Montreal-GP
Red-Bull-Jungstar Ricciardo siegt in Kanada
08.06.2014
Rosberg baute WM-Führung nach Hamilton-Out mit Platz zwei auf 22 Punkte aus.
Daniel Ricciardo (24) hat die Gunst der Stunde genutzt und seinen ersten Formel-1-Grand-Prix gewonnen. Während Mercedes in Kanada erstmals schwächelte, stürmte der Red-Bull-Pilot aus Australien am Sonntag in Montreal von Platz 6 zum Sieg und setzte sich nach einem packenden Finish vor WM-Leader Nico Rosberg im Mercedes sowie seinem Teamkollegen Sebastian Vettel durch. Lewis Hamilton fiel aus.
Der Sieg von Ricciardo hat der Formel 1 zwei Wochen vor dem großen Comeback in Österreich Platz zum Durchatmen gegeben. Denn nach sechs Mercedes-Erfolgen und fünf Doppelsiegen in Folge schien beim siebenten Saisonrennen in Montreal das nächste "Double" nur Formsache zu sein. Zumindest bis Halbzeit. Bis dahin führten die beiden aus Reihe eins gestarteten Silberpfeile von Leader Rosberg und Verfolger Hamilton 25 Sekunden vor dem Feld.
Dass am Ende erstmals in diesem Jahr aber auch die österreichische Hymne erklang, lag an Ricciardo und den technischen Problemen bei den bisher so überlegenen Silberpfeilen. Nach dem Boxenstopp registrierten Rosberg und Hamilton fast gleichzeitig Leistungsverlust und mussten ab da auf die 160 ERS-PS verzichten. Beide bekamen dadurch auch Bremsprobleme, Hamilton musste nach einigen wilden Attacken deshalb sogar aufgeben und seinen zweiten Saisonausfall hinnehmen.
Rosberg rettete mit viel Kampf wenigstens Platz zwei ins Ziel. "Ich hatte keine Ahnung, was los war. Ich bin nur noch Qualifying Runden gefahren, wusste nicht einmal, dass ich führe", sagte der Deutsche. In der WM hat er trotz der vier Saisonsiege von Hamilton nun 22 Punkte Vorsprung auf seinen englischen Teamkollegen.
Zum Mann des Tages avancierte aber Ricciardo. Das 24-jährige Supertalent aus Perth war zwar nur von Platz sechs gestartet, nutzte aber das Momentum. Der als Dritter losgefahrene Vettel hing hingegen 15 Runden hinter dem Force India von Nico Hülkenberg fest und wurde dann auch noch ungewollt früh zum zweiten Boxenstopp hereingeholt.
Damit blieb er auch hinter Ricciardo. Im Finish hatte der darob erzürnte Vierfach-Weltmeister wegen nachlassender Reifen keine Chance mehr - sondern vielmehr Riesenglück, dass ihn der wild attackierende Felipe Massa nicht ins Out mitriss wie den mexikanischen Unglücksvogel Sergio Perez.
"Ich bin glücklich über das Podium, aber heute wäre mehr drin gewesen", gab sich Vettel nach Platz drei zufrieden, aber auch kritisch. Dennoch gratulierte er artig: "Das ist Daniels Tag. Er war im richtigen Moment zur Stelle."
Ricciardo hatte in der packenden Schlussphase, in der wegen der Mercedes-Probleme acht Autos innerhalb von sieben Sekunden lagen, alles Glück auf seiner Seite. Rosberg, Perez, Ricciardo und Vettel kämpften da um den Sieg, dahinter gab es lange einen von Massa angeführten Vierkampf.
Aus dem Verfolger-Feld setzte sich Massa dank seines Mercedes-Motors im Williams ab, an Vettel kam er aber nicht vorbei. Vielmehr riss der Brasilianer den tapferen und mit Bremsproblemen kämpfenden Perez mit ins Verderben, als er in der letzten Runde so ungestüm attackierte, dass beide Autos mit Highspeed in der Begrenzung einschlugen. "Ich habe ihn im Rückspiegel gesehen und aufgemacht, sonst wäre ich auch dran gewesen", atmete Vettel auf.
Ricciardo hatte unmittelbar davor Perez überholt und auch die Rosberg-Probleme zum entscheidenden Überholmanöver genutzt. Gerade noch rechtzeitig, denn nach dem Unfall ging das Rennen über die letzten Meter unter Safety Car zu Ende.
"Ich bin immer noch unter Schock und werde das erst realisieren, wenn ich im Flieger zurück sitze", sagte der stets lachende Australier nach dem Sieg. "Das ging so schnell. Ich hatte keine Zeit mich an das Gefühl des Siegens zu gewöhnen."
Der Webber-Nachfolger hat Vettel heuer bisher klar den Rang abgelaufen. Obwohl ihm sein dritter Platz von Australien gestrichen worden ist, liegt er in der WM auf Platz drei. "Das Auto war fantastisch und ich war im richtigen Moment zur Stelle", gab Ricciardo zu. "Jetzt freue ich mich auf Österreich. Dort will ich auch auf das Podium."
Bei Mercedes musste man in Kanada die erste "Ohrfeige" verdauen. "Solche Dinge passieren leider", sagte Aufsichtsrat Lauda seufzend und lobte Rosberg. "Er ist praktisch nur mit dem Benzinmotor gefahren, so gesehen war seine Leistung enorm."
Im WM-Titelkampf könnte in Kanada aber eine erste Vorentscheidung gefallen sein. 22 Zähler Vorsprung hatte bisher noch keiner der beiden dominierenden Silberpfeil-Fahrer. "Es ist kein schönes Gefühl, keine Bremsen zu haben", ärgerte sich Hamilton.