Toto Wolff über WM-Thriller, Streit mit Red Bull und Gerüchte um seine Fahrer.
ÖSTERREICH: Toto, wie erleben Sie das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Hamilton und Verstappen?
TOTO WOLFF: Das macht richtig Spaß. In den letzten Jahren haben wir den Maßstab gesetzt, jetzt ist es ein Schlagabtausch auf Augenhöhe mit Red Bull.
ÖSTERREICH: Im ORF-Magazin „Formel 1 ¬Motorhome“ wurden die Seher gefragt, ob sie Verstappen zutrauen, Hamilton abzufangen …
WOLFF: Und, was sagen die Zuseher?
ÖSTERREICH: 62 Prozent trauen es Verstappen noch zu. Was sagen Sie dazu?
WOLFF: Na super. Ich setze natürlich auf meinen Piloten. Wobei die Gschicht definitiv knapp ist.
Wolff: "Track-Limits sind fad"
ÖSTERREICH: Was wird die WM entscheiden: das beste Auto oder der beste Fahrer?
WOLFF: Die Autos haben verschiedene Stärken und Schwächen. Der Red Bull fühlt sich immer noch als das schnellere Auto über eine Runde an. Wobei die Kombination Hamilton und Mercedes über die Renndistanz zuletzt die Beste war.
ÖSTERREICH: Helmut Marko glaubt, dass Verstappen dank seiner Jugend Hamilton als Topfahrer ablösen wird.
WOLFF: Ich hab keine Glaskugel, wir sind ja erst drei Rennen gefahren. Der Sport ist ehrlich, und die Sache ist ganz einfach: Die Stoppuhr sagt immer die Wahrheit. Am Ende gewinnt der Schnellere.
ÖSTERREICH: Wenn wenn er keine Track-Limit-Strafe kassiert?
WOLFF: Die Track-Limits sind fad, weil der Zuschauer nicht versteht, warum Runden aberkannt werden. Für die FIA ist das eine Gratwanderung: Wenn die Leute beginnen, in Schikanen geradeaus zu fahren, wird es gefährlich. Ich wäre dafür, die Track-Limits nur bei Kurven mit Crashgefahr einzusetzen.
ÖSTERREICH: Da sind Sie sich überraschend einig mit Ihrem Hauptrivalen. Warum gibt es bei anderen Themen so viele Spannungen?
WOLFF: Ganz einfach: Red Bull wirbt Mitarbeiter ab mit dem Versprechen einer großen Zukunft. Ich sage: Die Zukunft ist nicht klar, da gibt es mehrere Szenarien. Es ist ganz normal, dass abseits der Strecke gekämpft wird. Den Fight um die besten Leute gibt’s überall.
ÖSTERREICH: Und wer setzt sich in Barcelona durch? Bei Red Bull meint man, dass Ihnen die Strecke mehr liegt.
WOLFF: Die haben die Glaskugel. Es bleibt ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Konstanz ist Hamiltons Schlüssel zum Erfolg
ÖSTERREICH: Hamilton kann mit seinem 6. Barcelona-Sieg Schumacher einholen. Zählen Sie seine Rekorde mit?
WOLFF: Nein. Das letzte Rennen war Imola, das ist für uns beide abgeschlossen. Jetzt zählt nur Barcelona. Auch wenn Lewis dort seine 100. Pole holt, schaut er keine Minute drauf. Seine Rekorde wird er erst hervor holen, wenn seine Karriere vorbei ist.
ÖSTERREICH: Dass Lewis fast immer besser ist als sein Teamkollege, spricht aber doch für sich. Was sagen Sie zu dem Gerücht, Bottas könnte noch während der Saison durch Russell ersetzt werden?
WOLFF: Nonsens. Bottas ist richtig gut, er kann es mit jedem im Feld aufnehmen. Und immer wieder ist er doch in der Lage, schneller als Lewis zu fahren, wie zuletzt im Portimao-Qualifying. Aber über die Konstanz ist Lewis verdient Weltmeister.
ÖSTERREICH: Spricht eigentlich irgendetwas dagegen, mit Lewis Hamilton schnell zu verlängern?
WOLFF: Wir konzentrieren uns jetzt auf die Meisterschaft und dürfen nicht die Augen vom Ball nehmen. Wenn irgendwann doch Zeit bleibt, werden wir über die Zukunft sprechen, was wir noch nicht begonnen haben.
Knut Okresek