Hooligan-Terror
Skandalabbruch bei Italien - Serbien
13.10.2010
Serbischer Verbandspräsident entsetzt: "Angriff auf unseren Staat"
Serbische Fußball-Hooligans haben erneut für einen Skandal gesorgt. Mit dem erzwungenen Abbruch des EM-Qualifikationsspiels gegen Italien rückten angereiste Krawallmacher die Nationalelf Serbiens am Dienstagabend einmal mehr in ein schlechtes Licht. Nach einer unrühmlichen Nacht in Genua wurden 17 Serben verhaftet, weitere 35 wurden angezeigt. Serbiens Verbandspräsident Tomislav Karadzic bezeichnete die Vorkommnisse als "Schande" und "Angriff auf unseren Staat".
Anpfiff mit Verspätung
Nachdem gewaltbereite Gäste-Fans bereits vor der Partie Feuerwerkskörper und Rauchbomben in den italienischen Zuschauersektor und auf das Spielfeld geworfen hatten, war die Partie bereits mit einer 25-minütigen Verspätung angepfiffen worden. Nach sechs Minuten musste dann aber endgültig abgebrochen werden. Erneut hatten Serben Knallkörper auf den Rasen geworfen und dabei auch Italiens Torhüter Emiliano Viviano in Gefahr gebracht. Nach Beratungen mit dem UEFA-Beobachter beendete der schottische Schiedsrichter Craig Thomson die Begegnung.
Straßenschlacht zwischen Polizei und Hooligans
Gegen Mitternacht kam es erneut zu schweren Ausschreitungen. Serbische Hooligans versuchten die Sperren um den Stadion zu durchbrechen. Sie bewarfen die Polizisten mit Knallkörpern, Glasflaschen, Steinen und Tränengas. Die Polizei lieferte sich mit den Hooligans eine regelrechte Straßenschlacht und bekam die Situation erst am frühen Mittwochmorgen unter Kontrolle. Nachdem sie auf einem Parkplatz in Stadionnähe zusammengetrieben worden waren, verließen mehr als 2.000 serbische Fans Genua an Bord von Bussen unter Polizeieskorte.
Verhaftungen
17 Serben wurden verhaftet, 138 befanden sich am Mittwoch noch in Polizeigewahrsam. Sie wurden von den Behörden identifiziert. Die Polizei beschlagnahmte Dutzende von Knallkörpern, Messern und weitere gefährliche Gegenstände. "Es hätte zu einer neuen Tragödie wie im Brüsseler Heysel-Stadion kommen können", berichtete ein Polizeisprecher in Erinnerung an die Katastrophe 1985, als 39 Menschen zu Tode kamen. 20 Personen wurden diesmal bei den schweren Ausschreitungen verletzt. Die schwersten Blessuren erlitt ein Polizist durch die Explosion eines Feuerwerkkörpers vor seinem Gesicht.
Attacken auf eigene Spieler
Die Aktionen der Hooligans scheinen präzise geplant gewesen zu sein. Laut Karadzic hätten Anhänger die zuletzt unter den Erwartungen spielende Nationalelf "zwei Tage lang in ihrem Hotel belagert". Bevorzugtes Ziel war dabei Torhüter Vladimir Stojkovic, der nach einem Angriff auf den Mannschaftsbus bei der Anreise ins Stadion sogar für seinen Ersatzmann Zeljko Brkic Platz machte.
Laut serbischen Medienberichten hatten Fans den Bus bei der Anfahrt ins Stadion Marassi abgepasst und mit Bengalen beworfen. Laut dem Nachrichtensender B-92 wären einige "Fans" sogar in den Bus gelangt. Sie hätten eine Fackel entzündet und wollten Stojkovic damit attackieren. Dessen Teamkollegen hätten dies gerade noch verhindert. Der nun für Partizan Belgrad spielende Stojkovic hatte seine Karriere beim verhassten Stadtrivalen Roter Stern begonnen. Der 27-Jährige war bereits bei der 1:3-Heimniederlage gegen Estland am vergangenen Freitag permanent ausgepfiffen und derb beschimpft worden.
Italiens Teamchef geschockt
Der Coach der italienischen Nationalmannschaft, Cesare Prandelli, reagierte geschockt auf die Vorkommnisse. "Ich bin erschüttert und zutiefst enttäuscht. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Wie uns einige serbische Spieler gesagt haben, wurde alles im voraus geplant", erklärte der Trainer. Der serbische Kapitän Dejan Stankovic, Mittelfeldspieler bei Inter Mailand, entschuldigte sich bei der italienischen Mannschaft.
Serbischer Inter-Star weinte
"Stankovic ist in Tränen ausgebrochen", sagte Italiens Gianluca Zambrotta. "Er hat sich entschuldigt und behauptet, dass die Ausschreitungen vor dem Match organisiert worden waren. Es ist ein Skandal, dass Kinder im Stadion diese verheerenden Szenen miterleben mussten."
Die UEFA wird nun entscheiden, ob die Spitzenpartie der Gruppe C nachgeholt oder Italien am Grünen Tisch zum Sieger erklärt wird. Letztere Variante scheint am wahrscheinlichsten. Serbien wird sich außerdem auf Sanktionen vonseiten des europäischen Fußballverbandes einstellen müssen. Italien hatte nach drei Spielen sieben Punkte auf dem Konto, Serbien liegt mit vier Zählern klar unter den Erwartungen.
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Vorwarnungen in den Wind geschlagen
Auch die italienische Polizei ist nach den Ausschreitungen serbischer Fußball-Fans in Genua unter Druck geraten. Ein Alarm der Belgrader Sicherheitskräfte, die vor einem massiven Ansturm serbischer Hooligans gewarnt hatten, sei unterschätzt worden. In einem Schreiben aus Belgrad sei den italienischen Behörden mitgeteilt worden, dass sich etwa 400 rechtsextreme Hooligans unter die insgesamt 1.600 serbischen Fans mischen wollen, um die Austragung des EM-Qualifikationsspiels gegen Italien zu verhindern.
"Man hatte uns über die Zahl der anreisenden Fans, nicht über ihre Gefährlichkeit informiert. Diese Leute hätten niemals einreisen dürfen", beschwerte sich der für die Sicherheit der italienischen Nationalmannschaft zuständige Funktionär Roberto Massucci. Serbiens Verbandspräsident Tomislav Karadzic hatte unmittelbar nach dem Spielabbruch erklärt: "Wir hatten Informationen, dass diese Fans hierherkommen und beabsichtigen, das Spiel zu sabotieren. Dies haben wir den italienischen Verantwortlichen gemeldet."
"Grobari"-Hooligans europaweit gefürchtet
Die Gäste-Fans hatten sich gemäß Medienberichten der bekannten Belgrader Fan-Gruppierung "Grobari" angeschlossen, die sich bereits für gewalttätige Angriffe in mehreren europäischen Städten verantwortlich gemacht haben. Schon am frühen Dienstagnachmittag hatten betrunkene serbische Fans einige Lokale in der Innenstadt Genuas verwüstet. Dabei war es auch zu Auseinandersetzungen mit lokalen Hooligans gekommen.
Italiens Verteidigungsminister Ignazio La Russa lobte den Beschluss des Schiedsrichters, das Match abzubrechen. "Ich hätte das Match nicht einmal anfangen lassen. Die Bedingungen waren nicht vorhanden, um das Spiel auszutragen. Die italienische Polizei hat gut agiert, um die Sicherheit der Tifosi nicht zu gefährden", sagte der Minister.
Referee-Boss: "Hätten Kalaschnikow gebraucht"
Einer etwas heftigen Wortwahl bediente sich der Präsident des italienischen Schiedsrichterverbands AIA, Marcello Nicchi. "Um Ruhe im Stadion zurückzubringen, hätte die Polizei mit Kalaschnikow-Gewehren eingreifen müssen", meinte der Funktionär.