Der Brite will beim Heim-GP von Titelkonkurrent Massa "bestmögliche Leistung" zeigen. Massa selbst gibt WM-Traum nicht auf.
Traum oder Trauma? Titelfavorit Lewis Hamilton kann beim Saisonfinale in Interlagos/Sao Paulo als jüngster und zudem erster dunkelhäutiger Formel-1-Weltmeister Grand-Prix-Geschichte schreiben - oder im Fall eines Scheiterns wie vor einem Jahr erneut zum tragischen Helden werden. "Wie heute war der Titelkampf damals offen und ich hatte meine Emotionen nicht so ganz im Griff. Ich wusste, dass ich entweder mit einem riesigen Erfolg oder einer großen Enttäuschung nach Hause fahren würde", erinnerte sich der McLaren-Mercedes-Mann im Vorfeld des Saisonfinales in Brasilien an den hauchdünn verpassten WM-Triumph.
Deja vu
2007 war der Engländer ebenfalls mit sieben Punkten
Vorsprung zum Finale nach Brasilien gekommen, doch diesmal soll es ein Happy
End geben. "Dieses Jahr bin ich viel besser vorbereitet, weil ich das Ganze
schon erlebt habe." Ferrari-Rivale Felipe Massa will im "wichtigsten Rennen
meines Lebens" vor eigenem Publikum seine Außenseiterchance nutzen und
versuchen, die Nachfolge seines finnischen Teamkollegen Kimi Räikkönen
anzutreten: "Ich gebe alles und hoffe, dass es zum WM-Titel reicht."
Konkurrenz ist groß
Läuft im Grand Prix von Brasilien am
Sonntag (Start: 18.00 Uhr MEZ/live ORF 1, RTL und Premiere) alles normal,
ist Hamilton der Titel aber nicht mehr zu nehmen. Ohne erneute
Technikprobleme, Fahrfehler oder Kollisionen ist ein erneuter K.o. auf der
Zielgeraden nicht möglich. "Ich denke nicht, dass Lewis blockiert wird. Aber
es gibt sicher Leute im Feld, die alles tun, um es ihm nicht einfach zu
machen, nicht nur die Roten", rechnet Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug
mit einem hartumkämpften Rennen. "Das wird kein Spaziergang."
Fünfter Platz reicht schon
Doch selbst wenn Massa (87
Punkte) seinen Heim-Grand-Prix gewinnen sollte, würde Hamilton (94) ein
fünfter Platz zum historischen WM-Titel reichen. Wird der Brasilianer nur
Zweiter, genügt dem Briten dank seiner erneut sieben Zähler Vorsprung sogar
ein siebenter Platz. Mit 23 Jahren, neun Monaten und 26 Tagen würde der
Kronprinz als jüngster Fahrer den Thron in der Königsklasse des Motorsports
besteigen. Dass er zudem der erste "schwarze" Weltmeister wäre, würde den
Silberpfeil-Star "sehr stolz" machen.
China-Leistung wiederholen
Noch exakt 305,909 km trennen Hamilton
vom ersehnten Triumph. "Ich muss diesen Grand Prix nicht unbedingt gewinnen,
will aber meine bestmögliche Leistung zeigen", meinte Hamilton zu seiner
Zielsetzung für den letzten WM-Lauf 2008 und verwies auf seine jüngste
Vorstellung in Shanghai, als er mit Pole Position, Sieg und schnellster
Rennrunde alles abgeräumt und Massas Titelträumen einen herben Dämpfer
versetzt hatte. Ein Sieg auf dem 4,309 Kilometer langen Berg-und-Tal-Kurs in
der Heimatstadt seines Rivalen wäre für Hamilton das berühmte Tüpfelchen auf
dem "i".
Britische und brasilianische Fans hoffen
Großbritanniens
Motorsport-Fans fiebern dem Finale entsprechend gespannt entgegen.
Schließlich wäre Hamilton der erste Weltmeister aus dem Vereinigten
Königreich seit Damon Hill vor zwölf Jahren. Hill stärkte seinem möglichen
Nachfolger demonstrativ den Rücken: "Das letzte Rennen ist nochmals eine
große Aufgabe, aber Lewis hat verstanden, welche Disziplin er braucht. Und
das wird für seinen Erfolg sorgen."
Noch länger als die Briten warten die nicht minder Motorsport-verrückten Brasilianer auf einen neuen WM-Helden. Der 1994 in Imola tödlich verunglückte Ayrton Senna hatte drei Jahre zuvor seinen dritten Titel geholt. Rein rechnerisch spricht aber kaum etwas dafür, dass bei den Südamerikanern am Sonntag Sambastimmung herrschen wird.
Ferraris Durchhalteparolen
"Felipe wird es schaffen", kündigte
Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali dennoch forsch an. Auch Massa will das
Unmögliche möglich machen: "Wir wissen, dass es hart wird, aber wir wissen
auch, dass es nicht unmöglich ist. Ich gebe nicht auf." An Unterstützung
seiner Fans wird es dem 27-jährigen Paulista jedenfalls nicht mangeln. Das
"Autodromo Jose Carlos Pace" ist längst ausverkauft.