Doping-Prozess
Aufschrei nach Matschiner-Aussagen
13.08.2010
Ex-Sportler Schmölzer und Konrad fordern Reaktionen aus dem Sport.
Einen Tag nach der ersten Verhandlung im Doping-Prozess gegen Stefan Matschiner hat es in Österreich einen förmlichen Aufschrei wegen einiger Aussagen des früheren Sportmanagers gegeben. Vor allem dem vierfachen Ruder-Weltmeister Christoph Schmölzer (48), heute Arzt und Familienvater, sowie dem früheren Leichtathleten und Marathon-Veranstalter Wolfgang Konrad ist deshalb der Kragen geplatzt. Schmölzer nannte die Matschiner-Aussagen ein "Ablenkungsmanöver von krimineller Geschäftemacherei". Konrad pflichtete dem bei: "Das unterschreibe ich sofort!"
Ex-Radprofi
Matschiner, der auch den des Dopings überführten
Ex-Radprofi Bernhard Kohl "betreut" hatte, hatte am Donnerstag am Wiener
Straflandesgericht u.a. behauptet, Doping stehe in der Welt des
Spitzensports an der Tagesordnung wie das Frühstück, werde nicht nur
akzeptiert, sondern bis in höchste Sportfunktionärskreise sogar gedeckt.
Ex-Ruderer Schmölzer sieht in diesen Aussagen eine ungeheuerliche pauschale
Behauptung des sogenannten Sportmanagers Matschiner, die offenbar vom
individuellen, gesundheitsgefährdenden und betrügerischen Fehlverhalten
einiger weniger ablenken soll. "Sie rücken den gesamten österreichischen
Sport in die Nähe des Dopings und sollen offenbar von der kriminellen
Energie mafioser Geschäftemacher und skrupelloser Mediziner ablenken."
Dreimal Weltmeister
Schmölzer war Anfang der 1990er-Jahre dreimal
Weltmeister im LG-Doppelvierer und ruderte davor im Doppelzweier mit Walter
Rantasa zu Gold, Konrad war 1980 Olympia-Teilnehmer und mehrmals
Weltranglisten-Dritter über 3.000 Meter Hindernis. Beide sind heute
geschäftlich erfolgreich und dem Sport weiter eng verbunden. Doppeldoktor
Schmölzer ist Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, in der
zahnärztlichen Kommission der NADA und seit 10. Juni auch Vorstandsmitglied
des Vereins" Karriere Danach". Konrad organisiert und veranstaltet höchst
erfolgreich u.a. den Vienna City Marathon.
"Emotional und fachlich"
Beide sind aber auch
Familienväter und fühlen sich daher nicht nur "emotional und fachlich"
(Schmölzer) be- und getroffen. Doping sei ein hohe Gewinne bringendes
Geschäft, das meist von Personen betrieben wird, die nicht aus dem Sport
kommen, betonte Schmölzer. "Doping gefährdet die Gesundheit, kann sogar
lebensgefährlich sein und ist ein Betrug am gesamten Sport.
Verantwortungslose Mediziner und Manager gehören strengstens bestraft. Wir
dürfen nicht zulassen, dass sie ihre Verantwortung mit völlig unhaltbaren
Pauschal-Behauptungen herunterspielen", so der Wiener.
Aufklärung und Zusammenarbeit
Damit Sportler verbotene
Mittel bekämen, bräuchten sie Dealer, also Geschäftsleute, betonte
Schmölzer. Ärzte, die bei Doping helfen, seien bestenfalls Mediziner und
keine Ärzte. "Da gibt es einen Eid", so Schmölzer, selbst Vater eines
15-jährigen, angehenden Ruderers. Aufklärung und Zusammenarbeit - auch mit
den Eltern - sei Gebot der Stunde. Dass Matschiner den gesamten Sport mit
unbewiesenen Behauptungen in Misskredit bringen könne, gefährde den
Idealismus, die Berufsaussichten und die Zukunftsperspektiven von
hochbegabten jungen Menschen.
Radsporttalent
Hier hakte auch Konrad, dessen 18-jähriger Sohn
Patrick eines der Radsporttalente Österreichs ist, ein. "Warum fragt sich
nach solchen Aussagen niemand, wie der Dopingkonsum finanziert wird? Wieso
lassen alle Kohls Aussagen und jene von Matschiner einfach so unreflektiert
stehen und bringen damit das ganze Land pauschal in Verdacht?", kritisierte
Konrad und forderte Reaktionen: "Wo sind jetzt alle alle anderen Sportler,
die Verbands-Präsidenten, wo ist der Sportminister?"
Drogenkriminalität
Konrad hat in diesem Zusammenhang auch
ärgste Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Olympic Youth Games (YOG), deren
erste Auflage am Samstag in Singapur beginnen. "Selbst die Soko Doping hat
festgestellt, dass die Strukturen im Doping ähnlich jenen in der
Drogenkriminalität sind. Dort werden die Süchtigen immer jünger, weil die
Beschaffungs-Kriminalität neue Märkte braucht", erklärte Konrad. Selbiges
passiere nun auch im Spitzensport. Mit Veranstaltungen wie den YOG beginne
der Druck für junge Sportler noch früher. Konrads Horror-Szenario: "Die
Strukturen verschieben sich altersmäßig nach unten, wie in der Drogenszene
eben. Dem Wahnsinn wird ein neuer Markt zugeführt. Das ganze ist eine
Schnapsidee!"