Interview

Montoya: "Alonso wird Weltmeister"

03.11.2010

Neo-NASCAR-Star erzählt über sein neues Leben und gibt WM-Tipp ab.

Zur Vollversion des Artikels
© GEPA
Zur Vollversion des Artikels

Juan Pablo Montoya hinterließ in der Formel 1 einen bleibenden Eindruck. Sauschnell, aber oft über dem Limit - mit diesen Eigenschaften ließ er die Herzen seiner Fans höher schlagen, zog sich aber oft den Unmut seiner Gegner zu.

Seit vier Jahren ist der Kolumbianer in der NASCAR unterwegs, wo es mit härteren Bandagen zur Sache geht.

Im Interview erklärt Juan Pablo Montoya warum die Formel 1 viel steriler als die NASCAR ist und US-Fans den Stock Cars mehr abgewinnen können als den High-Tech-Boliden:

Frage: Juan Pablo, du bist am Ende deiner vierten vollen Saison in der NASCAR. Geht dir die Formel 1 ab?
Montoya: Im Moment überhaupt nicht! Ich fühle mich in der NASCAR richtig wohl und komme immer besser zurecht.

Frage: Verfolgst du das Geschehen in der Formel 1 immer noch?
Montoya: Ich schaue die Rennen im Fernsehen, wenn es sich zeitlich ausgeht. Das ist leider selten der Fall, da ich selbst fast jede Woche Rennen fahre und früh raus muss. Viele Grand Prix habe ich heuer nicht live gesehen.

Frage: Wen siehst du als nächsten Formel-1-Weltmeister?
Montoya: Nach den letzten Rennen sieht es verdammt nach Fernando Alonso aus.

Frage: Lewis Hamilton und Sebastian Vettel sind etwas in der Defensive. Immer wieder wurden sie heuer auch wegen ihres aggressiven Fahrstils kritisiert. Was sagst du als NASCAR-Fahrer dazu?
Montoya: Als Rennfahrer willst du natürlich allen zeigen, dass du es drauf hast. Man muss aber seine Gegner immer auch respektieren, was auch mir anfänglich sehr schwer gefallen ist.  Auch bei meinem Umstieg: Ich war es aus der Formel 1 gewohnt, auf Teufel komm raus zu fahren. Übertreiben darf man aber nie. In der NASCAR mit den langen Renndistanzen, kommt es aber ohnehin auf andere Qualitäten an.

Frage: In der Formel 1 hast du dir durch deine Aggressivität auf der Strecke einige Feinde gemacht. Wie sieht es mit Rivalitäten in der NASCAR aus?
Montoya: Wenn du hier jemanden aus dem Rennen schießt, kannst du dir sicher sein, dass sich derjenige irgendwann auf der Strecke revanchieren wird. Aber wenn du die Strecke verlässt, lässt du solche Rivalitäten hinter dir. Wir nehmen so etwas nicht mit ins Paddock. Was in der NASCAR auf der Stecke passiert, bleibt auf der Strecke!

Frage: Wie gehen die Fahrer mit den häufigen Crashes um?
Montoya: Das ist normal, du kannst ohnehin nichts dagegen tun. Wie gesagt, wenn du jemanden rausschießt, dann bekommst du es zurück.

Frage: Du kennst NASCAR und Formel 1 - worin liegt der größte Unterschied zwischen den beiden Rennserien abseits vom Renngeschehen?
Montoya: Um ehrlich zu sein, in der Formel 1 hast du überhaupt nie direkt mit Fans zu tun. Am nächsten kommst du deinen Anhängern noch am Morgen vor den Rennen bei der Fahrerparade! Und die ist meistens so früh, dass die Tribünen gerade einmal halb voll sind. Du winkst ihnen ein bisschen zu und das war's. In der NASCAR ist das ganz anders: Man ist viel näher an den Fans. Hier wirst du auch gnadenlos ausgebuht, aber das sagt dir wenigstens die Wahrheit. Da darf man nicht zimperlich sein. Je mehr sie mich auspfeifen, desto besser bin ich wohl!

Frage: Du hast heuer dein zweites Rennen gewonnen - wie den Debütsieg auf einem Rundkurs. Kommt dir da deine Rennerfahrung aus dem Formelsport in Europa entgegen?
Montoya: Ich glaube nicht. Die Autos sind so unterschiedlich zu fahren, da gibt es keine Gemeinsamkeiten.

Frage: Auf den Ovalen tust du dich schwerer. Welche Tugenden braucht es auf den Speedways?
Montoya: Es braucht in erster Linie Zeit. Ich bin seit vier Jahren in den USA und bin immer noch am Lernen. Die Umstellung aus dem Formelsport ist alles andere als leicht und du musst auch ein Team finden, dass die Zeit zum Lernen gibt. Erfolg kommt in der NASCAR nicht über Nacht.

Frage: Im dichten Rennkalender bist du beinahe jedes Wochenende im Einsatz. Wie anstrengend ist das für euch Fahrer?
Montoya: Die Saison ist wirklich sehr lang, aber man gewöhnt sich irgendwann daran. Die Anreise zu den Rennen ist aber nicht so anstrengend wie in der Formel 1, weil wir ja nur in den USA unterwegs sind. An den freien Tagen muss man aber schauen, dass man seinen Kopf frei bekommt und sich nicht mit Rennen beschäftigt.

Frage: Die Formel-1-Teams beschweren sich über den größten GP-Kalender aller Zeiten im nächsten Jahr mit 20 Rennen. Verstehst du die Bedenken?
Montoya: Ja, weil sie für jedes Rennen viel weiter reisen müssen. Da geht es viel länger als nur zwei, drei Stunden im Flugzeug. Sie müssen sich aber abseits des Sports aber auch um ihre Sponsoren um Werbeauftritte kümmern.

Frage: Die NASCAR fährt viel auf traditionellen Strecken Wie wichtig ist das für die Fans und die Serie?
Montoya: Tradition ist den Fans sehr wichtig. Viele von ihnen reisen jedes Jahr zu den selben Rennen und richten sogar ihre Urlaube danach aus. Es herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre und jeder freut sich das ganze Jahr darauf.

Frage: Die Formel 1 wendet sich immer mehr von den Traditionsstrecken ab und fährt in den "neuen Märkten" in Asien. Verkauft die F1 damit ihre Tradition?
Montoya: Ich würde es sich Verkauf nennen. Durch den Anspruch der Formel 1 müssen sie neue Märkte erschließen und sich irgendwann auch für größere Märkte und gegen traditionelle Strecken entscheiden.

Frage: Gibt es in der NASCAR irgendwelche Ambitionen für eine Erweiterung außerhalb der USA?
Montoya: Nicht das ich wüsste. Es gab vor ein paar Jahren ein Exhibition Race in Japan und die Nationwide Series fährt in Montreal. Es ist aber gar nicht der Anspruch der NASCAR international zu sein.

Frage: 2012 wagt die Formel 1 wieder den Sprung in die USA - nach Austin. Denkst du es gelingt diesmal in den Staaten Fuß zu fassen?
Montoya: Das ist sehr schwer einzuschätzen. Man wird abwarten müssen, wie die Fans nach den vielen Jahren Pause darauf reagieren. Ich finde die Rückkehr in die USA toll, aber ich kann nicht für alle sprechen. Aus irgendeinem Grund nehmen die Motorsport-Fans hier die Formel 1 nicht wirklich an. Vielleicht auch, weil sie sich mit den NASCAR-Autos mehr identifizieren können als mit den F1-Boliden.

Frage: Wie groß ist die Rolle der Technik in den NASCAR-Autos?
Montoya: Sie spielt eine große Rolle. Leute, die IndyCar oder Formel 1 schauen, denken über unsere Autos immer: "Oh mein Gott, da ist ja gar keine Technologie drin." Aber wenn du Mal hinter die Kulissen blickst, siehst du wieviel technische Entwicklungsarbeit dahinter steckt! Wir spulen Simulationen ab und arbeiten im Windkanal - es ist verrückt, wodurch man alles den Schwerpunkt des Autos oder die Balance beeinflussen kann.

Frage: Wer gewinnt die NASCAR?
Montoya: Der Favoritenkreis hat sich auf zwei Personen eingegrenzt: Jimmy Johnson und Denny Hamlin.

Frage: Jimmie Johnson hat die letzten vier Titel gewonnen. Was macht ihn zu so einem guten Fahrer?

Montoya: Er hat viel Erfahrung mit den Stock Cars. Darüber hinaus arbeiten er und seine Crew schon lange zusammen. Sie haben einfach die richtige Chemie gefunden, sodass alles einwandfrei läuft.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel