ÖSTERREICH-Interview mit RB-Motorsportchef
Marko: 'Langsam werden wir nervös'
30.07.2020Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko über Corona und seine WM-Hoffnung trotz Mercedes-Dominanz.
Nach dem Ungarn-Renn-Wochenende klagte der Red-Bull-Motorsportberater über ein "fundamentales Problem" und "einen groben Hund" im neuen Boliden von Max Verstappen. ÖSTERREICH hakte nach...
ÖSTERREICH: Herr Marko, wissen Sie schon, wo der Hund bei Ihrem Auto begraben ist?
HELMUT MARKO: Wir sind in der Entwicklung ein paar Stufen weitergegangen, haben aber alles nur im Windkanal getestet, ohne einen Kilometer gefahren zu sein, weil wir das ja nicht dürfen. Adrian Newey (Red-Bull-Konstrukteur, Anm. d. Red.) ist gerade dabei, der Sache auf den Grund zu kommen. Aber die PS, die Mercedes über den Winter gefunden hat, sind ein anderes Kapitel.
ÖSTERREICH: Mercedes, heißt es, hätten in Ungarn 80 Prozent gereicht ...
MARKO: So ist das auch wieder nicht. Als Bottas gegen Max aufholen musste, haben sie ihm schon volle Power gegeben.
ÖSTERREICH: Das erklärte Saisonziel von Verstappen ist der WM-Titel. Wird er langsam nervös?
MARKO: Wir alle werden nervös. Aber das erste Rennen macht uns Hoffnung: Ohne den Ausfall wären wir bei der Musik. Nach dem Rückfall in Spielberg II und dem Qualifying in Ungarn hat Max mit seiner eigenen Abstimmung das Renntempo wieder gefunden.
ÖSTERREICH: Wie nützt Verstappen die Zeit zwischen den Rennen?
MARKO: Er arbeitet am Simulator, das ist schon ein Fortschritt. Aufgrund der Quarantäne-Bestimmungen in England war das bis jetzt nicht möglich, wodurch Nicht-Engländer klar im Nachteil waren.
ÖSTERREICH: Mit welchem Gefühl kommen Sie nach Silverstone?
MARKO: Der Kurs ist uns noch nie sehr gelegen, trotzdem sind wir weit davon entfernt, die Flinte ins Korn zu werfen. Irgendwann muss ja auch Mercedes Pech haben. Der komprimierte Kalender macht alles noch schwieriger.
ÖSTERREICH: Bei Ferrari klagen Crew-Mitglieder über eine Art Lagerkoller. Wie ist die Situation bei Red Bull?
MARKO: Angenehm ist es nicht bei all den Tests und Quarantäne-Bestimmungen. Aber besser so, als keine Rennen zu fahren.
ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen persönlich mit all den Unannehmlichkeiten?
MARKO: Weil ich beim Rennen eine Gleitsichtbrille trage, musste ich mir eine spezielle Atemtechnik angewöhnen. Und in der Hitze des Gefechts vergesse ich beim Trinken immer wieder, dass ich eine Maske aufhabe und schütte mich von oben bis unten an. Atmosphärisch stören die Masken mehr als die fehlenden Zuschauer. Aber mit dem Aufflammen der Infektionen müssen wir halt damit leben. Ich bin froh, dass ich dazwischen immer wieder nach Hause darf. Dann erhole ich mich im Wald. Für Mechaniker, die tagelang im Hotel eingesperrt sind, ist das weniger lustig.
Knut Okresek