Spionage-Affäre

Drakonische Strafen gegen McLaren

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Urteil in Paris: McLaren verliert alle Team-WM-Punkte 2007 und muss 100 Mio. Dollar Strafe zahlen. Lesen Sie hier den aktualisierten WM-Stand.

Der Motorsport-Weltrat der FIA hat sein Machtwort gesprochen. Die möglichen Sanktionen für McLaren-Mercedes in der Spionage-Affäre der Formel 1 hatten bis hin zu einem Ausschluss gereicht. Letztendlich wurde McLaren am Donnerstagabend in Paris mit der Aberkennung aller Konstrukteurs-WM-Punkte der Saison 2007 und 100 Millionen Dollar (72 Mio. Euro) Geldbuße noch immer hart dafür bestraft, vertrauliche Ferrari-Daten nachweislich zum eigenen Vorteil genutzt zu haben. Lesen Sie hier: Die Chronologie der Spionage-Affäre.

Fahrer-Wertung nicht betroffen
Die Fahrer-WM ist von dem Urteil allerdings nicht betroffen. McLaren-Rookie Lewis Hamilton führt damit vor dem Grand Prix von Belgien am Sonntag in Spa-Francorchamps weiterhin drei Punkte vor seinem Teamkollegen und Titelverteidiger Fernando Alonso. Die FIA begründete die Verschonung der Fahrer mit "besonderen Umständen". Der Weltverband hatte den Piloten bei entsprechender Kooperation in den Ermittlungen Immunität in Aussicht gestellt. In der Konstrukteurs-WM dagegen führt nun Ferrari klar vor BMW und Renault.

Lesen Sie hier: Die härtesten Strafen in der F1

Reaktion des McLaren Teams
McLaren hat sich am Donnerstagabend gegen die Verurteilung durch die FIA zur Wehr gesetzt. "Die heutigen Beweise zeigen deutlich, dass wir keine durchgesickerten Informationen benutzt haben, um einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten", betonte das Team von Ron Dennis neuerlich in einer Stellungnahme. "Als Anwesender beim heutigen Meeting akzeptiere ich nicht, dass wir es verdient haben, auf diese Art bestraft zu werden."

Alles transparent?
Die FIA habe Statements aller 140 Ingenieure erhalten, die allesamt versichern, niemals Ferrari-Daten erhalten zu haben. Die Fahrer Fernando Alonso, Lewis Hamilton und Pedro de la Rosa sollen in ihren Angaben ebenfalls kategorisch ausgeschlossen haben, dass McLaren jemals vertrauliche Informationen verwendet habe. Dass die Daten in Besitz eines ehemaligen Angestellten (Mike Coughlan) gewesen waren, habe das Team nie dementiert. "Für 2008 gibt es kein Problem, weil wir in keiner Phase geistiges Eigentum eines anderen Teams benutzt haben", versicherte McLaren in seinem Statement. "Wir haben die besten Fahrer und das beste Auto und nun wollen wir die WM gewinnen."

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Der Auslöser der Affäre
Ausgelöst hatte die Affäre der ehemalige Ferrari-Chefmechaniker Nigel Stepney, der dem inzwischen ebenfalls entlassenen McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan 780 Seiten geheimes Ferrari-Informationen zugespielt haben soll. Coughlan hat sich inzwischen offiziell dafür entschuldigt, das Material angenommen zu haben, Stepney weist jede Schuld von sich. Auch McLaren hatte bis zuletzt bestritten, von den Ferrari-Daten profitiert zu haben.

Telefonate, E-mails
Mangels schlüssiger Beweise war McLaren daher nach einer ersten Anhörung am 26. Juli zwar für schuldig befunden worden, eine Strafe aber ausgeblieben. Durch die Kooperation der Fahrer und weitere Recherchen seien allerdings neue Beweise ans Tageslicht gelangt - darunter umfangreiche Protokolle von Telefonaten zwischen Stepney und Coughlan sowie E-Mails, die Alonso und Ersatzfahrer Pedro de la Rosa angeblich ausgetauscht haben.

Zweite Instanz
Die Anhörung in zweiter Instanz hatte sich am Donnerstag über mehrere Stunden hingezogen, ehe der 26-köpfige Weltrat sein Urteil fällte. Im Gegensatz zu Weltmeister Alonso, der sich bereits in Spa eingefunden hatte, waren Hamilton und De la Rosa am Vormittag gemeinsam mit der Teamführung im FIA-Hauptquartier in Paris anwesend gewesen. Der Spanier hatte seine Informationen bereits in der Vorwoche zur Verfügung gestellt.

Reaktion Hamiltons
Während Hamilton betonte, dass man "als Team zusammenhalten" müsse, steht für Alonso nun einzig und allein die Fahrer-WM im Mittelpunkt. Bei den Konstrukteuren kann McLaren heuer ohnehin keine Punkte mehr machen. In der kommenden Saison steht das Topteam in der Boxengasse damit ganz hinten. Damit nicht genug: Im Dezember 2007 will die FIA nach erhalt eines vollständigen technischen Bericht über mögliche weitere Sanktionen entscheiden.

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Hohe Verluste
Durch die Team-WM verliert McLaren auch viele Dollar-Millionen aus TV-Einnahmen, Das entgangene Einkommen wird laut FIA-Urteil aber von den 100 Mio. Dollar Geldstrafe abgezogen. "Das ist sehr viel Geld, aber McLaren kann sich das leisten", meinte Ex-McLaren-Pilot Gerhard Berger. Der Tiroler - nun Mitbesitzer der Scuderia Toro Rosso - betonte, dass falsches Handeln in der Formel 1 auch bestraft werden müsse. "Außerdem ist es wichtig für den Sport, dass die Fahrer-WM nicht beeinflusst worden ist", ergänzte Alexander Wurz. Der österreichische Williams-Pilot hatte bis 2005 als Testfahrer für McLaren gearbeitet.

Teamchef Ron Dennis schwer angeschlagen
McLaren ist das Lebenswerk von Teamchef Ron Dennis. Die Zentrale in Woking wurde von Star-Architekt Sir Norman Foster entworfen, Queen Elizabeth II. höchstpersönlich weihte sie vor drei Jahren ein. Der prunkvolle Bau steht, doch am Donnerstag ist er in seinen Grundfesten erschüttert worden. Das Lebenswerk von Teamchef Ron Dennis bröckelt.

Dennis wirkte angeschlagen, als er an einem der schwersten Tagen seiner so erfolgreichen Motorsport-Karriere zur Anhörungen in Paris erschienen war. Üblicherweise gilt der 60-jährige Brite als unnahbar, stets korrekt und fast ein wenig unterkühlt. Doch die vergangenen Tage seien "eine emotionale Achterbahnfahrt" für ihn gewesen. Die Tränen, die er nach dem Doppelsieg von McLaren-Mercedes am vergangenen Sonntag in den Armen seiner Frau Lisa in Monza vergossen hatte, waren der Beweis dafür gewesen.

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Aktualisierte Formel-1-WM-Wertungen nach dem Urteil des Motorsport-Weltrates der FIA am Donnerstagabend in Paris - nach 13 von 17 Saisonläufen:

Fahrerwertung:
1. Lewis Hamilton (GBR), McLaren-Mercedes, 92
2. Fernando Alonso (ESP), McLaren-Mercedes, 89
3. Kimi Räikkönen (FIN), Ferrari, 74
4. Felipe Massa (BRA), Ferrari, 69
5. Nick Heidfeld (GER), BMW-Sauber, 52
6. Robert Kubica (POL), BMW-Sauber, 33
7. Heikki Kovalainen (FIN), Renault, 21
8. Giancarlo Fisichella (ITA), Renault, 17
9. Alexander Wurz (AUT), Williams-Toyota, 13
10. Nico Rosberg (GER), Williams-Toyota, 12
11. Mark Webber (AUS), Red-Bull-Renault, 8
12. David Coulthard (GBR), Red-Bull-Renault, 8
13. Jarno Trulli (ITA), Toyota, 7
14. Ralf Schumacher (GER), Toyota 5
15. Takuma Sato (JPN), Super-Aguri-Honda, 4
16. Jenson Button (GBR), Honda, 2
17. Sebastian Vettel (GER), BMW-Sauber, 1

Konstrukteurs-WM:
1. Ferrari, 143
2. BMW-Sauber, 86
3. Renault, 38
4. Williams-Toyota, 25
5. Red-Bull-Renault,16
6. Toyota, 12
7. Super-Aguri-Honda, 4
8. Honda, 2

Nächstes Rennen:
Grand Prix von Belgien am Sonntag in Spa-Francorchamps, wo im Rennen auf dem 7,004 km langen Ardennen-Kurs insgesamt 44 Runden bzw. 308,176 km zu absolvieren sind.

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Chronologie einer Spionage-Affäre
1. Februar: Stepney fühlt sich bei der Nachbesetzung des Technikdirektors von Ferrari übergangen. Der Engländer erklärt sich für Angebote anderer Teams offen.
18. März: Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen gewinnt den Saisonauftakt in Melbourne. Stepney weist McLaren-Mercedes darauf hin, dass Ferrari dabei einen illegalen Unterboden verwendet habe. Dieser wird anschließend von der FIA verboten.
Juni: Ein Mitarbeiter eines Copy-Shops nahe der McLaren-Fabrik in Woking/England informiert Ferrari, dass Coughlans Ehefrau Trudy Ferrari-Dokumente auf zwei CDs kopieren ließ.
21. Juni: Ferrari leitet in Modena gerichtliche Schritte gegen Stepney ein. Der Angeklagte spricht von einer "Schmutzkübel-Kampagne".
3. Juli: McLaren suspendiert Coughlan, nachdem bei einer Hausdurchsuchung vertrauliches Ferrari-Material sichergestellt worden ist. Stepney wird ebenfalls entlassen.
4. Juli: McLaren versichert, dass keine der Informationen von Ferrari für die eigenen Autos verwendet wurde und lädt die FIA zu einer umfassenden Untersuchung ein. Der Weltverband leitet Ermittlungen ein.
10. Juli: Eine Anhörung vor dem Londoner High Court wird vertagt. Gleichzeitig gibt ein Ferrari-Sprecher bekannt, dass es sich um 780 Seiten geheimer Daten gehandelt habe.
11. Juli: Coughlan und Ferrari einigen sich außergerichtlich.
26. Juli: Der Motorsport-Weltrat in Paris befindet McLaren des unautorisierten Besitzes von Ferrari-Informationen für schuldig, verhängt aus Mangel an Beweisen, dass das Team einen Nutzen daraus gezogen habe, aber nur eine Verwarnung.
31. Juli: FIA-Präsident Max Mosley stimmt nach einem Einspruch des italienischen Automobilverbandes einer Berufungsverhandlung am 13. September in Paris zu.
1. August: McLaren-Teamchef Ron Dennis wirft dem italienischen Automobilverband in einem offenen Brief eine "irreführende Pressekampagne" vor.
5. September: Die FIA wandelt die Berufungsverhandlung in eine zweite Anhörung um. Grund dafür sind neue Beweise.
7. September: Die FIA veröffentlicht ihren Brief an Fernando Alonso, Lewis Hamilton und McLaren-Ersatzfahrer Pedro de la Rosa mit der Aufforderung, sie sollen Kopien des ihnen möglicherweise zugegangenen geheimen Materials über den neuen Ferrari übermitteln. Bei Nicht-Kooperation drohen den Piloten "ernsthafte Konsequenzen".
8. September: Italienische Justiz-Beamte unterrichten Dennis und zwei weitere hochrangige McLaren-Mitglieder in Monza, dass gegen sie ermittelt wird. Es werden ihnen Sportbetrug und die Weitergabe von Betriebsgeheimnissen vorgeworfen.
13. September: Der Motorsport-Weltrat der FIA aberkennt McLaren alle Konstrukteurs-WM-Punkte der Saison 2007. Zudem wird das Team zu 100 Mio. US-Dollar Geldstrafe verurteilt. Der Motorsport-Weltrat FIA hat am Donnerstagabend das Urteil in der Formel-1-Spionage-Affäre verhängt. Dem Team McLaren-Mercedes werden demnach alle bisherigen Punkte in der Konstrukteurs-WM-Wertung 2007 gestrichen, die Punktestände der in der WM führenden Fahrer Lewis Hamilton und Fernando Alonso bleiben hingegen bestehen. Zudem müssen die "Silberpfeile" eine Geldstrafe von 100 Millionen Dollar (72 Mio. Euro) bezahlen.

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