Der Superstar muss mit einem Achillessehnenriss mehrere Monate pausieren.
Die WM 2010 wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne den wohl bekanntesten Fußballer der Welt stattfinden. David Beckham zog sich am Sonntag beim Meisterschafts-Heimspiel seines aktuellen Clubs AC Milan gegen Chievo Verona einen Achillessehnenriss zu - und das nicht einmal drei Monate vor Beginn des Turniers in Südafrika, das ihn zum einzigen englischen Kicker mit vier Endrunden-Teilnahmen gemacht hätte.
Hoffen auf ein Wunder
Das Malheur passierte kurz vor dem Ende der Partie, als Beckham an der Mittellinie den Ball stoppte und dabei mit dem linken Fuß umknickte. Im Normalfall bedeutet eine derartige Verletzung eine Pause von rund sechs Monaten. Der Mittelfeldspieler hofft jedoch auf ein Wunder und flog mit einem Privatjet nach Turku, wo er noch am Montag vom Spezialisten Sakari Orava operiert werden sollte. Der Mediziner hatte vor einigen Monaten auch den italienischen Ski-Rennläufer Peter Fill trotz eines Sehnenrisses noch für Olympia in Vancouver fit gemacht.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters zeigte sich Orava aber pessimistisch, was einen WM-Auftritt Beckhams betrifft. "Es wird rund drei Monate dauern, bis er wieder Fußball spielen kann, für maximale Leistung vielleicht einen Monat mehr", erklärte der Arzt, der ein Band aus der Wade des Kickers entnehmen und damit die Achillessehne verstärken will.
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Lauftraining in 2 Monaten
Durch seine Behandlungsmethode könne die Zwangspause bei einem Achillessehnenriss verkürzt werden, meinte Orava. "Die Operation dauert nicht einmal eine Stunde und, wenn alles optimal verläuft, kann man nach zwei Monaten mit dem Lauftraining beginnen." In diesem Fall würde Beckham ein Wettlauf mit der Zeit bevorstehen, ähnlich wie 2002. Damals erlitt er wenige Wochen vor der WM einen Bruch des Mittelfußknochens, wurde dann zwar rechtzeitig zur Endrunde fit, konnte aber sein aktuelles Leistungspotenzial nicht abrufen.
Diesmal wird es sich wohl nicht mehr ausgehen, auch wenn Orava einen Hoffnungsschimmer für Beckham erkennen ließ. "Das WM-Turnier in Südafrika ist jetzt ein ziemlich unrealistisches Ziel. Aber wenn der Schaden sich als nicht so groß erweist und die Operation gut geht, kann er vielleicht wenigstens als moralische Stütze auf der Ersatzbank sitzen", erklärte der Chirurg gegenüber der Nachrichtenagentur STT.
Milan-Ärzte skeptisch
Im Gegensatz zu Orava sagten die Milan-Ärzte dem englischen Star eine Pause von fünf bis sechs Monaten voraus. "Ich habe ihn in der Kabine umarmt und gemeint, er kann nächstes Jahr wieder bei uns spielen, wenn er will", erklärte Milan-Generaldirektor Adriano Galliani, für dessen Club Beckham wie schon im Vorjahr während der MLS-Pause mit Los Angeles Galaxy leihweise im Einsatz war.
Coach: "David wusste sofort, was los war"
Laut Milan-Coach Leonardo war sich Beckham sofort über die Schwere der Verletzung bewusst. "Er ist am Boden gelegen und hat dauernd gerufen: 'Sie ist gerissen, sie ist gerissen'", erzählte der Brasilianer, der sich über den 1:0-Sieg nicht freuen konnte. "Seine Verletzung tut uns allen extrem leid." Milan-Kicker Ignazio Abate beschrieb die Trauer Beckhams. "Es geht im nicht gut. In der Kabine war er in Tränen aufgelöst und hat nicht viel gesagt."
Anruf vom Teamchef
Englands Teamchef Fabio Capello rief Beckham noch am Sonntag an, um sein Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Einen WM-Start seines Stars wollte der Italiener noch nicht kategorisch ausschließen. "Wir müssen die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung abwarten, aber es sieht so aus, als ob sich die WM für ihn erledigt hat", sagte Capello und fügte hinzu: "David ist ein großartiger Sportsmann, der sich sehr hart auf die WM vorbereitet hat. Sein Ausfall wäre ein schwerer Schlag."
Sportlicher Schaden überschaubar
Der sportliche Schaden für England hält sich allerdings in Grenzen. Sein Stammleiberl im Nationalteam hat Beckham längst verloren, gerade auf der rechten Mittelfeldseite verfügt Capello mit (dem derzeit noch verletzten) Aaron Lennon, Theo Walcott, Shaun Wright-Phillips oder James Milner über genügend Alternativen. Dennoch hätte der Teamchef den 34-Jährigen gern nach Südafrika mitgenommen, weil Beckham mit seiner Schusstechnik bei Standard-Situationen immer noch für Gefahr sorgen kann.
Traum vom Teamrekord geplatzt
Für den Mittelfeldspieler scheint damit der Traum geplatzt, Peter Shilton zu überholen und Englands Rekord-Internationaler zu werden. Beckham brachte es bisher auf 115 Partien, zehn weniger als die englische Tormann-Legende. Von 2000 bis 2006 führte der "Spice Boy" den Weltmeister von 1966 58 Mal als Kapitän aufs Feld.
Im Nationalteam waren die WM-Viertelfinali 2002 und 2006 das höchste der Gefühle, auf Club-Ebene hingegen räumte Beckham praktisch alles ab. Mit Manchester United wurde er sechs Mal Meister, zwei Mal FA-Cup-Sieger und gewann 1999 die Champions League und den Weltcup. Im Frühjahr 2007, knapp vier Jahre nach seinem Wechsel um knapp 28 Millionen Euro zu Real Madrid, holte er mit dem spanischen Rekordchampion den Meistertitel, ehe er sich nach Los Angeles verabschiedete.
Rekordvertrag in den USA
Bei Galaxy unterschrieb der Engländer einen Fünfjahresvertrag, der ihm insgesamt 250 Mio. Dollar (182 Mio. Euro) bringt. Schon in den vergangenen Jahren war Beckham dank zahlreicher Werbeverträge der bestverdienende Kicker gewesen. Mit ständig wechselnden Frisuren und der Ehe mit Ex-Spice-Girl Victoria sorgte er auch abseits des Rasens für Schlagzeilen.
WM ohne Glamour-Paar
Die ohnehin schon umstrittene Fußball-WM in Südafrika hat damit allerdings gleich zwei schwere Ausfälle zu beklagen. Mit David Beckham fehlt eines der Top-Aushängeschilder im sportlichen Bereich. Ebenso schlimm aber wohl: Ohne David auch keine Victoria Beckham in Südafrika. Der Glamour-Faktor der WM sinkt damit beträchtlich, die Society-Reporter werden in Johannesburg, Kapstadt & Co ohne die Fashion-Ikone ihr Auslangen finden müssen.