Viele Einwanderer laufen für Gastgeber auf
Durch Katars Team weht eine spanische Brise
11.11.2022Der WM-Gastgeber will bei der Premiere auf der Weltbühne seine Kosten belohnt wissen. Seit dem Zuschlag im Dezember 2010 hat das schwer reiche Emirat nichts unversucht gelassen, zwölf Jahre später ein auch auf dem Rasen blendendes Bild abzugeben.
Außerordentlich viel Know-how war schon davor von der iberischen Halbinsel nach Doha übersiedelt. So soll der schon über 15 Jahre in Katar arbeitende Spanier Felix Sanchez den Debütanten zu Ehren führen. "Wie hatten ein gutes Vorbereitungsprogramm, wenn man bedenkt, dass wir Katar sind. Ein kleines Land mit wenig Erfahrung und Spielern, die in Katar, einer kleineren Liga, spielen", sagte Sanchez vor Turnierstart der spanischen Sportzeitung "Marca". Seit 2017 steht der 46-Jährige im A-Team an der Linie. Katar trat dank Einladungen bei der Copa America in Südamerika oder beim Gold Cup in den USA an, um Erfahrung zu sammeln. In Europas WM-Qualifikation waren die "Al-Anabbi" (Die Weinroten) als Testgegner dabei. "Wir haben uns vorbereitet, auch wenn es niemals dasselbe Szenario (wie eine WM) sein wird", meinte Sanchez. Zuletzt im September trat Katar auch zweimal in der Austria-Heimstätte in Wien gegen Kanada und Chile an.
Der einst als Jugendcoach in Barcelonas Talentschmiede La Masia arbeitende Sanchez ist bei weitem nicht der einzige Spanier in katarischen Diensten. Seit zwölf Jahren steht mit Ivan Bravo ein Mann mit Erfahrung an der Spitze des fußballerischen Thinktanks, der Aspire Academy. Bravo war bei Real Madrid in der strategischen Planung federführend. Vor ihm leitete mit Josep Colomer ein anderer Spanier die Geschicke der 2004 ins Leben gerufenen Akademie. Colomer gilt als Entdecker eines gewissen Lionel Messi. Er war es auch, der Sanchez 2006 nach Katar lotste.
Über die Jahre ging eine ganze Riege von Nachwuchstrainern aus dem Land des Welt- und Europameisters gut bezahlt nach Doha. Geld ist im schwer reichen Emirat vorhanden. Der katarische Fonds, der wie das ganze Land von einer kleinen privilegierten Elite kontrolliert wird, verwaltet ein Vermögen von fast 500 Milliarden Dollar. Glänzen will Katar schon seit längerem auch im Sport. Die Strategie dahinter: Der talentierteste Nachwuchs soll - koste es, was es wolle - zu Weltklasse-Athleten geformt werden. Die Mittel dafür stoßen auf Kritik.
Afrikaner ist der Star des Teams
So ist das Thema Einbürgerung ein diskutables. Der katarische Verband kam 2004 in die Schlagzeilen, als die FIFA dem Nationenwechsel der Brasilianer Ailton, Dede und Leandro einen Riegel vorschob. Anders als im Handball - zur Heim-WM 2015 bürgerte Katar kurzerhand einige Europäer ein - war diese Strategie nach dem Einspruch des Weltverbands nicht gangbar. Die Nationalmannschaft ist nun eine Mischung aus Eingebürgerten wie auch Gastarbeiter- und Einwanderer-Kindern.
Beim bis dato größten Triumph, dem überraschenden Titelgewinn beim Asien-Cup 2019, standen im Irak, Algerien, Portugal, Frankreich, Ägypten und dem Sudan geborene Spieler für Katar am Feld. Die rechtliche Lage der Fußballer ist kompliziert. Das kleine Land am persischen Golf zählt knapp 2,5 Millionen Einwohner, nur etwa zehn Prozent davon wird der katarische Pass gewährt. Gastarbeiterkinder genießen dessen Privilegien nicht. Sie bekommen einen "Mission Passport", der laut Danyel Reiche, Experte für Sport der Georgetown University in Doha, eine Lücke im internationalen System darstellt. "Das heißt, das ist eigentlich ein Ausweis, der nur verwendet wird, um an diesen internationalen Wettbewerben teilzunehmen", sagte Reiche der ARD.
Der Star des Teams hat seine Wurzeln in Afrika. Der in Katar als Sohn eines Tansaniers und einer Jemenitin geborene Akram Afif (26) wurde als 16-Jähriger nach Spanien geschickt, wo er im Nachwuchs des FC Sevilla spielte. Später ging der Flügelstürmer zu Villarreal, für seine Leihstation Sporting Gijon stand er neunmal auf dem Feld. Mittlerweile spielt Afif in Doha für Al-Sadd. In der Heimat ist auch Almoez Ali (26) engagiert. Der im Sudan geborene Mittelstürmer von Al-Duhail stand wie Mittelfeldspieler Assim Madibo in der Saison 2015/16 für einige Monate beim LASK unter Vertrag. Kapitän ist Stürmer Hassan Al-Haydos (31), der schon über 160 Länderspiele absolviert hat.
Größter Erfolg ist Gewinn des Asien-Cups
Das Quartett war auch 2019 dabei, als Katar nach Erfolgen über Südkorea und die Vereinigten Arabischen Emirate im Asien-Cup-Finale gegen Japan 3:1 gewann. Es ist der größte Erfolg der Verbandsgeschichte. "Es war schwer vorstellbar, dass Katar den Asien-Cup gewinnt, und wir haben ihn gewonnen", meinte Sanchez. Seine Auswahl bekommt es beim Heim-Turnier mit Ecuador, Senegal und den Niederlanden zu tun. Sanchez bleibt optimistisch. "Natürlich reden wir jetzt nicht davon, die WM zu gewinnen. Aber unsere Herausforderung ist, uns auf einem guten Level mit diesen drei Mannschaften zu messen. Man weiß im Fußball nie, was passiert."