Marcel Koller:
"Wir haben wieder das Sieger-Gen"
16.06.2013Teamchef. So lässt er uns alle von der WM träumen.
Österreich darf sich Hoffnung auf Brasilien machen. Dank Teamchef Koller. Darum küren wir den Schweizer zum "Österreicher" der Woche.
Die Unkenrufe waren laut, als Marcel Koller am 1. November 2011 als neuer Fußball-Teamchef präsentiert wurde. Wer ist denn das? Gibt es keinen Besseren? Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet.
Seit dem 2:1-Sieg über Zlatan Ibrahimovic und seine Schweden herrscht Aufbruchsstimmung. Nicht nur bei der ÖFB-Elf, im ganzen Land. Das kriegt Koller hautnah zu spüren. Wenn er über die Wiener Kärntnerstraße zu seinem Lieblingsitaliener schlendert, hört er aufmunternde Zurufe: "Danke, Herr Koller! Machen Sie bitte so weiter!"
Zuspruch
Der Skepsis ist Mut gewichen. Koller im Interview mit ÖSTERREICH: "Mittlerweile ist das Raunzen der Leute weg. Sie freuen sich, man ist optimistisch, man wird unterstützt und aufgefordert."
Taktik
Koller ist aber nicht immer so freundlich. "In der Kabine kann er ganz schön laut werden", erzählt Teamstürmer Marc Janko. "Spieler brauchen auch mal den Tritt in den Hintern, um wach zu werden, um eine Situation richtig zu erkennen", erwidert Koller.
Seine Taktik ging voll auf. Unter Kollers Führung laufen sich sogar Kicker-Exzentriker wie Marko Arnautovic die Seele aus dem Leib. Koller hat dem Team Selbstvertrauen eingeimpft. Wir dürfen tatsächlich von Brasilien 2014 träumen.
Teamchef über Österreich & Alaba
Koller: "Das Raunzen ist mittlerweile weg"
ÖSTERREICH: Herr Koller, fährt Österreich zur WM-Endrunde nach Brasilien?
MARCEL KOLLER: Das wäre schön. Aber mit Deutschland, Irland und Schweden haben wir noch drei richtige Knaller. Dazu die Färöer. Das wird kein Zuckerschlecken. Wir haben uns in eine gute Position gespielt. Die Spieler spüren, dass sie etwas bewegen können.
ÖSTERREICH: Haben Sie das Gefühl, dass die Österreicher auf ihr Nationalteam wieder stolz sind?
KOLLER: Gerade am Anfang war, egal, wo ich gerade war, überall ein Raunzen zu hören. Mittlerweile ist das weg. Die Leute freuen sich, man ist optimistisch, man wird unterstützt, man wird aufgefordert, so weiterzumachen.
ÖSTERREICH: Verfolgen Sie die Politik in Österreich?
KOLLER: Ich bin schon an Politik interessiert. Aber ich will nicht groß Kommentare abgeben. Ich würde es auch nicht schätzen, wenn Politiker öffentlich über die Fußball-Taktik sprechen und dem Teamchef sagen, welche Spieler er aufstellen soll.
ÖSTERREICH: Im Gegensatz zu Österreich ist Schweiz nicht bei der EU. Wie stehen Sie dazu?
KOLLER: Jedes Land sollte sich eine gewisse Eigenständigkeit bewahren. Ich bin kein Verfechter der EU. Es ist gut so, wie es in der Schweiz ist, da fühle ich mich wirklich wohl. Wir können doch noch ein bisschen mehr selbst bestimmen.
ÖSTERREICH: Was zeichnet David Alaba aus?
KOLLER: Er ist nicht nur ein hervorragender Fußballer, sondern auch ein hervorragender Mensch. Und mit 20 eine Persönlichkeit. Diese Kombination macht ihn aus. Führungsaufgaben im Team zu übernehmen, macht er zum Teil schon, aber von der Erfahrung her, kann er noch nicht so weit sein.
ÖSTERREICH: Nach außen hin wirken Sie sehr unnahbar, fast unantastbar. Ist das ein Selbstschutz oder Ihr Naturell?
KOLLER: Ein bisschen von beidem. Wenn mich einer anlächelt, falle ich ihm nicht gleich um den Hals. Es braucht bei mir schon ein bisschen Zeit. Aber wenn ich einen Menschen gut kenne, kriegt er mein Herz.
Walter Unterweger