Die Anspannung ist groß genug und die Atmosphäre im Duell um den Formel-1-WM-Titel vergiftet.
Einen Vorgeschmack wird es schon am Donnerstag geben, wenn die beiden Ex-aequo-Anwärter Lewis Hamilton und Max Verstappen bei der Pressekonferenz vor dem Großen Preis von Abu Dhabi nebeneinander sitzen werden. Nicht wenige Beobachter fürchten, die letzte Konfrontation auf der Strecke in diesem Jahr wird mit einem finalen Crash enden. "Es wird aufregend", sagte Verstappens Vater Jos.
"Er wird alles versuchen, um den Sieg zu holen, das ist sicher", kündigte der ehemalige Formel-1-Pilot an. "Das wird ein absoluter Wahnsinns-Kampf, der eventuell auch relativ schnell vorbei sein kann", befürchtet der deutsche Rennfahrer Timo Glock. Nicht wenigen fällt in dem Zusammenhang der Zoff zwischen Alain Prost und Ayrton Senna ein, die sich 1989 und 1990 jeweils in die Autos fuhren. Oder auch Michael Schumacher, der 1994 nach einem Crash mit Damon Hill und dem Aus von beiden erstmals Weltmeister wurde und drei Jahre später mit seinem Rammstoß gegen den späteren Titelträger Jacques Villeneuve für die eigene Saison-Disqualifikation sorgte.
Das Hass-Duell der Gegensätze
Es ist ein Duell der Gegensätze, die größer kaum sein könnten. Auf der einen Seite ist Verstappen, 24 Jahre alt, der bisher keinen Titel und auch keine der Nachwuchsserien gewonnen hat (außer im Kart-Bereich). Äußerungen zu Themen abseits des Motorsports sind von ihm so gut wie nicht zu bekommen. Sein Gegner ist Hamilton, 36 Jahre alt, siebenmaliger Weltmeister, 103-maliger Grand-Prix-Gewinner, 103-maliger Polesitter. Die Bilanz des Briten hat die Wahrnehmung des bis dahin für möglich Gehaltenen verändert. Aus dem einst liebeskranken Piloten mit großen Leistungsschwankungen wurde zudem ein Wortführer im Kampf um Menschenrechte und gegen Rassismus.
Der Startschuss zum packenden Tête-à-tête fällt am Sonntag um 17.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MEZ/live ORF 2 und Sky) auf dem Yas Marina Circuit. Mit jeweils 369,5 Punkten werden die Kontrahenten in den Großen Preis von Abu Dhabi starten. Diese Ausgangslage gibt es erstmals seit 1974 und zum zweiten Mal überhaupt in der Formel-1-Historie. Scheiden beide aus, ist Verstappen der neue Champion, da er bis dahin mehr Siege herausgefahren hat - neun gegenüber Hamiltons acht. "Es wird ein spannendes Rennen, und wir möchten die Saison auf die beste Art und Weise beenden", betonte Verstappen.
Renn-Entscheidung statt Jury-Kammerl
Was allerdings niemand will, ist eine sich hinziehende WM-Entscheidung in einem Jury-Kammerl, zumal die FIA-Verantwortlichen um Renndirektor Michael Masi nach dem Großen Preis von Saudi-Arabien in der Vorwoche schon heftig in der Kritik stehen. Der Australier Masi, dem erratische Entscheidungen ohne erkennbare, durchgängige Linie vorgeworfen werden, wird in Medienberichten sogar die baldige Absetzung prophezeit. In Jeddah fuhr Hamilton Verstappen ins Heck, nachdem dieser die Geschwindigkeit auf untypische Weise reduziert hatte.
In puncto aggressive Fahrweise nehmen sich die beiden Streithähne nicht viel, Verstappen hat aber mehr Strafpunkte ausgefasst. Gemeinsam mit seinem Red-Bull-Teamkollegen Sergio Perez steht der Niederländer im Fahrer-Ranking diesbezüglich auf Platz zwei, mehr hat nur der Japaner Yuki Tsunoda im AlphaTauri gesammelt. Sorgen vor einem Unfall macht sich Hamilton deswegen aber nicht. "Ich fürchte nicht das, was vielleicht gar nicht passiert", sagte der Mercedes-Star. "Solchen Gedanken gebe ich gar keinen Platz."
Zwölf Mal wurde bisher auf dem Yas Marina Circuit gefahren. Dreimal wurde dort der Titel vergeben: 2010 an Sebastian Vettel, 2014 an Hamilton, 2016 an Nico Rosberg. Die meisten Siege holte Hamilton auf dem Kurs mit fünf (2011, 2014, 2016, 2018, 2019), Verstappen gewann voriges Jahr. Seitdem sind auf dem Kurs einige Veränderungen vorgenommen worden.
"Es gibt neue Streckenabschnitte, die wir lernen und verstehen müssen, und das bedeutet für alle einen Schritt ins Ungewisse", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Das letzte Saisonrennen wird intensiv, aber es ist wichtig, sich nicht ablenken zu lassen, einen kühlen Kopf zu bewahren und mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, damit wir erneut die Performance abliefern können, die wir beim letzten Mal erbracht haben."
Der ORF berichtet live vor Ort, auch das Duo Ernst Hausleitner und Alexander Wurz wird aus Abu Dhabi kommentieren. Aufgrund des Ski-Rennens in Val d'Isere wird die Übertragung aber auf ORF 2 über den Schirm flimmern.