Es hätte seine Krönung im brasilianischen Nationaltrikot werden sollen. Als der Traum platzte, hatte auch Brasiliens Fußball-Star Neymar Zweifel.
Der neue Rekordstürmer der Seleção ließ seine Zukunft in der Nationalmannschaft nach dem enttäuschenden Viertelfinal-Aus bei der Fußball-WM in Katar offen. "Ich schließe die Tür nicht. Aber ich garantiere auch nicht zu 100 Prozent, dass ich zurückkehren werde", sagte der 30-Jährige am späten Freitagabend. Mit seinem 77. Teamtor zog Neymar in der ewigen Torschützenliste des fünffachen Weltmeisters mit Legende Pele gleich. Nach dem Treffer in der Verlängerung (105.+1) samt davor dominanter Vorstellung wähnten sich die Brasilianer bereits so gut wie sicher im Halbfinale. Eine Unachtsamkeit bescherte Kroatien aber im Finish noch den Ausgleich. Im Elferkrimi scheiterten die Südamerikaner mit 2:4, in der Heimat verfiel das Land in Trauer.
Es war kurz vor Mitternacht, als Neymar durch das gedämpfte Licht der Stadiongänge schlich. Bei fast jedem Journalisten blieb er kurz stehen. Woran hat es gelegen? Warum ist die Seleção schon wieder im Viertelfinale einer Weltmeisterschaft ausgeschieden? Und überhaupt: Was wird jetzt aus ihm, dem talentiertesten Spieler einer ungekrönten Generation? Neymar ließ die Frage offen. Er werde jetzt erst ein wenig über alles nachdenken müssen, lautete die Antwort.
Ihm näher stehenden Beobachter erzählen, dass sich der Angreifer von Paris Saint-Germain so professionell wie noch nie auf diese WM vorbereitet habe. Diese Weltmeisterschaft sollte seine werden. Nur der Goldene Pokal fehlte ihm noch, um dem Status eines Pele näher zu rücken. Jetzt könnte er für immer die unvollendete Nummer zehn bleiben.
Neymar durfte nicht zum Elfer antreten
"Leider haben wir unser Ziel nicht erreicht, unseren Traum", sagte Neymar schwer enttäuscht. "Es ist ein Detail, das darüber entscheidet, ob du weiterkommst oder nicht." Dieses eine Detail, er schien es eigentlich auf seiner Seite zu haben. Nach zuvor durchwachsenen 105 Minuten zeigte Neymar, warum Tite ihn trotzdem auf dem Feld gelassen hatte. Er spielte zwei Doppelpässe, umkurvte Goalie Dominik Livakovic und schoss das 1:0. Es war ein Tor ohne Wert. Pele gratulierte dennoch aus der Ferne. "Endlich kann ich dich dazu beglückwünschen, mit meiner Anzahl an Toren für die Seleção gleichgezogen zu haben", schrieb der an Krebs erkrankte 82-Jährige via Instagram.
In der Elfer-Entscheidung trat Neymar nicht mehr an. Tite hatte ihn als fünften und entscheidenden Schützen vorgesehen. Dazu kam es aber nicht mehr, weil Rodrygo scheiterte, Marquinhos an die Stange schoss und die Kroaten alle ihre Versuche verwerteten. Anstatt Brasilien ins Halbfinale zu schießen, sackte Neymar auf dem Rasen des Education City Stadiums zusammen. Erst kauerte er allein gelassen in der Nähe des Mittelpunktes. Später flossen auch bei ihm die Tränen.
Nächster Titel-Angriff in USA, Mexiko & Kanada
Die vor dem Viertelfinale überragenden Brasilianer wurden in dem Moment gestoppt, in dem ganz Südamerika schon vom Superclasico gegen Argentinien am kommenden Dienstag im Halbfinale träumte. "Wir hatten es in der Hand und es ist uns entglitten", sagte Führungsspieler Casemiro nach der Niederlage. Brasilien ist in tiefer Fußball-Trauer, die angestrebte "Hexa" wird mindestens vier weitere Jahre warten müssen. "Wir sind traurig, aber wir stehen wieder auf und schauen nach vorne", sagte Kapitän Thiago Silva in einer ersten Reaktion.
Das Warten geht weiter, mindestens bis zur WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada. Die Aufbauarbeit wird nun ein anderer Trainer leisten müssen, denn der Abschied von Tite nach der WM ist schon seit Monaten beschlossene Sache - ganz unabhängig vom Ausgang der WM. In der Stunde des Scheiterns wollte Tite die Schuld nicht alleine auf sich nehmen. "Ich verstehe, dass ich die Hauptverantwortung trage, ich bin kein Heuchler. Aber ich bin nicht alleine verantwortlich, wir sind alle verantwortlich", sagte der 61-Jährige. Wer nun sein Nachfolger wird, ist offen. Unmittelbar nach dem Spiel spekulierten brasilianische Medien über etliche Kandidaten - von Pep Guardiola bis hin zu Jorge Sampaoli.