Interview

Nürnberg hat Okotie noch nicht aufgegeben

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Nürnberg-Coach Hecking über Ruben Okotie und die Chancen auf die Europa League.

Frage:Was ist noch drin für den 1. FC Nürnberg in dieser Saison?
Hecking:Wir wollen unsere Minimal-Chance auf die Europa League wahren. Dieser Traum schwebt nach wie vor ein bisschen über unserem Stadion. Wenn wir das schaffen und am Ende wirklich noch in den Kampf um den fünften Platz eingreifen können, haben wir eine überragende Saison gespielt.

Frage: Aktuell fehlen drei Punkte auf Mainz, das in der Tabelle vor Nürnberg und auf einem Europacup-Startplatz steht?
Hecking:Wir haben ein hartes Restprogramm, härter als Mainz 05. Aber es war schon so viel möglich in dieser Saison, vielleicht geht es noch ein bisschen so weiter. Wir werden uns sicher nicht dagegen wehren. Und es wartet ja noch das direkte Duell mit den Mainzern.

Frage:Was würde es für den Verein, für die Fans, für die Stadt bedeuten, sollte man sich für den Europacup qualifizieren?
Hecking: Man muss eines vorne wegschicken: Wir dürfen nicht enttäuscht sein, wenn es nicht klappt. Vor der Saison waren wir der Abstiegskandidat Nummer eins. Wenn wir jetzt einigermaßen zu Ende spielen, wird es mindestens Platz sechs oder sieben. Für die Fans, die in Nürnberg seit jeher ein Wechselbad der Gefühle durchmachen, würde ich mir natürlich wünschen, dass es mit der Europa League klappt.

Frage:Vom Abstiegskandidat zum Europacup-Anwärter. Wie ist das möglich beziehungsweise was steckt dahinter?
Hecking: Wir haben eine sehr gute Mischung gefunden. Fünf, sechs ältere Spieler, sehr viele Junge. Dazwischen sind wir relativ dünn besiedelt. Die jungen Spieler geben Gas, nehmen das an, was ihnen die Routiniers vorgeben. Und die älteren Spieler wachsen an dieser Aufgabe, weil sehr viel Respekt da ist.

Frage:Aber das gibt es sehr wahrscheinlich auch bei anderen Vereinen?
Hecking: Natürlich braucht es auch viel Talent. Aber in Nürnberg steht der Teamgeist über allem. Und das trägt uns auch dahin, wo wir gerade stehen.

Frage: Wenn Ihnen vor der Saison jemand gesagt hätte, dass Nürnberg, Hannover und Mainz um das internationale Geschäft und Stuttgart, Werder und Wolfsburg gegen den Abstieg spielen, was hätten Sie geantwortet?
Hecking (lacht): Da hat einer richtig Ahnung vom Fußball! Ich glaube, dass es immer so Knackpunkt-Spiele gibt, wo es in die eine oder in die andere Richtung geht. Hannover, Mainz oder Freiburg leben genau wie wir vom Teamgeist. Oder Borussia Dortmund, dort ist etwas entstanden. Damit macht man auch die individuelle Klasse wett, die vielleicht ein FC Bayern hat.

Frage:Also braucht es gar keinen Robben, keinen Ribery, keinen Gomez, die alle Millionen kosten?
Hecking: Da geht es ja gar nicht nur um diese Spieler aus München. Es ist einfach eine Genugtuung, wenn man sieht, wie viel andere Vereine für Transfers ausgegeben haben. Und man selbst kommt mit relativ wenig aus und bringt trotzdem Leistung. Das ist für die gesamte Liga sicher nicht verkehrt.

Frage:Verkehrt gelegen sind die Buchmacher, die Sie zu Saisonbeginn als den Trainer geführt haben, der als Erster gehen muss?
Hecking: Ich definiere mich nicht über Erfolg. Ich lebe den Traum, in der Bundesliga als Chef-Trainer arbeiten zu können, das macht sehr viel Spaß. Aber wenn man unten drin steht, ist man auch einer von 18 Trainern, das macht für mich keinen Unterschied.

Frage:Wie haben Sie, der fest im Sattel sitzt, eigentlich das Trainer-wechsel-dich-Theater der letzten Wochen erlebt?
Hecking: Das ist nicht gut, insgesamt für die Trainer in der Bundesliga, wie mit ihnen umgegangen wird. Von den Medien und auch von den Vorständen. Man darf es aber nicht nur einseitig sehen, sicher muss sich der eine oder andere Kollege auch hinterfragen. Aber ich glaube, dass wir als Bundesliga-Trainer eine Macht sind. Da müssten wir viel geschlossener auftreten, das wäre auch ein Signal an die Liga und an die Vorstände.

Frage:Hört sich nach Wunschdenken an, oder ist das realistisch?
Hecking: Ich weiß schon, dass jeder seine persönlichen Interessen hat, aber das müssten wir hinkriegen. Vor kurzem gab es ein Meeting mit der Bundesliga und dem Bund deutscher Fußball-Lehrer, da wurde auch über diese Situation gesprochen.

Frage: Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal mit Rubin Okotie gesprochen?
Hecking: Wir sprechen natürlich regelmäßig, auch wenn er im Moment nicht so oft zum Einsatz kommt. Rubin tut sich einfach noch schwer, aber er will, er will sich verbessern. Körperlich ist er jetzt auf dem Stand Bundesliga, das hat er aufgearbeitet. Aber nach seiner Verletzung hat er ein bisschen etwas von seiner Dynamik eingebüßt – aus seiner Sicht leider.

Frage:Sie sagen leider. Haben Sie Okotie schon abgeschrieben, spielt er in ihren Planungen überhaupt noch eine Rolle?
Hecking: Rubin ist nach wie vor ein exzellenter Strafraumspieler, aber wir sind eine Mannschaft, die mehr auf Konter spielt. Da tut er sich gegen Julian Schieber, der nach Verletzung wieder zurück ist, und Christian Eigler schwer, ist er hinten dran. Aber ich bin trotzdem guter Dinge, dass Rubin noch die Kurve kriegt, die wir uns von ihm erhofft haben.

Frage: War der Schritt von Österreich nach Deutschland ein zu großer für ihn?
Hecking: Das müsste man ihn selber fragen. Aber er hat vereinzelt Interviews gegeben, die ich im Pressespiegel gesehen habe, wo er schon gesagt hat, dass er sich das nicht gedacht hätte, dass die Anforderungen an einen Bundesliga-Profi enorm sind. Ich würde nicht sagen, dass es in Österreich langsamer zugeht, aber der Sprung ist sicher gewaltig.

Frage: Dennoch wagen es immer mehr Österreicher: Haben Sie eine Erklärung für diesen Boom?
Hecking: Naja, wenn man sich anschaut, wo ein Emanuel Pogatetz, Andreas Ivanschitz oder ein Martin Stranzl schon gespielt haben, England, Russland, Griechenland, das sind natürlich keine schlechten Ligen. Es gibt aber auch in Österreich Spieler, die sich in der Bundesliga durchsetzen können. Christian Fuchs ist da ein sehr gutes Beispiel. Auch Marko Arnautovic ist ein sehr guter Fußballer. Für uns als 1. FC Nürnberg ist die österreichische Bundesliga sicher interessant.

Frage: Schaut man in die Nachwuchsabteilungen von Bayern, Stuttgart oder Hoffenheim, so findet man dort unzählige ÖFB-Talente?
Hecking: Wir gehen da in Nürnberg einen anderen Weg, aber das ist heute ein gängiges Modell. Wobei man das oft hinterfragen muss. Warum ist es sinnvoll, mit 16, 17 Jahren wegzugehen? Warum beißt man sich nicht bei Austria oder Rapid durch und bringt da Leistung. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.

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