Interview
Vettel jetzt "kompletterer Fahrer"
12.03.2010
Red Bull-Teamchef Horner lobt seine WM-Hoffnung vor dem Saisonstart.
Red Bull ist schnell, für manchen Experten zum Auftakt sogar das schnellste Team der Formel 1. Christian Horner hat den österreichisch-englischen Erfolgsrennstall seit 2005 als Teamchef entscheidend mitaufgebaut. Im Interview sprach der 36-jährige Brite vor dem Saisonstart in Bahrain über die gestiegene Erwartungshaltung, die Vorzüge seiner Piloten und darüber, warum Erfahrung unersetzlicher Teil des Lebens ist:
Frage: Die Ansprüche bei Red Bull sind nach der so erfolgreichen Vorsaison
offensichtlich höher geworden. Ihre Erwartungen an Sebastian Vettel und
Mark Webber?
Horner: "Beide haben 2009 eine unglaublich starke
zweite Saisonhälfte gehabt. Wir müssen dieses Level halten und wollen den WM-Titel.
Wir sind das einzige Topteam, das die Fahrerpaarung nicht gewechselt hat.
Unser Programm steht auch für Kontinuität."
Frage: Das Auto ist eine Evolution des Vorjahresmodells. Wie sehr
kann man noch vom Vorsprung profitieren?
Horner: "Wir sind sehr
zuversichtlich, dass wir etwas mitnehmen können. Aber man darf
Schwergewichte wie McLaren und Ferrari niemals unterschätzen. Dazu gibt es
andere sehr konkurrenzfähige Teams. Wir sind optimistisch, aber nicht
überoptimistisch. Wichtig ist die Weiterentwicklung im Lauf der Saison."
Frage: Sind die Autos technisch bereits ausgereizt, oder könnte die Entwicklung
ein Schlüsselfaktor in der WM werden?
Horner: "Der
Vorderreifen ist signifikant schmäler geworden, dazu kommt das
zusätzliche Gewicht wegen fehlender Tankstopps. Da haben wir noch sehr
viel zu lernen. Die Rate im Winter war enorm, aber wir haben immer noch viel
Entwicklungsarbeit vor uns. Die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung wird
die WM entscheiden. Zwischen dem Auto das wir jetzt haben, und dem, das wir
am Saisonende haben werden, liegen ein bis zwei Sekunden."
Frage: Im Vorjahr hat Ihr Team womöglich der Doppel-Diffusor von
Brawn um die WM-Chance gebracht. Was macht Sie zuversichtlich, dass das neue
Reglement keine derartigen Schlupflöcher lässt?
Horner:
"Das ist schwierig zu sagen, wenn man noch nicht weiß, was genau
die anderen Autos fahren. Es ist blanke Ironie, dass die Teams, die im
Vorjahr noch Pioniere waren, diese Technik heuer verbieten lassen wollten.
Die Leistung hat sich mit dem Doppel-Diffusor jedenfalls dramatisch
gesteigert."
Frage: Hat der Diffusor Ihren Team den WM-Titel gekostet?
Horner:
"Jenson Button hat sechs der ersten sieben Saisonrennen gewonnen,
danach kein einziges mehr. Das demonstriert schon die Stärke dieses Teils.
Der Doppel-Diffusor hat der Meisterschaft geschadet. Wenn man sich die
Punkte ab dem ersten Rennen, bei dem wir eine ähnliche Lösung gehabt haben
(7. WM-Lauf in der Türkei/Anm.), ansieht, wären wir sehr gut dabei
gewesen."
Frage: Grob gesehen können heuer acht Fahrer Weltmeister werden. Was sind
die speziellen Vorzüge Ihrer beiden Piloten?
Horner:
"Sebastian geht in sein drittes volles Jahr in der Formel 1. Er hat
eine sehr gute Vorsaison hingelegt, nun hat er auch die nötige Erfahrung.
Vettel ist jetzt ein kompletter Fahrer. Er hat alles, um Weltmeister zu
werden, Mark Webber auch. Der ist körperlich viel besser vorbereitet
als im Jahr davor und hat zwei Rennen gewonnen. Das hat sein Selbstvertrauen
auf eine neue Ebene gehoben."
Frage: Sie haben die Erfahrung von Vettel angesprochen. Hat ihm die noch
zum WM-Titel gefehlt?
Horner: "Erfahrung kann man nicht
substituieren, sie ist ein Teil des Lebens. Das ist das Gleiche im
Motorsport, aber auch in allen anderen Sportarten. Das sind Dinge, die kann
einem niemand abnehmen. Erfahrungen muss man machen, aber Sebastian ist sehr
aufnahmefähig. Auch als Team kann man immer lernen - sogar nach einem
so starken Jahr wie dem vergangenen."
Frage: Was ist Ihre langfristige Strategie, um das Team auf diesem hohen
Level zu halten?
Horner: "Unser Ziel ist es, Titel zu gewinnen.
Das wird es immer sein, das ist das ultimative Ziel. Wenn wir das einmal
erreicht haben, wollen wir es wieder tun. Wir wollen unsere erfolgreiche Strategie
so gut wie möglich beibehalten. Wir haben gute Leute, mit denen wir
weiterarbeiten wollen."
Frage: Renault ist weiterhin Motorenpartner. Bleibt das auch so, sollte
sich deren Werksteam einmal aus der Formel 1 zurückziehen?
Horner:
"Das kommt auf die Leistung der Ingenieure und den Service, den sie
bieten, an. Sie waren immer sehr ehrlich zu uns, was die Zukunft betrifft.
Wir haben ein gutes Verhältnis. Am Ende kommt es aber auf die Qualität
des Produktes an."
Frage: Stimmt die Qualität des Produktes?
Horner: "Die
Motorenentwicklung ist eingefroren worden. Das Problem dabei ist, dass das
zu einem fixen Zeitpunkt (2007/Anm.) passiert ist, von dem an die Vor- und
Nachteile anhaltend sind. Renault hat das Reglement im Gegensatz zu anderen
sehr wörtlich genommen. Wir waren dadurch offensichtlich gegenüber den
mit Mercedes-Motoren ausgestatteten Teams im Nachteil."