Sportlicher Vorteil
FIA begründet endlich das 100-Mio-Urteil
14.09.2007
Mit fast 24-stündiger Verspätung hat die FIA die Begründung für die "Jahrhundert-Strafe" gegen McLaren veröffentlicht.
Die Formel 1 war am Freitag nach der vermutlich härtesten Strafe ihrer Geschichte in Aufruhr. Der Automobil-Weltverband FIA hatte das Spitzenteam McLaren-Mercedes am Donnerstagabend in Paris für die Spionage-Affäre mit dem Ausschluss aus der Konstrukteurs-WM und dem Abzug von 100 Millionen US-Dollar (72 Mio. Euro) bestraft. Einen Tag später begründete die FIA ihr Urteil auf 14 Seiten. Ein Transkript aller Anhörungen wird kommende Woche veröffentlicht.
Lesen Sie hier: Die härtesten Strafen in der F1
Neue Beweise
Die aktuelle Urteilsbegründung bestätigte, was im
Vorfeld bereits bekanntgeworden war. Als neue Beweise nannte die FIA belegte
Kontakte zwischen den Auslösern der Affäre, Ex-Ferrari-Chefmechaniker Nigel
Stepney sowie Ex-McLaren-Chefingenieur Mike Coughlan, sowie zum Teil
brisante E-Mails von McLaren-Fahrern. Laut Einschätzung des FIA-Weltrates
haben geheime Ferrari-Informationen McLaren "einen signifikanten sportlichen
Vorteil" beschert. Das dementiert das verurteilte Team und zieht einen
Protest in Erwägung.
Verräterische E-Mails
Der Weltverband veröffentlichte
allerdings E-Mails die belegen, wie gut Weltmeister Fernando Alonso und
Testfahrer Pedro de la Rosa über den neuen Ferrari Bescheid gewusst haben.
Diese hatten die Piloten dem Weltverband auf Anfrage zur Verfügung gestellt
und dafür Straffreiheit in Aussicht gestellt bekommen. Sonst wären auch die
Fahrer bestraft worden, denn De la Rosa und Alonso hatten sich unter anderem
über die Gewichtsverteilung des neuen Ferrari sowie ein Gas in dessen Reifen
- angeblich CO2 - unterhalten.
Lesen Sie hier: Die Chronologie der Spionage-Affäre.
Die FIA zitierte etwa ein E-Mail von De la Rosa an Coughlan vom 21. März 2007: "Hi Mike, weißt du die Gewichtsverteilung des roten Autos? Es wäre sehr wichtig für uns, wenn wir sie im Simulator testen könnten." Vier Tage später versicherte De la Rosa in einer Nachricht an Alonso: "Alle Informationen von Ferrari sind sehr zuverlässig. Sie kommen von Nigel Stepney, ihrem ehemaligem Chefmechaniker. Derselben Person, die uns gesagt hat, dass Kimi (Räikkönen) in Australien in der 18. Runde an die Box kommt. Er ist ein Freund von Mike Coughlan und hat ihm das erzählt."
Polizei-Ermittlungen
Zudem hatte die italienische Polizei
zwischen 11. März und dem 3. Juli von 288 SMS und 35 Telefonkontakten
zwischen Stepney und Coughlan berichtet. Damit dokumentierte die FIA, dass
McLaren vertrauliches Material besessen und demnach Artikel 151(c) des
Internationalen Sport-Codes gebrochen habe. Beweise, dass die Ferrari-Daten
direkt im eigenen Auto verwendet worden sind, müsse man nicht erbringen. Das
will McLaren nicht auf sich sitzen lassen und erwägt nun rechtliche Schritte.
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So wird die Strafe bezahlt
Finanziell scheinen die 100 Mio.
Dollar, die nicht direkt, sondern über gestrichene Forderungen einbezahlt
werden müssen, für das florierende Team allerdings verkraftbar zu sein. "Das
werden sie überleben", meinte Ex-Pilot Gerhard Berger. "Wir haben als
Ausgleich die Einnahmen für die Punkte, die wir bisher geholt haben. Das
wird die Summe auf dem Scheck, den wir unterschreiben möglicherweise
halbieren, falls wir die Strafe überhaupt akzeptieren", erklärte
McLaren-Teamchef Ron Dennis.
Kritik von Lauda
Ex-Weltmeister Niki Lauda kritisierte das
"extrem harte Urteil" und befürchtet einen nachhaltigen Imageschaden für die
Formel 1. "Ich habe noch nie in irgendeiner Sportart von einer solch hohen
Strafe gehört", betonte Lauda und teilte damit die Auffassung mehrerer
Experten. Die internationalen Zeitungen waren dagegen geteilter Meinung. Die
italienische "Tuttosport" etwa bezeichnete das Urteil als "Farce", weil
McLaren nur in der Konstrukteurs-WM bestraft worden war. Dort geht der Titel
nun mit Sicherheit an Ferrari.
Fahrer-WM gehört weiter McLaren
In der Fahrer-WM führt
allerdings weiter McLaren-Pilot Lewis Hamilton drei Punkte vor
Titelverteidiger Alonso, der am Freitag im Freien Training zum Grand Prix
von Belgien in Spa-Francorchamps der Schnellste war. Die Ferraris von
Räikkönen und Felipe Massa liegen vier Rennen vor Schluss bereits 18 bzw. 23
Punkte zurück. "Wir haben die besten Fahrer und das beste Auto und nun
wollen wir auch die WM gewinnen", hatte McLaren-Boss Dennis schon am Abend
der Urteilsverkündung leicht trotzig angekündigt.