Fußball-Meister Rapid start trotz des Meistertellers nicht als Top-Favorit auf die Schale in die neue Saison.
Es gibt unangenehmere Ausgangspositionen als jene des SK Rapid. Trotz des Titelgewinns darf sich der österreichische Fußball-Rekordmeister vor dem Beginn der Fußball-Bundesliga-Saison 2008/09 mit dem Auswärtsspiel am Dienstag gegen Sturm Graz in die Rolle des Jägers zurückziehen. Schließlich gilt Finanz-Krösus Red Bull Salzburg nach dem Trainerwechsel von Giovanni Trapattoni zu Co Adriaanse und der Verpflichtung zahlreicher neuer Legionäre unter vielen Beobachtern als Meisterschafts-Anwärter Nummer eins, Rapid dagegen "nur" erster Herausforderer.
Auch Trainer Peter Pacult schiebt den Mozartstädtern die Favoritenrolle zu. "Salzburg hat das meiste Budget und auch dementsprechend eingekauft." Allerdings betonte der Wiener: "Wir sind Rapid und der regierende Meister. Deshalb werden gegen uns alle besonders motiviert sein." Der Wiener traut seiner Mannschaft zwar eine erfolgreiche Titelverteidigung zu, die Vorgabe ist aber die gleiche wie vor der abgelaufenen Saison. "Unser Ziel ist so wie letztes Jahr ein internationaler Startplatz."
Grund für die Zurückhaltung ist auch ein gewisser personeller Aderlass. "Wir haben Spieler verloren, die großen Anteil am Meistertitel hatten. Diese Lücke müssen wir erst schließen", gab der Wiener zu bedenken und ergänzte: "Ümit Korkmaz und Mario Bazina können wir nicht 1:1 ersetzen, nicht nur was das Sportliche, sondern auch was die Persönlichkeit betrifft."
Als Ersatz für den zu Eintracht Frankfurt abgewanderten Korkmaz wurde Marcel Ketelaer von Austria Kärnten verpflichtet. Der Deutsche steht zwar schon voll im Training, ist nach überstandener Verletzung aber noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. "Aber er kann uns auf der linken Außenbahn auf längere Sicht sicher helfen", meinte Pacult.
Den Abschied von Bazina in Richtung Austria sollen der Kroate Nikica Jelavic und Rene Gartler kompensieren. Letzterer wurde als Erstliga-Torschützenkönig von FC Lustenau zurückgeholt. "Mit ihm haben wir einen jungen, hoffnungsvollen Stürmer bekommen", lobte Pacult den 22-Jährigen, der sich allerdings zuletzt in einem Testspiel im Trainingslager in Kärnten gegen St. Andrä eine Mittelfußknochen-Blessur zuzog. Der vierte Neue ist der arrivierte deutsche Goalie Georg Koch, der für den erkrankten Helge Payer verpflichtet wurde.
Nicht nur der Abschied von Bazina und Korkmaz sowie der langwierige Ausfall seines Stamm-Goalies stören Pacult - der 49-Jährige ärgert sich auch darüber, seinen kompletten Kader in Bad Bleiberg erst seit Ende der vergangenen Woche beisammen zu haben, weil die EM-Teilnehmer Erwin Hoffer, Martin Hiden, Markus Katzer und Jürgen Patocka noch Urlaub hatten. Davor waren schon die bei der definitiven EM-Kaderbekanntgabe ausgemusterten Stefan Maierhofer und Andreas Dober sowie die Teamspieler Markus Heikkinen (Finnland) und Branko Boskovic (Montenegro) mit Verspätung eingetroffen. "Da gibt es in der Vorbereitung natürlich das eine oder andere Problem. Wir müssen so schnell wie möglich schauen, dass wir wieder in den gewohnten Rhythmus kommen", sagte Pacult.
Der körperliche Zustand der ÖFB-Internationalen bereitet Pacult Sorgen. "Beim Nationalteam haben sie ja nicht Ausdauer, sondern nur Schnelligkeit und Spielformen trainiert. Jetzt müssen wir versuchen, sie im Ausdauerbereich wieder hinzubekommen." Über die lange Vorbereitungszeit der österreichischen Nationalmannschaft auf die EURO 2008 schüttelt der Rapid-Trainer nach wie vor den Kopf. "Ich habe es nicht verstanden, warum die Vorbereitung so lange sein musste. Die Spieler wären auch so fit gewesen, außerdem hatten sie im Frühjahr nur 13 Meisterschafts-Partien, die Belastung war also nicht sehr hoch", sagte Pacult, nach dessen Angaben Rapid wegen der UEFA-Abstellungsprämien zwar finanziell von der EM profitiert habe, "aber vom Trainingsplan her nicht".
Wenigstens bei seinem persönlichen Heilungsverlauf befindet sich der Rapid-Coach im Plan. Nach seinem Achillessehnenriss am 24. Mai wird Pacult im Laufe der kommenden Woche der Gips entfernt, schon jetzt bereitet ihm die Verletzung bei der alltäglichen Trainingsarbeit nach eigenen Angaben keine großen Probleme. Er betrete öfters pro Einheit den Platz, halte sich aber wie gewohnt auch oft im Hintergrund. "Ich bin auch vor der Verletzung im Training oft an der Seite gestanden", meinte der Betreuer.