Porträt
Aufstieg und Fall von Bernhard Kohl
25.05.2009
Niederösterreicher gelang Durchbruch mit Platz 3 bei der Tour de France, kurz darauf wurde er als Dopingsünder entlarvt.
Bernhard Kohl, Wolkersdorfer mit Wohnsitz in Klagenfurt, war im Juli 2008 praktisch aus den Nichts zum österreichischen Sporthelden aufgestiegen. Nach mehreren Top-Ten-Plätzen auf Bergetappen der Radrundfahrt Tour de France und im abschließenden Zeitfahren ließ er sich am 27. Juli vor Hunderttausenden Fans auf den Pariser Champs Elysees als Gewinner des rotgepunkteten Bergtrikots (als erster Österreicher) und Gesamt-Dritter feiern. In drei Jahren wolle er selbst ganz oben stehen, kündigte Kohl an. Stattdessen wurde er des Dopings überführt, gesperrt und beendete am Montag seine Karriere.
Mit Ehrungen überhäuft
Als Kohl nach der Tour de France
in die Heimat zurückgekehrt war, wusste sich der zurückhaltend wirkende
Radprofi vor Terminen kaum zu retten. In seinem Heimatort wurde er in
Anwesenheit des Landeshauptmannes von Tausenden Fans gefeiert, in Wien bekam
er den Goldenen Rathausmann, die Wahl zum österreichischen Sportler des
Jahres hatte er gewonnen, wenngleich offiziell noch nicht bekanntgegeben.
Der Aufstieg in den erlesenen Kreis jener Fahrer, die für Siege in großen
Rundfahrten infrage kommen, eröffnete Kohl auch lukrative
Berufsperspektiven. Er unterschrieb beim Rennstall Silence-Lotto einen
Drei-Jahres-Vertrag, der ihn unter die Spitzenverdiener des heimischen
Sports einreihte.
Tiefer Fall
Der ebenso rasante wie tiefe Fall des
Kletter-Spezialisten folgte zweieinhalb Monate nach der großen Ehrung in
Paris. Bei einer nachträglichen Kontrolle der Blutproben wurde auch bei Kohl
das EPO-Derivat CERA entdeckt. Für den heimischen Radsport war es der
"Supergau", der Sportler verlor den Boden unter den Füßen. "Doping ist
Betrug, bei mir war die Versuchung nie da", hatte Kohl nach der Tour noch
erklärt. "Wie der Radsport gegen Doping ankämpft, ist einzigartig, die
Kontrollen sind sehr hart. Wer betrügt, wird auch erwischt", sagte der
gelernte Rauchfangkehrer in einem Interview. Dass es ihn selbst auch
erwischen könnte, damit rechnete er wohl nicht. Jetzt sagt er: "Ich habe
freiwillig gedopt - in einem System, in dem du ohne Doping nicht gewinnen
kannst."
Reihe von Geständnissen
Am 15. Oktober 2008 lieferte Kohl
unter Tränen ein Dopinggeständnis ab, sprach davon, der Versuchung erlegen
zu sein. Von der Nationalen Anti-Doping-Agentur wurde er zwei Jahre
gesperrt. Im März diesen Jahres weitete er sein Dopinggeständnis aus. Er gab
zu, jahrelang gedopt zu haben, und belastete seinen ehemaligen Manager
Stefan Matschiner schwer. Zudem gab er an, Kunde von Humanplasma gewesen und
bei der Anschaffung einer Blutzentrifuge finanziell beteiligt gewesen zu
sein. Sein Wissen gab er an die Behörden weiter, nun steht Kohl auch selbst
unter Verdacht, die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt nach § 22a
Anti-Doping-Gesetz.
Der am 4. Jänner 1982 in Wien Geborene hatte sich als Jugendlicher in vielen Sportarten versucht. Für Fußball oder Tennis erwies sich aber seine damals geringe Körpergröße als Manko. Doch Kohl musste nicht lange suchen. Sein Vater Christian hatte als Fahrer der Seniorenklasse spät seine Liebe zum Radsport entdeckt, so schrieb sich Bernhard mit 12 Jahren beim lokalen Club URC Schwöllberger ein.
Schon als Jugendlicher starker "Kletterer"
Kohl gewann
als Jugendlicher in einer Klasse mit Siegfahrer Bernhard Eisel zwar nicht
viele Rennen, seine Stärke am Berg verhalf ihm aber zu einer scheinbar
märchenhaften Karriere. Nach einem Engagement im heimischen
Elk-Haus-Rennstall wechselte er 2003 ins Ausland in die U23-Abteilung des
Rabobank-Teams. Kohl war nie einer, der viele Rennen gewinnt. In der
Eliteklasse hat er nie einen Sieg gelandet, doch seine Spitzenresultate
hatten Gewicht. Der Sieg in der Pyrenäen-Tour 2004 (U23) verhalf ihm zu
einem Profivertrag bei T-Mobile, 2006 brachte ihm Gesamt-Rang drei im
Criterium du Dauphine Libere, der traditionellen Tour-Generalprobe, den
Kontrakt als Co-Kapitän für die Rundfahrten mit Gerolsteiner.
Das Leichtgewicht (61 kg bei 1,72 m) bezeichnete die Erholungsfähigkeit als seine Stärke und galt als besessener Trainierer. Für den Sport nahm Kohl viele Entbehrungen auf sich, lebte laut Kollegen vor der Tour wie ein Mönch, bereitete sich akribisch vor. Der Dopingversuchung ist er trotzdem schon vor vielen Jahren erlegen, als 19-Jähriger. Seine ganze Karriere ist auf einem Lügenberg gebaut. Ein Comeback ist ausgeschlossen, denn Kohl hat sich nun für ein Leben ohne Lügen entschieden.