EM-Euphorie

Teamchef Rangnick: Erwartungshaltung ist natürlich gestiegen

Teilen

ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick war am Donnerstagabend live aus Berlin zum Interview in der ZIB2 zugeschaltet. 

Auf die Einstiegsfrage hin, ob das Finale für Österreich bei der EM drin sei, meinte er, dass Österreich im Vorfeld wohl niemand zugetraut hätte, aus der schwersten Gruppe des Turniers als Sieger hervorzugehen. Natürlich sei dadurch die Erwartungshaltung gestiegen. Die Mannschaft solle sich jetzt von der Euphorie tragen lassen, wobei sie sehr wohl wisse, die Situation richtig einzuschätzen.

Die EM beginne jetzt erst richtig, da mit jedem Spiel immer mehr und bessere Teams ausscheiden würden. Das Spiel gegen die Türkei wird auf jeden Fall ein emotionales, so Rangnick, mit vielen Zuschauern aus Österreich und der Türkei. Vom Teamgefüge her wolle die rot-weiß-rote Auswahl jedenfalls die beste Mannschaft des Turniers sein. Ein Geheimrezept gebe es nicht wirklich. Die Mannschaft habe sich über zwei Jahre lang entwickelt und selbst Ausfälle wie die von Alaba, Kalajdzic und der beiden Schlagers wettgemacht. Sie hätte den Matchplan verinnerlicht und zur eigenen Sache erklärt. „Der Zusammenhalt und die Energie macht uns zu der Mannschaft, die wir sind“, so Rangnick.

Die Niederlage gegen Frankreich sei unglücklich gewesen. Hätte Österreich die ein, zwei guten Möglichkeiten genützt, hätte das Match auch anders ausgehen können. Umso wichtiger sei die Reaktion gegen Polen gewesen, wo sich das Team in Durchgang zwei noch einmal deutlich steigern konnte und das Spiel an sich gezogen hatte. Das sei auch gegen Holland ähnlich gewesen, wo man zweimal in Führung gegangen war (Kapitän Sabitzer habe sich kurz abgeschüttelt und weitergemacht) und mit dem dritten Tor schließlich gewann. „Wer uns das im Vorhinein zugetraut hätte, wäre als sehr, sehr großer Optimist bezeichnet worden."

Das Selbstvertrauen sei jetzt entsprechend groß und mit einer Topleistung könne man derzeit jeden schlagen. Das Team sei „komplett geerdet“ und wisse, „worauf es ankommt.“ Der Zusammenhalt in der Mannschaft und der Doppelpass mit Fans sei jedenfalls etwas ganz Besonderes. Dabei lobte er die Arbeit des ganzen Stabs – von den Spielern über das Trainerteam bis hin zum Sportdirektor und den Mannschafskoch, der womöglich der beste Koch Europas sei, wie Rangnick schmunzelnd hinzufügte. „Die sind alle top. Nicht auf die Einzelleistung käme es an, sondern aufs Teamwork."

Deutliche Wort fand Rangnick auch zum Thema Politik: „Ich bin nicht nur Teamchef, sondern auch Vater zweier Söhne. Ich bin auch jemand, der sich schon seit jungen Jahren für gesellschaftspolitische Themen interessiert.“ Heute befänden wir uns in einer bewegten Zeit, in der man nicht sagen könne, Sport und Politik hätten nichts miteinander zu tun.

„Ich halte es für wichtig, dass Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, zu diesen Themen Position beziehen und das habe ich versucht zu tun. Dabei bleibe ich auch.“ Gerade die Geschichte Österreichs und Deutschlands hätten den Menschen in den letzten hundert Jahren genug Lehre sein sollen, in welches Verderben ein derartiges Gedankengut führt. „Gerade auf dem rechten Auge sollten wir sehr aufpassen und wachsam sein. Die Entwicklungen, die jetzt in beiden Ländern stattfinden, kann man nicht wirklich gutheißen“, so Rangnick.

Nationalmannschaften wie die Österreichs, Deutschlands, der Türkei, aber auch Frankreichs und Belgiens seien heterogen zusammengestellt, „sowohl was die soziale Herkunft angeht als auch die Herkunft, wo man geboren ist.“ Ein besseres Beispiel für Diversität, Zusammenhalt und Teamgeist als im Fußball könne es nicht geben. Die österreichische Nationalmannschaft sei das beste Beispiel dafür.

Man müsse auch sehen, wie sich David Alaba hier aufopfere. Rangnick: „Er ist als Non-Playing-Captain mit dabei. Ich glaube, es ist in allen anderen Ländern fast unvorstellbar, dass jemand seinen kompletten Urlaub opfert, weil er bei der Mannschaft sein will und mit seiner Erfahrung mir als Teamchef und dem Team zur Seite steht. So stelle ich mir das nicht nur im Fußball vor, sondern auch im normalen Leben. Dass wir uns gegenseitig schätzen und anerkennen und uns nicht nach irgendwelchen Kriterien bewerten, die über das Zwischenmenschliche hinausgehen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten