisse stimmen. Man muss aber die Kirche im Dorf lassen. Die Reifeprüfung kommt jetzt bei der EM."
Heinz Fischer (Bundespräsident)
"Österreich unter den Top-Ten der Fußball-Nationen der Welt - das ist wirklich eine Nachricht, die mein Fußballerherz höherschlagen lässt. Top-Ten heißt, dass die Niederlande, aber auch Italien, Frankreich oder die Tschechische Republik hinter uns liegen. Daran hat jeder Spieler der österreichischen Nationalmannschaft einen Anteil, aber ganz besonders Teamchef Marcel Koller. Ich bin wirklich stolz auf unsere Mannschaft und auf alle, die zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Frankreich wir kommen!"
Gerald Klug (Sportminister/SPÖ)
"Mit Platz zehn der Weltrangliste hat unsere Fußballnationalmannschaft erneut Sportgeschichte geschrieben. Dazu gratuliere ich dem Teamchef Marcel Koller, den Betreuern, den Spielern und dem ÖFB herzlich. Mit viel Teamgeist und einer starken Leistung hat sich unser Nationalteam in der Weltrangliste nach vorne und in die Herzen der Österreicherinnen und Österreicher gespielt. Darauf können sie stolz sein."
Karl Stoss (Präsident Österreichisches Olympisches Komitee)
"Die Leistung des ÖFB-Teams bzw. des Betreuerstabes rund um Marcel Koller steht für sich: Innerhalb von nur vier Jahren gelang der Sprung von Platz 72 in der FIFA-Weltrangliste unter die Top-Ten. Das Nationalteam konnte sich erstmals aus eigener Kraft für eine EM-Endrunde qualifizieren und das auch noch in souveräner Manier mit Auswärtssiegen gegen Russland und Schweden. Die Sieger-Mentalität der Mannschaft ist beeindruckend und vorbildhaft. 28 Punkte aus 10 Spielen sprechen eine deutliche Sprache!"
Sebastian Kurz (Außenminister/ÖVP)
"Ich freue mich total und bin sehr stolz. Was unsere Nationalmannschaft hier für das internationale Ansehen unseres Landes leistet, ist unbezahlbar. Toll finde ich auch, dass Österreichs Team die Vielfalt unseres Landes abbildet. Und als Integrationsminister freut es mich besonders, dass unser Team zeigt, was Integration durch Leistung bedeutet: es kommt nicht darauf an, woher du kommst, welche Hautfarbe oder Religion du hast, sondern was du für Österreich einbringst und beiträgst."
Doris Bures (Nationalratspräsidentin/SPÖ)
"Ich freue mich über jeden Erfolg des Fußballnationalteams, ganz unabhängig vom Platz in der Weltrangliste. Aber natürlich ist es eine besondere Freude, dass unsere Mannschaft zurzeit auf höchstem Niveau spielt und die ganz großen Fußballnationen der Welt fordern kann. Dieses Team wird in die Sportgeschichte eingehen. Die ÖFB-Spieler und ihr Schweizer Trainer zeigen eindrucksvoll, was wir in Österreich erreichen können, wenn der Teamgeist stimmt und wir an unsere Stärken glauben."
Peter Schröcksnadel (ÖSV-Präsident , Projekt-Rio-Chefkoordinator)
"Das ist super und taugt mir unheimlich. Damit wird Österreich als Sportnation aufgewertet. Jetzt sind wir nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer wer. Ich bin ein Fußball-Fan, schaue mir alle Spiele an. Das ist auch für das österreichische Selbstbewusstsein gut. Der einzige Nachteil ist, dass wir jetzt nicht mehr Jammern können."
Harald Neumann (Novomatic-Vorstandschef)
"Unsere goldene Fußballergeneration hat mit der Top-Ten-Platzierung einen ersten Höhepunkt erreicht. Die großartigen Leistungen der österreichischen Fußballnationalmannschaft lassen uns auf tolle Erfolge bei der EM 2016 hoffen."
Die Weltrangliste sage nicht alles, aber schon etwas über die aktuelle Stärke des ÖFB-Teams aus, meinte Koller mit Hinweis auf die EM-Qualifikation. "Wir haben uns nicht nur durchgewurstelt, sondern haben wirklich gut gespielt, dominant gespielt, auch auswärts", meinte der Cheftrainer. "Wir können uns aber nicht festhalten an dieser Weltrangliste."
Der Vorstoß in die Top Ten stand bereits seit dem 3:0-Sieg zum Abschluss der EM-Qualifikation am 12. Oktober gegen Liechtenstein fest. Koller ist klar: "Die Luft da ist dünner, sodass du konstant auf einem sehr hohen Level spielen musst. Das wollen wir beibehalten."
Nachhaltige VerbesserungenDas gibt auch der Verband als Ziel aus. "Wir wollen nicht einen einmaligen Hype, sondern nachhaltig Verbesserungen", sagte ÖFB-Präsident Leo Windtner. Auf das Erreichen der Top Ten dürfe man stolz sein. "Auch wenn es natürlich nur eine Momentaufnahme ist, die den Blick darauf nicht verstellen darf, dass es weitergehen muss - etwa mit einer optimalen Vorbereitung auf die EURO. Dann ist Fußball-Europa vielleicht auch dort überrascht, wozu Österreich imstande ist."
Im Laufe der EM-Qualifikation wurde auf einer anderen Ebene klar, wie sehr das Nationalteam auch in der Gunst der österreichischen Fans gestiegen ist. Vier von fünf Heimspielen waren ausverkauft, es kamen nie weniger als 44.200 Zuschauer. Und erstmals seit 18 Jahren wurde die ÖFB-Auswahl von der Vereinigung der Sportjournalisten als heimische "Mannschaft des Jahres" ausgezeichnet. Damals hatte sich das ÖFB-Team mit der WM 1998 zuletzt für ein Großereignis qualifiziert. Im Juni 2016 geht es nun neuerlich nach Frankreich.
Belgien erstmals an der SpitzeEine Premiere gibt es auch an der Spitze der Weltrangliste. Belgien übernahm vor Deutschland und Argentinien die Führung. Die Spieler um Kapitän Vincent Kompany und Offensivstar Kevin De Bruyne werden in dem kleinen Land mit seinen elf Millionen Einwohnern bereits als "Goldene Generation" gefeiert - ohne bisher ins Halbfinale eines großen Turniers vorgestoßen zu sein.
Nicht zuletzt deshalb ist die Weltrangliste in ihrer Wertigkeit umstritten. Spiele unterschiedlicher Bewerbe werden verschieden stark gewichtet. Mangels hochwertiger Qualifikationsspiele fallen zum Beispiel Turniergastgeber rund um die Großereignisse regelmäßig deutlich zurück - so etwa Österreich, das kurz nach der EM 2008 im eigenen Land als 105. die schlechteste Platzierung seiner Geschichte einnahm.
Wales-Niederlage hilftDen Vorstoß in die Top Ten ermöglichte Wales mit einer Niederlage in Bosnien-Herzegowina (0:2). Österreich ist damit das sechstbeste europäische Team. Eine sportliche Bedeutung erhält die Weltrangliste allerdings erst in zwei Jahren wieder, wenn die Lostöpfe für die WM-Endrunde 2018 in Russland danach festgelegt werden. Die UEFA verwendet für ihre Turniere - so auch am 12. Dezember in Paris - einen eigenen Koeffizienten.