Rückblick 4. Runde
Ried, Rapid jubeln, Austria trauert
09.08.2010
Ried überraschend Spitzenreiter, Austria-Serie gerissen, Rapid im Aufwind.
Das 500. Meisterschaftsspiel im heimischen Horr-Stadion zum 55. Geburtstag von Legende Herbert Prohaska hat für die Wiener Austria mit einer unerwarteten Pleite geendet. Der in dieser Saison bisher souveräne Fußball-Vizemeister musste mit einem verdienten 0:1 gegen die SV Ried am Sonntag die erste Niederlage nach 19 Pflichtspielen einstecken. Anstelle der Violetten lachen nach vier Runden nun überraschend die Innviertler von der Tabellenspitze.
Den Aufwärtstrend bestätigen konnte im Gegensatz zum Stadtrivalen die Elf von Rapid. Die Hütteldorfer feierten in der Grazer UPC-Arena im Duell zweier Europacup-Starter einen ebenso verdienten 2:0-Auswärtserfolg gegen Sturm Graz. Die Steirer kassierten damit wie die Austria ihre erste Saisonniederlage, Rapid schaffte hingegen eine Woche nach dem Sieg gegen Meister Salzburg das nächste Ausrufezeichen gegen einen Vertreter von Österreichs "Big Four".
Verpatztes Jubiläumsspiel
Ins Horr-Stadion waren 8.000
Austria-Fans siegessicher zum Jubiläumsspiel gekommen. Ried hatte mit 20
Niederlagen in den vorangegangen 26 Spielen allzu oft einen gern gesehenen
Gast abgegeben. Die Innviertler überzeugten an diesem Sonntag aber mit einer
schnörkellosen Defensivleistung und brandgefährlichen Vorstößen. Einen
ebensolchen über Thomas Schrammel nutzte Joker Peter Hackmair in der 73.
Minute zum Goldtor.
Gegner unterschätzt?
"Wir sind uns alle einig, dass Ried
verdient gewonnen hat. Wir sind taktisch an unsere Grenzen gestoßen. Und
unsere individuelle Klasse hat einfach nicht ausgereicht", analysierte
Austria-Coach Karl Daxbacher nach der Partie. Dass seine Kicker nach den
erfolgreichen vergangenen Wochen in Liga und Europacup zu überheblich an die
Aufgabe herangegangen wären, sei dabei nicht zutreffend. "Es war keine Frage
der Einstellung", meinte Daxbacher. Der erst im Finish eingetauschte
Routinier Peter Hlinka erklärte hingegen: "Wir haben den Gegner vielleicht
ein wenig unterschätzt und sind dann in Schwierigkeiten gekommen."
Ablenkung Nationalteam
Zeit zum Nachdenken bleibt den Austrianern
nach der erst dritten Heimpleite in den jüngsten 41 Spielen keine. Bereits
am Mittwoch geht es für Aleksandar Dragovic, Manuel Ortlechner, Zlatko
Junuzovic, Julian Baumgartlinger, Florian Klein und Roland Linz im
ÖFB-Länderspiel gegen die Schweiz weiter, in der U21 sind Torhüter Heinz
Lindner sowie Georg Margreitter und Patrick Salomon in der EM-Qualifikation
gegen Weißrussland engagiert. Am Wochenende wartet das Cup-Spiel gegen Rieds
Amateure, am 17. August dann das wichtige Europa-League-Hinspiel beim
griechischen Vertreter Aris Saloniki. Bis dahin hofft zumindest Junuzovic
auf neuen Elan.
Neue Serie soll gestartet werden
"Wir werden den Kopf jetzt nicht
hängen lassen, müssen nach vorne schauen und wieder so eine Serie starten.
Wir können eben nicht alle Spiele gewinnen", sagte der Mittelfeldmann. Ob
dabei auch der nun bereits seit Monaten verletzte Kapitän Milenko Acimovic
mithelfen kann, ist weiter in der Schwebe. Der Slowene spekuliert aufgrund
anhaltender Probleme mit dem Knie mit dem Karriereende. "Falls ich nicht
innerhalb des nächsten Monats wieder spielen kann, verdiene ich es nicht,
dass ich weiter bezahlt werde. Dann werde ich die Austria verlassen, meine
Karriere beenden", erklärte Acimovic in der Sky-Sendung "Talk und Tore".
"Wikinger" Tabellenführer
Rieds mitgereiste
Anhängerschaft durfte hingegen noch lange nach Schlusspfiff feiern. Nach
einem desolaten Frühjahr mit nur 11 Punkten in 17 Spielen waren die
"Wikinger" mit einem 0:3 gegen Sturm in die Saison gestartet - drei Siege en
suite bedeuten nun die überraschende Tabellenführung. "Was im Frühjahr
passiert ist, haben wir hinter uns gelassen. Nach dem ersten Spiel haben wir
gewusst, jetzt müssen wir dran bleiben und weiter hart trainieren. Somit ist
es umso schöner", meinte Torschütze Hackmair.
In Jubelstimmung verfallen wollte man im Rieder Lager aber dann doch nicht. "Ich kann mit diesem Wort nichts anfangen. Es bedeutet mir überhaupt nichts", meinte Trainer Paul Gludovatz auf die Tabellenführung angesprochen. Der Taktikfuchs rief nach seinem 75. Bundesliga-Match auf der Betreuerbank (Bilanz: 29-17-29) erneut in Erinnerung, dass Ried vor Saisonstart erneut als Abstiegskandidat gehandelt worden war. "Wir wollen nicht dort dabei sein, wo uns viele in der Ausgangssituation gesehen haben."
Rapid immer besser
Während in Wien-Favoriten Niedergeschlagenheit
herrschte, durfte Stadtrivale Rapid 180 Autobahn-Kilometer südwestlich
feiern. Jürgen Patocka (39.) und Nikica Jelavic (81.) schossen den
Rekordmeister trotz nummerischer Unterlegenheit in den letzten 20 Minuten
zum dritten Erfolg in acht Tagen. "Nach zwei Niederlagen zu Saisonstart habe
ich immer gesagt, dass man nicht alles so schwarz sehen soll. Ich wusste,
dass wir die Qualität haben, uns da selbst wieder rauszuziehen", meinte der
siegreiche Trainer Peter Pacult. Kleiner Wermutstropfen für Rapid war der
Ausfall von Veli Kavlak, der aufgrund einer Knieverletzung vorsorglich für
das U21-Länderspiel absagen musste.
"Bereit für Aston Villa"
Mit einer Solo-Spitze
Jelavic vor einem Fünfer-Mittelfeld mit Kapitän Steffen Hofmann im Zentrum
probte Pacult erfolgreich für das anstehende Europa-League-Duell mit Aston
Villa. "Jetzt sind wir bereit für Aston Villa", meinte auch Torschütze
Patocka. Ob Jelavic die Partien gegen den Premier-League-Club noch im Trikot
Rapids erleben wird, ist hingegen weiter unklar. Sein 27. Tor im 71. Match
für die Hütteldorfer könnte bereits sein letzten gewesen sein, nachdem die
Glasgow Rangers weiter um ihren Wunschstürmer buhlen. Nach dem Spiel gegen
Sturm reiste der 24-Jährige zum kroatischen Nationalteam, das gegen die
Slowakei antritt, ab.
Grazer erschreckend schwach
Bei Sturm beklagte man nach der
dritten Niederlage gegen Rapid in den jüngsten vier Partien mangelnde
Durchschlagskraft. Schon bald war klar, dass die Gäste auch an diesem
Nachmittag das bessere Ende für sich haben sollten. Die Steirer kamen
überhaupt nicht ins Spiel, Rapid hatte mehr Torschüsse, mehr Ballkontakte
und setzte sich auch in den Zweikämpfen durch. "Dass wir zwei Tage weniger
Pause als Rapid hatten, das darf keine Ausrede sein. Rapid war heute einfach
die klar bessere Mannschaft", meinte Trainer Franco Foda.
Mieser Rasen
Verärgert war der Deutsche eher über die
Platzverhältnisse in der UPC-Arena. Zwei Tage zuvor hatte der GAK in der
Regionalliga bei strömendem Regen seinen Saisonauftakt absolviert, das
Spielfeld war dementsprechend beackert. "Das passiert hier in der
österreichischen Liga, das gibt es auf der ganzen Welt nicht. Darüber ärgere
ich mich viel, viel mehr als über diese Niederlage", meinte ein
aufgebrachter Foda.