Nach und nach sind die marokkanischen Verlierer des Fußball-WM-Semifinales gegen Frankreich am Mittwoch in ihren roten Mannschaftsbus getrottet. An das Spiel um Platz drei am Samstag gegen Kroatien dachte unmittelbar nach dem 0:2 gegen Frankreich wohl keiner der "Löwen vom Atlas".
Trotzdem war Teamchef Walid Regragui bemüht, seine Kicker wieder aufzurichten. Sie hätten bei der Endrunde in Katar Historisches geleistet, betonte der Coach.
"Ich habe den Spielern gesagt: Ich bin stolz auf sie. Der König ist auch stolz auf sie, das ganze marokkanische Volk ist das", berichtete Regragui. Medienberichten zufolge hatte König Mohammed VI. höchstpersönlich angerufen, um zu den Leistungen bei der WM zu gratulieren. "Meine Spieler haben sich von ihrer besten Seite gezeigt und alles gegeben. Sie sind enttäuscht, sie wollten die Geschichte weiterschreiben", sagte Regragui. "Man kann aber keine Weltmeisterschaft mit Wundern gewinnen."
Dabei wäre es bei Weitem kein Wunder gewesen, hätten die tapferen Marokkaner nach Belgien, Kanada, Spanien und Portugal auch die "Équipe Tricolore" geschlagen. "Wir haben ein großes Spiel gezeigt", sagte Goalie Yassine Bounou. "Wir haben davon geträumt, ins Finale zu kommen."
Marokkaner vereinen arabische Welt
Den Traum hatten Millionen Menschen geteilt - natürlich in Marokko, aber auch in anderen Teilen der arabischen Welt, für die Marokko in den vergangenen WM-Tagen oberflächlich so etwas wie ein Symbol der Einheit geworden war. In europäischen Städten zog es ebenso Tausende auf die Straßen, in Frankreich leben über eine Million Marokkaner. Am Donnerstag verbreitete sich die traurige Nachricht vom Tod eines 14-Jährigen, der in Montpellier von einem Auto erfasst und tödlich verletzt worden war. Vereinzelt kam es zu Ausschreitungen.
In der Wüstenzelt-Arena von Al Khor hatten gut 30.000 marokkanische Fans das erste Halbfinale einer afrikanischen Mannschaft verfolgt. Am Ende jubelte aber Frankreichs Staatsoberhaupt Emmanuel Macron, der von Marokkos König per Telefon beglückwünscht wurde, über den erneuten Finaleinzug der "Bleus". Im verregneten Casablanca ertönten in der Nacht trotz der Niederlage laute Hupkonzerte. Mehrere Fans stimmten auf dem Heimweg Gesänge an.
"Wir müssen in Afrika regelmäßig solche Leistungen zeigen, wenn wir wollen, dass Marokko auf der Fußball-Landkarte ist", sagte Regragui. "Wir wollen uns für jede WM qualifizieren, damit es für die Menschen in Zukunft normal ist. Wir haben viel erreicht, wir haben gezeigt, dass wir mit den Top-Teams mithalten können. Wir müssen das regelmäßig zeigen und beweisen, dass es kein Zufall war."
Trainer Regragui mit Aufbauarbeit beschäftigt
In den wenigen Stunden bis zum Spiel um Platz drei muss der Trainer Aufbauarbeit leisten. "Nach einer Niederlage ist es schwierig, für die Zukunft zu planen", sagte Regragui. "Es wird eine mentale Herausforderung, wir haben viele verletzte Spieler. Wir wollen gewinnen." Die Marokkaner hatten am Mittwoch bereits kurz vor und während der ersten Hälfte ihre beiden Stamminnenverteidiger Nayef Aguerd (West Ham United) und Kapitän Romain Saiss (Besiktas Istanbul) ersetzen müssen. Nach der Pause konnte auch der angeschlagene Bayern-Profi Noussair Mazraoui nicht mehr weiterspielen.
Regragui kündigte an, jenen Profis Einsatzzeit zu verschaffen, die bisher hatten zuschauen müssen. "Wir brauchen einige Zeit, um uns zu erholen, dann werden wir das Spiel angehen. Wir wollen Dritter werden, um unser Land stolz zu machen", sagte der 47-jährige Trainer. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am Samstag - das erste Duell mit Kroatien hatte in der Gruppenphase mit einem 0:0 geendet.