Russland und Katar richten WM aus. Ging bei der Vergabe alles mit rechten Dingen zu?
Anna Netrebko riss die Arme hoch, als hätte sie selbst ein entscheidendes Tor geschossen. Der Superstar war Teil der hochkarätigen Delegation in Zürich, der FIFA-Chef Joseph Blatter die Botschaft verkündete: Russland bekommt die Fußball-WM 2018.
Lähmendes Entsetzen dagegen nicht nur bei den Mitbewerbern aus England, Spanien und Portugal, sondern wohl auch bei Millionen Fans (vor allem als wenige Minuten später der Wüstenstaat Katar den Zuschlag für 2022 bekam).
Milliarden
Die 22 FIFA-Delegierten hatten offensichtlich nicht nach sportlichen Aspekten entschieden, sondern nach rein wirtschaftlichen – die Russen hatten versprochen, die Summe von 2,9 Milliarden Euro zu investieren. Auch Katar steckt 2,87 Milliarden in die WM.
Und der Verdacht steht im Raum: Bei der Vergabe sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. „Die WM geht an den russischen Mafiastaat“, titelte Daily Mail Online.
Vor Kurzem hatten zwei Reporter der britischen Sunday Times eindrucksvoll aufgedeckt, wie einfach es ist, FIFA-Funktionäre zu bestechen (siehe unten). Die zwei „schwarzen Schafe“ wurden zwar eliminiert, aber Korruptionsvorwürfe stehen weiter im Raum.
Absprachen
Auch die Entscheidung für Katar hat einen Hautgout. So hätte es Absprachen zwischen Katar und dem spanischen Delegierten gegeben, einander zu helfen (Spanien hat’s nichts geholfen).
Die unterlegenen Delegationen hatten in Zürich politische Elite auffahren lassen. Für England warfen sich Prinz William und Premierminister David Cameron in die Bresche, für die USA, die 2022 ausrichten wollten, war Ex-Präsident Bill Clinton angereist.
Wie Sotschi
Wladimir Putin, der die WM zu seinem persönlichen Anliegen gemacht hatte, konnte es sich leisten, daheim zu bleiben. Er hatte die Weichen schon im Vorfeld gestellt. Wie schon 2007, als Sotschi Salzburg die Olympischen Winterspiele 2014 wegschnappte. Auch damals gab es massive Korruptionsgerüchte. Russland ist mit Olympia, WM (auch die Formel 1 kommt 2012) die Sportweltmacht des nächsten Jahrzehnts.
Freuen kann sich Österreichs Wirtschaft. 13 der geplanten 16 Stadien werden neu gebaut.
Die Fans sind enttäuscht. Russland wird eine WM der irrwitzigen Distanzen, Katar ist allein wegen der hohen Temperaturen alles andere als WM-reif.
Enthüllt: So verkauften FIFA-Funktionäre die WM
Zwei Reporter der "Sunday Times" gaben sich als Lobbyisten eines US-amerikanischen Konsortiums aus, das die WM 2018 nach Amerika holen will. Die USA hatte damals seine Bewerbung noch nicht zurückgezogen. Sie würden für „Franklin Jones Associates“ arbeiten, mit Sitz in London, gleich neben der Bank of England.
Feinste Adresse
Die Reporter hatten die Tarnfirma extra installiert, eine eigene Webseite eingerichtet, selbst eine Postadresse hatte die Firma – in einem „Virtual Office“. Das bedeutet, man hat eine Telefonistin, bei Bedarf stehen Luxus-Sitzungszimmer zur Verfügung.
Dann nahmen die Undercover-Journalisten Kontakt mit allen Mitgliedern des 24-köpfigen FIFA-Exekutivkomitees auf. Schriftlich. Per Mail. Aber auch telefonisch. Zwei Funktionäre des Exekutivkomitees gingen in sofort in die Reporterfalle, konnten relativ einfach der Korruption überführt werden: Amos Adamu aus Nigeria und Reynald Temarii aus Tahiti. Zwei mächtige FIFA-Funktionäre. Der eine vertritt Afrika, der andern Ozeanien.
Beide boten ihre Stimme für die Vergabe der WM 2018 und 2022 gegen „Cash“ an.
Den Nigerianer Amos Adamu haben die Reporter mehrmals getroffen. Zuerst in London. In einem Hotel. Gleich beim ersten Treffen sagte der bullige Mann, dass er 800.000 Dollar für vier Kunstrasenplätze in Nigeria wolle. Dann würde er für die Vergabe der WM 2018 an die USA stimmen. Einzuzahlen wäre das Geld direkt auf sein Konto.
Dass er dabei mit einer versteckten Videokamera gefilmt wurde, merkte der Mann in seiner Überheblichkeit nicht. Als die Reporter bei den Zahlmodalitäten zögerten, wurde ein zweites Treffen ausgemacht. Diesmal in Kairo, Ägypten. Bei diesem Treffen war der Funktionär vorsichtiger: „Es ist wohl besser“, sagte er, „das Geld auf ein Konto eines europäischen Freundes fließen zu lassen.“
Reyanald Temarii aus Tahiti war weitaus „teurer“ als sein afrikanischer Kollege: Er forderte bei einem Treffen in Auckland Geld für eine Fußballakademie und bekäme rund 1,8 Millionen Dollar. Zusätzlich ließ er durchklingen, "dass zwei andere Länder bereits rund zehn, zwölf Millionen Dollar Millionen für seine Stimme geboten hätten.“ Auch dieses Gespräch wurde festgehalten.
Die Recherchen der „Sunday Times“ gingen aber noch weiter. Vier weitere Exekutivkomiteem-Mitglieder sollen ganz offen gesagt haben, dass England – der Hauptkonkurrent Russlands um die Vergabe der WM 2018 – „nie eine Chance haben werde“: „Die zahlen nicht. Mit denen kann man keine Geschäfte machen“, sollen die Funktionäre argumentiert haben.
Der „Sunday Times-“ Artikel erschien am 17. Oktober. Der Skandal war perfekt. Die beiden der Korruption überführten Funktionäre wurden gefeuert. Sie nahmen an der gestrigen Abstimmung nicht teil.