Der Red-Bull-Motorsportchef spricht über die Corona-Krise und die Zukunft der Formel 1.
ÖSTERREICH: Waren Sie tatsächlich am Australien-GP-Absagewochenende in Melbourne?
Helmut Marko: Ja, ganze 14 Stunden. Ich bin am Freitag gelandet, an dem Tag haben sie den GP abgesagt. Dann bin ich sofort zurückgeflogen -über den Corona-Hotspot-Airport Dubai. Dort hat sich eine Unmenge an Leuten aller Nationen auf engstem Raum zusammengedrängt. Wenn man sich dort nichts einfängt, dann wüsste ich nicht, wo sonst.
ÖSTERREICH: Warum haben Sie sich das überhaupt angetan?
Marko: Ich habe gehofft, dass die Formel 1 ein Zeichen setzen kann. In Australien war der Wille der Veranstalter und der lokalen Behörde da, dass man fährt. Dann kam der positive Fall im McLaren-Team und Toto Wolff hat für das Mercedes-Team von seinem Boss Startverbot bekommen.
ÖSTERREICH: Red Bull wäre bis zum Schluss bereit gewesen, zu fahren?
Marko: Das wären wir. In Indianapolis 2005 (Streik wegen gefährlicher Reifen, d. Red.) waren drei Teams am Start. Ich glaub, wenn wir am Freitag rausgefahren wären, hätte sich ein Großteil auf die Strecke begeben. Die Stimmung am Rückflug war eigenartig - drei Viertel der Fluggäste waren Formel-1-Leute
ÖSTERREICH: Wie gehen Sie jetzt mit der Corona-Problematik um?
Marko: Erstens muss ich mich wundern: Im Supermarkt raufen sich die Leute um die Waren oder stehen dicht gedrängt an der Kasse. Aber wenn du draußen auf einem Platz zu dritt beisammenstehst, kommt ein Ordnungswächter und fragt, was da los ist. Verrückt.
ÖSTERREICH: Haben Sie die Situation unterschätzt?
Marko: Wir müssen alle damit umgehen. Und es gibt da zwei Herangehensweisen. Die der Engländer, die sagen: Je mehr Leute es haben, desto besser. Die anderen sagen wiederum, man muss aufpassen, dass die Infektionskurve nicht zu rasant steigt, weil nicht genug Notfallbetten da sind. Ich halte jedenfalls nichts davon, alles komplett abzuschotten. Die Risikogruppe ist sehr eingeschränkt. Da ist die Chance auf Todesfolge um einiges höher als bei einer normalen Grippe. Beim Rest ist der Verlauf viel harmloser.
ÖSTERREICH: Mit 74 Jahren zählen Sie vom Alter her zur Risikogruppe. Wie gehen Sie damit um?
Marko: Neben der Arbeit im Büro reagiere ich meinen Frust in der Forstwirtschaft mittels Motorsäge und dergleichen ab.
ÖSTERREICH: Denken Sie oft an Ihren verstorbenen Freund Niki Lauda?
Marko: Ja, natürlich. Der wäre nicht nur Risikopatient, der hätte überhaupt nicht reisen dürfen. Wie ich schon gesagt habe: Ich hab Niki immer im Hinterkopf und versuch gesund zu leben, mehr Fitness zu machen.
ÖSTERREICH: Haben Sie einen Plan, wie es in der Formel 1 für Sie weitergeht?
Marko: Noch arbeitet unsere Fabrik Vollgas. Nach der vorverlegten Sommerpause können wir hoffentlich wieder loslegen.
ÖSTERREICH: Welchen Saisonstart-Termin halten Sie für realistisch?
Marko: Baku am 7. Juni. Dieser GP ist weit weg, hat wenig Zuschauer und eine Diktatur, was in solchen Fällen hilfreich ist.
ÖSTERREICH: Wird sich der Österreich-GP am 5. Juli ausgehen?
Marko: Der muss sich ausgehen. Mitte Mai sollen unsere Marketing-Aktivitäten starten, wir lassen alle Planungen aufrecht.
ÖSTERREICH: Wie überbrücken die Red-Bull-Piloten die Corona-Krise?
Marko: Max Verstappen ist im E-Sport-Fieber, der fährt ein Rennen nach dem anderen. Alex Albon hält sich mit Konditionstraining fit. Allerdings macht ihm die Ausgangssperre in Monte Carlo Probleme. Da braucht er schon eine Begründung, wenn er von einem Haus zum anderen geht.
ÖSTERREICH: Was halten Sie eigentlich von der Entscheidung, die für 2021 geplanten Reglementänderungen auf 2022 zu verschieben?
Marko: Das ist sehr sinnvoll. Alle Teams müssen mit Einnahmen-Ausfall rechnen. Wenn fünf Rennen ausfallen, fallen 100 Millionen weg. Jetzt haben wir ein stabiles Reglement. Wenn wir das einfrieren, sinken die Kosten enorm, und die Reform würde dann unter die geplante Budget-Obergrenze fallen.
ÖSTERREICH: Fürs laufende Jahr heißt das?
Marko: Dass wir unsere Chance nützen wollen und mit Max um den Titel mitfahren.