Abgesetzt
Scharner nicht mehr Team-Kapitän
25.02.2010
Teamchef Constantini greift jetzt hart durch. Janko neuer Kapitän?
Nach fast viermonatiger Pause wird es für die österreichische Fußball-Nationalmannschaft mit dem Testspiel am Mittwoch (20.30 Uhr/live ORF1) im Wiener Happel-Stadion gegen Dänemark wieder ernst. Im Interview spricht Teamchef Dietmar Constantini über die bevorstehende Partie, die Querelen mit einigen Kickern, die offene Kapitänsfrage und die mögliche Unterstützung für die ÖFB-U21-Auswahl.
Frage: Wie sehen die Erwartungen für das Dänemark-Match aus?
Constantini:
"Wir wollen erfolgreich Fußball spielen. Dass das gegen die Dänen
nicht einfach, aber möglich ist, habe ich auf den Videos gesehen. Sie
spielen fast immer mit der gleichen Mannschaft, das ist natürlich ein
Vorteil für sie."
Frage: Lässt so ein Spiel Rückschlüsse für die EM-Qualifikation zu?
Constantini:
"Eher nicht. Wir haben im Grunde zwei Trainings, eines davon besteht
aus Auslaufen für die Salzburg- und Rapid-Spieler (Anm.: am Sonntag in
der Bundesliga im direkten Duell im Einsatz). Da fehlt eh schon fast die
Hälfte. Und am Mittwoch müssen wir dann schauen, dass wir
gewinnen."
Frage: Zuletzt traten im Nationalteam sportliche Aspekte im Vergleich zu
personellen Aspekten oft in den Hintergrund. Stört Sie das?
Constantini:
"Das ist einfach der Job eines Teamchefs. Er muss die Mannschaft
zusammenbauen, mit allen unangenehmen Sachen, wenn zum Beispiel Spieler im
Ausland nicht spielen. Man kann nie die sogenannte stärkste Mannschaft
finden, weil viele gerade nicht aktiv sind. Es verwundert mich aber, dass
immer Spieler gefordert werden, mit denen auch nicht mehr gewonnen wurde."
Frage: Haben Sie sich rund um die Personaldiskussionen etwas vorzuwerfen?
Constantini:
"Ich werde sicher Fehler gemacht haben, aber irgendwo bist du als
Trainer machtlos, wenn ein Spieler (Anm.: György Garics) daherkommt und
dir über Interviews erklärt, was du falsch machst und dabei die
Hälfte der Mannschaft mitkritisiert, weil sie angeblich zu schnell ins
Team gekommen ist. Es ist entweder fehlender Respekt oder eine
Intelligenz-Frage, dass man über die Medien seinem Chef erklärt, was
falsch ist."
Frage: Haben Sie ein Problem mit Kickern, die öffentlich ihre Meinung sagen?
Constantini:
"Ich bin der Letzte, der unmündige Spieler will, aber Spieler
müssen eben Leistung bringen. Vielleicht muss man gewisse Sachen noch
brutaler ansprechen, auch wenn man dann für viele ein noch größerer
Unsympathler ist. Es kommt so rüber, als ob ich über den einen
oder anderen Spieler schlecht reden würde. Aber über meine Spieler
habe ich immer den Deckel drübergehalten. Bei aller Liebe zu Garics -
er ist ein guter Spieler und spielt regelmäßig in Italien, aber
gewisse Sachen gehen einfach nicht."
Frage: Garics und Ivanschitz sind nicht die einzigen Legionäre, mit denen
es Probleme gibt. Wie ist das zu erklären?
Constantini: "Mit
dem Manninger-Rücktritt habe ich überhaupt nichts zu tun.
Manninger ist zurückgetreten, weil ihm die Wertschätzung nicht
entgegengebracht wurde. Bei mir war es nur bei einem Spiel. Ich habe
Gspurning gegen Serbien spielen lassen, weil er uns davor die Partie gegen
Rumänien am Schluss gerettet hat. Aber Manninger sagt ja, er hätte 70
statt 33 Länderspiele haben müssen. In dieser Zeit war ich zweimal
in Pasching und bei der Austria. Ibertsberger hat gesagt, es ist ihm lieber,
er hat die Doppelbelastung nicht, weil er noch keinen neuen Vertrag hat.
Jetzt hat er einen neuen Vertrag, in Hoffenheim haben sie aber viele
Verletzte, darum ist es jetzt auch nicht gut, wenn er kommt. Das habe ich
respektiert. Und es wäre besser, Stranzl sagt mir am Telefon, dass ich
keine Linie habe, als er sagt es über die Medien. Doch wenn man einen Umbau
macht, gibt es genauso viele unzufriedene wie zufriedene Spieler."
Frage: Sind arrivierte Spieler generell schwieriger zu handhaben?
Constantini:
"In keinster Weise. Man kann Baur, Gilewicz, Chiquinho oder Ketelaer
fragen, wie gut ich mit Älteren umgehen kann. Das hat nichts mit dem
Alter zu tun, sondern mit einer gewissen Zufriedenheit, wenn man einen nicht
so behandelt, wie er vorher behandelt worden ist."
Frage: Sind Spieler wie Stranzl, Ivanschitz oder Garics einfach eine andere
Generation mit anderer Mentalität als Baur und Co.?
Constantini:
"Das ist keine Frage der prinzipiellen Mentalität. Es gibt in
jeder Generation super Typen und weniger gute Typen."
Frage: Welcher Spieler wird künftig Kapitän sein?
Constantini:
"Ich habe nicht vor, dass Scharner weiter Kapitän ist. Das habe
ich auch mit seinem Berater Valentin Hobel besprochen, und er hat mir
rechtgegeben. Es ist einfach zu viel, weil er alles machen will, und dann
hält er seinen Platz nicht. Wenn Scharner nur seine Aufgabe erfüllt,
ist er top. Aber dass er nicht mehr Kapitän ist, ist kein Grund, dass
er nicht mehr einberufen wird. Pogatetz war bis Dezember Kapitän, jetzt
schauen wir weiter. Ich werde dieses Thema vor dem Dänemark-Match mit
Pogatetz, Scharner und den Spielern, die vielleicht infrage kommen,
ausdiskutieren."
Frage: Wäre Marc Janko eine mögliche Alternative?
Constantini:
"Das ist eine Möglichkeit. Aber die Kapitänsrolle sollte
nicht zu wichtig sein."
Frage: Wird die Kapitänsfrage bis einschließlich EM-Quali noch vor
dem Dänemark-Match gelöst?
Constantini: "Ich glaube
schon, dass das gescheit ist."
Frage: Im Vergleich mit den Arrivierten gab es mit den Jungen weniger Probleme.
Ist bis zur EM-Quali noch eine weitere Verjüngung zu erwarten?
Constantini:
"Nein. So, wie es jetzt ist, ist es genug."
Frage: Durch die Verjüngung stehen viele U21-berechtigte Spieler im A-Team.
Die U21-EM-Quali geht gerade zum Quali-Auftakt des A-Teams in die
entscheidende Phase. Werden Sie Andreas Herzog Spieler zur Verfügung stellen?
Constantini:
"Andi und ich sind ständig am Telefonieren. Er spielt jetzt gegen
die dänische U21 und probiert zwei, drei andere, und ich lasse die
anderen bei mir. Klar bekommt er zwei, drei Spieler, wenn er sie braucht.
Ich kann ihm aber nicht acht geben, denn sonst habe ich zu wenig Spieler
beim Training. Aber das A-Team hat Priorität. Wir spielen ja auch um
eine Qualifikation. Wenn's hart auf hart geht, geht es von oben nach unten,
das ist auch bei jedem Verein so."
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Paul Scharner hat sich nach seiner Absetzung als Kapitän der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft Zurückhaltung auferlegt. "Ich möchte dazu jetzt nichts sagen. Vor dem Dänemark-Match wird es ein Gespräch mit dem Teamchef zu diesem Thema geben, dann wird man weitersehen", sagte der Wigan-Legionär. Scharner kommt bereits am Sonntag nach Wien, die Unterredung soll am Montag über die Bühne gehen.
Auch Ex-Spielführer Andreas Ivanschitz zeigte sich nach seiner neuerlichen Nichtberücksichtigung für das ÖFB-Team relativ gelassen. Er habe damit nach einem kurzen, aber für ihn weniger guten Gespräch mit Teamchef Dietmar Constantini vor einigen Tagen gerechnet.