Manager-Interview
"Bernhard Kohl war mein Musterschüler"
14.10.2008
Der Schock saß tief: Österreich erreichte Gerolsteiner-Manager Hans-Michael Holczer am Telefon. "Er soll auspacken", so Holczer.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie von Kohls positiver Dopingprobe erfahren?
Hans-Michael
Holczer: Gerade eben wurde ich von der Nachrichtenagentur Reuters angerufen,
dass es auf L’Equipe-Online steht. Ich machte die Seite auf. Ein Déja vu –
wie vor einer Woche bei Schumacher. Dann hat mich auch schon Bernhard Kohl
angerufen.
Und was hat er Ihnen gesagt?
Er meinte, er wisse nicht, wie
er dazu kommt und was weiß ich alles. Ich habe ihm aber relativ klar
erklärt, dass ich keinem mehr glaube, und dass Bernhard jetzt nur für sich
selber das Beste tun kann.
Was raten Sie Kohl jetzt?
Er muss Ross und Reiter nennen: Wo
er das Zeug her hat, wer es getestet hat und alle, die dahinter stehen. Ich
halte den Bernhard Kohl für einen, der charakterlich so gut ist, dass er aus
dieser Sache erhobenen Hauptes herauskommen kann. Meine große Hoffnung ist,
dass er den Rat annimmt, dass endlich einmal einer offenlegt, wie solche
Strukturen zustande kommen. Bernhard könnte einer sein, der auspackt – ohne
komplizierter Kronzeugenregelung, und ohne, dass man ihm tausend Sachen
verspricht. Sonst denke ich, ist es für ihn vorbei. Denn Doping ist Betrug.
Und Betrug ist kriminell.
Waren Sie wirklich so naiv, zu glauben, dass Kohl die sensationelle
Leistung bei der Tour ohne verbotene Mittel erbracht haben könnte?
Ja!
Weil es gab nicht die kleinsten Anzeichen. Im Gegenteil: Als wir die
Ehrenerklärung verlangten, war Kohl der erste, der sie mir per E-Mail
schickte, er machte auch sofort seine Blutwerte transparent. Er ist nicht
erschrocken, als plötzlich über CERA gesprochen wurde, und er hat sich die
ganze Tour über nie auffällig benommen. Kohl war mein Musterschüler.
Ihre Konsequenz?
Ich bin 30 Jahre im Radsport und hatte einen
einzigen Positiven. Da fahren wir einmal bei der Tour schnell und haben
gleich zwei Fälle. Es ist unerträglich, und ich kapituliere. Das, was hier
passiert, hab ich nicht verdient. Ich hab meinen Glauben ans Gute verloren
und die Schnauze gestrichen voll.