Weltpremiere in Asien: In Singapur fährt die Formel 1 erstmals unter Flutlicht. Ein Spektakel ist garantiert.
Beim 800. WM-Lauf wird es Licht in der Formel 1! Der erste Nacht-Grand-Prix in der 59-jährigen Geschichte der Motorsport-Königsklasse am kommenden Sonntag in Singapur ist nicht nur eine Weltpremiere, sondern für Teams und Piloten eine einzigartige Herausforderung. Gefahren wird beim F1-Debüt des asiatischen Stadt-Staates am Südzipfel von Malaysia nicht nur wie in Monaco und Valencia auf einem reinen Stadtkurs, sondern erstmals unter Flutlicht. In Singapur wird die Nacht zum Tag.
Schwieriger Spagat
Grund ist, das die Formel 1 zwar mit ihren
Rennen immer den finanzkräftigsten Märkten folgt, die meisten und
wichtigsten der weltweit rund 500 Millionen TV-Zuschauer aber immer noch in
Europa zu Hause sind. Damit die Formel 1 also zur gewohnten Sendezeit um
14.00 MESZ über die Bildschirme flimmern kann, müssen Teams und Fahrer trotz
sechs Stunden Zeitdifferenz in der europäischen Zeitzone weiterleben, um
punkto Biorhythmus zu später Stunde ihre Höchstleistung abrufen zu können.
Das Rennen beginnt um 20.00 Ortszeit, das Qualifying am Samstag sogar erst
um 22.00 Uhr.
Rückkehr
Auch wenn Singapur schon in den 1960er- und
70er-Jahren GP-Rennen erlebt hat: Das Spektakel, das am Sonntag auf dem
5,067 Kilometer langen Marina Bay Circuit gegen den Uhrzeigersinn durch die
Wolkenkratzer-Schluchten des Business-Distriktes in Szene geht, wird wohl
einzigartig. Auch wirtschaftlich dürfte sich die "Image-Kampagne" trotz
Ausgaben von 75 Mio. Euro für die boomende Asien-Metropole lohnen. 100.000
Zuschauer, davon 40.000 ausländische Fans, spülen rund 100 Mio.
Singapur-Dollar (48,4 Mio. Euro) in die Stadtkasse.
Spektakel
Fast alles in Singapur ist Neuland für die Formel 1.
Aber ein Spektakel scheint garantiert. Denn im Gegensatz zu Monaco werden
auf dem berühmten Raffles-Boulevard über 300 km/h erreicht, dafür verengt
sich die Strecke bei der historischen Anderson-Bridge auf zehn Meter.
Besonderer Gag: In der Marina Bay fahren die Autos unter der großen
Haupttribüne durch und danach am höchsten Riesenrad der Welt, dem
Singapur-Flyer, vorbei.
"Das ist die spektakulärste Streckenmischung, die es je in der Formel 1 gab. Die Premiere in Singapur wird nach meiner Erwartung der Saison-Höhepunkt", zeigte sich auch BMW-Motorsport-Direktor Mario Theissen schon im Vorfeld begeistert.
Heller als die Sonne
Die Piloten fürchten weniger das ungewohnte
Flutlicht. Denn die von doppelt ausgelegten Stromgeneratoren abgesicherten,
1.600 Strahler mit jeweils 3.000 Lux und einem Gesamtverbrauch von über drei
Mio. Watt leuchten die Piste heller aus, als es die Sonne kann. Und das
zudem schattenfrei. Verwendet werden leuchtende Flaggen und Helme mit
Anti-Reflexionsvisieren.
Denn während die meisten Fahrer den neuen Straßenkurs ohnehin bereits zu Hause auf dem Simulator probten, gibt es vielmehr Bedenken wegen des auf der Tropeninsel fast sicher scheinenden Regens und der dann befürchteten Lichtreflexionen. Das kann bei 175 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit durchaus gefährlich werden.
Doppelter Jetlag
Vor allem aber das ungewohnte "Verbot", sich an
die Ortszeit gewöhnen zu dürfen, verlangt dem Tross alles ab. Viele Fahrer
reisten daher relativ spät an, müssen sie doch am Rennwochenende bis spät in
die Nacht hinein wach bleiben, dafür bis am frühen Nachmittag schlafen. Die
Hotelzimmer im abgeschotteten Wohntrakt werden abgedunkelt, die Telefone
stillgelegt. Denn für die meisten Piloten wird stets erst um halb vier und
die Mechaniker wohl erst gegen sieben Uhr früh "Dienstschluss" sein.
Humor
Die Fahrer begegnen dieser Herausfordeurng mit
verschiedenen Rezepten, auf jeden Fall mit viel Humor. "Ich werde jeden
Abend in Nachtclubs gehen und viele Karotten essen, denn dann sieht man im
Dunkeln angeblich besser", witzelte etwa der Red-Bull-Schotte David
Coulthard.
Kimi hofft auf Wunder
Dem Party-Liebhaber und Weltmeister Kimi
Räikkönen könnten ausgerechnet die ungewöhnlichen Umstände zu jenem "Wunder"
verhelfen, das der Finne nach eigenen Aussagen benötigt, um im 15. von 18
Saisonläufen doch noch in den Titelkampf eingreifen zu können. "Ich
schlafe ohnehin gerne lange und bin am Abend in Hochform. Singapur ist der
ideale Platz für mich", ulkte der Ferrari-Pilot.