Wenn Red Bull sein Momentum über den Atlantik mitnehmen kann, wird der österreichisch-britische Rennstall auf dem Circuit Gilles Villeneuve in Montreal am Sonntag seinen 100. Formel-1-Sieg feiern.
Das haben vorher erst vier andere Konstrukteure - Ferrari, McLaren, Mercedes und Williams - geschafft. In der laufenden Saison wäre es der achte Red-Bull-Streich nach exakt so vielen Rennen. "Es ist immer schön, nach Montreal zurückzukehren", sprach die Vorfreude aus Max Verstappen vor dem GP von Kanada am Sonntag (ab 20 Uhr im Sport24-Liveticker).
Der Niederländer ist mit 40 für fast die Hälfte der bisher 99 Siege verantwortlich. In diesem Jahr holte der Weltmeister bis dato fünf Siege, sein Teamkollege Sergio Perez hält bei deren zwei. Die Dominanz von Red Bull ist dabei geradezu erschreckend: Von den vergangenen 26 Rennen hat Red Bull 23 gewonnen, Verstappen hat seit dem 48. Umlauf in Miami jede Grand-Prix-Runde angeführt. In Monaco triumphierte er mit 27 Sekunden Vorsprung, zuletzt in Spanien belief sich sein Guthaben auf 24 Sekunden. Das erklärt sich aber auch dadurch, dass der Mexikaner Perez in diesen beiden Rennen nach unerklärlichen Patzern nicht die direkte Verfolgung aufnehmen konnte.
Der Kurs in Montreal dürfte Red Bull mit seinem hohen Vollgas-Anteil entgegenkommen. "Die Strecke ist sehr einzigartig, weil man hier tatsächlich über Old-School-Kerbs fahren kann und auch die Landschaft ist ziemlich cool", meinte Verstappen, der im Vorjahr auf der Île Notre-Dame gewonnen hat. "Ich hoffe, dass wir an diesem Wochenende etwas Ähnliches erreichen können." Die Abstimmung des Autos erfordere "eine gute Balance zwischen der Geschwindigkeit auf der Geraden und der Fähigkeit, die Kerbs gut zu befahren. Wir müssen einen guten Kompromiss finden."
Mercedes will Aufwärtstrend fortsetzen
Mercedes, das zuletzt in Spanien mit Lewis Hamilton und George Russell beide Piloten auf das Podest brachte, rechnet bei der zweiten Nordamerika-Station in diesem Jahr nicht mit großen Sprüngen. "Wir denken nicht, dass wir uns an die Fersen von Red Bull heften werden", sagte Chefingenieur Andrew Shovlin und lieferte gleich die Erklärung: "Es gibt mehr Low-Speed-Kurven und ziemlich viel Vollgas auf den Geraden. Wir erwarten, dass es dort für uns schwieriger werden wird."
Nichtsdestotrotz halten die "Silberpfeile" noch einen Rekord, den ihnen Red Bull heuer abluchsen will: In der Saison 2016 gewann Mercedes mit Hamilton und Nico Rosberg, der schließlich mit fünf Punkten Vorsprung Weltmeister wurde, 19 von 21 Rennen. Um diese Bestmarke auszulöschen, müsste Red Bull 20 Siege schaffen.
Seit der Übernahme des Jaguar-Teams im Herbst 2004 hat Red Bull eine der fulminantesten Erfolgsstorys in der Formel 1 geschrieben. In nicht einmal 20 Jahren gelang der Aufstieg zum fünfmaligen Konstrukteurs-Weltmeister, dazu kamen sogar sechs Fahrer-Titel. Der 2022 verstorbene Firmengründer Dietrich Mateschitz sprach bei der Gründung von Red Bull Racing vom "Höhepunkt unseres Motorsport-Engagements". Der Steirer sollte damit auch die Motorsport-Tradition in Österreich beflügeln. Nach der Übernahme des ehemaligen Österreich-Rings in Spielberg wird diese seit 2014 jedes Jahr beim rot-weiß-roten Rennen auf dem - nomen est omen - Red Bull Ring zelebriert. Heuer wird dort von 30. Juni bis 2. Juli gefahren.
Seit 2007 siegen Bullen für Österreich
Erstmals als eigenes Team nahm Red Bull 2005 in Melbourne bei einem Grand Prix Aufstellung. Die Fahrer hießen David Coulthard und Christian Klien. Eher wankelmütig war man in den Anfangsjahren in Sachen Motor unterwegs: Von Cosworth folgte der Sprung zu Ferrari, danach der Wechsel zu Renault. Ab 2007 fährt Red Bull mit österreichischer statt mit britischer Lizenz, weshalb im Falle des Sieges zuverlässig die Bundeshymne erklingt.
Das erste Mal geschah das Red Bull zu Ehren 2009 in Shanghai, als Sebastian Vettel vor seinem Teamkollegen Mark Webber gewann. Der Deutsche feierte insgesamt 38-Grand-Prix-Siege für den Austro-Rennstall, avancierte 2010 mit knapp über 23 Jahren zum jüngsten Formel-1-Weltmeister und holte noch drei weitere Titel. In diesem Aspekt hat er Verstappen, der bis jetzt zweifacher Champion ist, noch etwas voraus. Neben dem Weltmeister-Duo gelang es in all den Red-Bull-Jahren übrigens nur Webber (9 Siege), Daniel Ricciardo (7) und Perez (5), als Grand-Prix-Sieger ihre Spuren zu hinterlassen.