Thriller

Liefert Kohl Doping-Mafia ans Messer?

14.10.2008

Erste Stellungnahme von Bernhard Kohl: "Bin mir keiner Schuld bewusst. Brauche noch Zeit, um klar zu denken". PK innerhalb der nächsten Woche.

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Der Doping-Täter Bernhard Kohl. Am Montag kam heraus, dass er bei der Tour de France gleich zweimal (3. und 15. Juli) positiv auf das Blutdopingmittel CERA getestet wurde.

Selbst nach Bekanntwerden des Skandals versucht sich Kohl aus der Affäre zu reden. „Ich kann mir das nicht erklären“, meinte er zu seinem ehemaligen Gerolsteiner-Teammanager Hans-Michael Holczer. Und gegenüber ORF.at erklärte er: „Ich brauche noch Zeit, um mich zu sammeln und wieder klar denken zu können. Aber ich werde bald zu einer Pressekonferenz nach Wien laden.“

Untergetaucht
Und dann ging er auf Tauchstation, er hält sich bei seiner Freundin Tatjana in Wien versteckt. Über seinen Manager Stefan Matschiner lässt er ausrichten: „Wir werden die Öffnung der B-Probe beantragen und auch die Dokumentation der A-Probe aus Frankreich anfordern.“ Aber: Die Chancen, dass die B-Auswertung ein anderes Ergebnis ergibt, ist laut Experten-Auskunft gleich null.

Mittlerweile zieht der Skandal weite Kreise. Auch Kohls Manager rückt ins Fadenkreuz der Doping-Jäger. Welche Rolle spielt Stefan Matschiner in der Causa? Brisant: Der Name des Ex-Leichtathleten taucht in den Anhörungsprotokollen zur Doping-Affäre bei Olympia 2006 auf.

Millionen futsch
Kohl war der Shooting-Star der Tour 2008. Das eröffnete dem Österreicher lukrative Berufsmöglichkeiten. Doch jetzt sieht er sich mit möglichen Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe konfrontiert. Holczer etwa will gegen den Niederösterreicher genauso vor Gericht ziehen wie gegen Kohls ehemaligen Gerolsteiner-Zimmerkollegen Stefan Schumacher, der ebenso im Doping-Sumpf steckt. „Ich werde hundertprozentig denselben Weg gehen“, kündigte Holczer eine Schadenersatzklage gegen Kohl an.

Sein neuer Vertrag mit Belgiens Rennstall Silence- Lotto ist hinfällig, wenn auch die B-Probe nicht passt. Damit auch die 3-Millionen-Gage für den Drei-Jahresvertrag (die Erfolgs- und Werbeprämien gar nicht eingerechnet). Außerdem wird Kohl die Prämien der Tour de France zurückzahlen müssen – immerhin rund 140.000 Euro.

Kronzeuge Kohl?
Kohl hat eine Woche Zeit, um die Öffnung der B-Probe zu beantragen. Ihm droht eine zweijährige Sperre. Doch nach der neuen Kronzeugen-Regelung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) könnte das Strafmaß geringer ausfallen. Dazu müsste Kohl geständig sein und die Hintermänner der CERA-Affäre nennen. In Österreich droht dopenden Sportlern keine gerichtliche Verfolgung. Außer es wird Handel mit verbotenen Dopingmitteln nachgewiesen.

Hiobsbotschaft in verschlossenem Brief
Kohl war am frühen Montagabend bei einem zuvor vereinbarten Termin in einem Klagenfurter Hotel vom NADA-Geschäftsführer Andreas Schwab ein verschlossener Brief der AFLD übergeben worden. In einer Begleitinformation an die NADA hieß es, dass in Blutproben, die Kohl am 3. und 15. Juli vor bzw. während der Tour abgenommen worden waren, die verbotene Substanz CERA nachgewiesen worden sei. Die NADA war bereits am Freitag telefonisch vorinformiert worden und hatte unter der Prämisse, dass der Sportler dies zuerst erfahren sollte, den Flugpost-Brief aus Frankreich abgewartet.

Spezieller Test
Um das EPO-Nachfolgeprodukt CERA nachweisen zu können, war im Labor in Chatenay-Malabry bei Paris ein eigener Test entwickelt worden. Mehrere verdächtige Proben der Tour wurden nachträglich erneut kontrolliert. So wie bei Leonardo Piepoli (ITA) und Stefan Schumacher (GER) brachten sie nun auch bei Kohl ein positives Resultat. Nach Angaben eines Sprechers der AFLD sind nun die nachträglichen Tests der Tour-Proben abgeschlossen - der Fall Kohl ist also der letzte der Auflage 2008.

Kohl: "Habe nichts Verbotenes getan"
Kohl sei angesichts der Nachricht von der positiven A-Probe erstaunt gewesen, habe gesagt, er könne sich das nicht vorstellen und habe nichts Verbotenes getan, erklärte Schwab. Der NADA-Geschäftsführer, der früher selbst als Bobsportler aktiv war, meinte, er habe im Sommer selbst mitgefiebert mit Kohl und sei einer von dessen Fans geworden. Nun erscheine die Leistung aber in einem anderen Licht. "Ich bin froh, dass man diese verbotenen Substanzen nachweisen kann", sagte Schwab.

Informationen aus Frankreich
Die NADA hat bereits Dienstagfrüh von der AFLD die Analyse-Ergebnisse und die Protokolle der Proben angefordert. "Da sind wir nun abhängig von den Informationen aus Frankreich", sagte Schwab zum weiteren zeitlichen Ablauf. Nach Vorliegen der Berichte wird die Rechtskommission der NADA unter Vorsitz des Rechtsanwalts Gernot Schaar eingeschaltet.

Sperre droht
Kohl droht eine zweijährige Sperre. Nach der neuen Kronzeugen-Regelung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) könnte das Strafmaß geringer ausfallen, falls der Sportler geständig ist und Hintermänner etc. nennt.

Keine gerichtliche Verfolgung in Österreich
Nach dem österreichischen Anti-Dopinggesetz werden dopende Sportler nicht gerichtlich verfolgt, außer es wird ihnen Handel mit verbotenen Substanzen nachgewiesen. Athleten könnten bei nachgewiesenem Doping allerdings von Sponsoren oder ihren Verbänden wegen Betrugs geklagt werden. Im Falle Kohls hat dessen Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer bereits eine Schadenersatzklage angekündigt.

In Frankreich droht Kohl ebenfalls eine Sperre durch die AFLD für dortige Bewerbe, aber keine Verfolgung durch die Justiz. Das strenge französische Anti-Dopinggesetz sieht nur bei nachgewiesenem Besitz verbotener Substanzen die Einschaltung von Gerichten vor, nicht aber bei deren Anwendung.

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Bitteres Ende für tolle Saison
Kurz vor Ende der erfolgreichsten Saison des österreichischen Radsport-Verbandes kam die Hiobsbotschaft: Bernhard Kohl, bei der Tour de France zum Star aufgestiegen, ließ die ÖRV-Führung nach der Meldung über positive Doping-A-Proben am Montag aus allen Wolken fallen. Gerüchte hatte es schon während der WM Ende September in Varese gegeben, auch der Name Kohl sei gefallen, sagte ÖRV-Generalsekretär Rudolf Massak am Dienstag, nach der Bestätigung sei er aber fassungslos. "Jetzt hat der Tsunami auch Österreich erreicht."

Sponsoren springen ab
Für Kohl gilt bis zur Auswertung der B-Proben die Unschuldsvermutung, die negativen Folgen für den heimischen Radsport werden aber in jedem Fall nicht ausbleiben. "Wir können noch gar nicht abschätzen, was das bedeuten wird", sagte Massak. Teams auf Sponsorensuche könnten ebenso zum Handkuss kommen wie Rennveranstalter, allen voran die Österreich-Rundfahrt. Sponsoren, Etappenorte könnten ihr Engagement überdenken. Und was aus der geplanten Bernhard-Kohl-Nachwuchsakademie werden würde, könne sich jeder denken, meinte Massak.

Ursula Riha, die Direktorin der Österreich-Rundfahrt, hatte für Dienstagnachmittag eine Präsentation mit einem möglichen Hauptsponsor vereinbart. "Ich kann nur argumentieren, dass wir eine Veranstaltung sind, die sich stark im Kampf gegen Doping engagiert", sagte Riha. Man werde aber vom Sog mitgerissen. Sie wisse noch nicht, welche Konsequenzen der Fall Kohl haben werde. "Der Schock sitzt jedenfalls tief. Kohl hat einen Boom ausgelöst und jetzt fällt uns das alles auf den Kopf."

"Fassungslos"
Massak, seit vielen Jahren als Generalsekretär im ÖRV tätig, gab sich perplex. "Ich stehe dem fassungslos gegenüber. Ich weiß nicht, wie der Profiradsport tickt", erklärte der Wiener. Natürlich sei der Profi voll verantwortlich für seine Taten und auch für Doping. "Aber letztendlich ist er nur das letzte Glied einer Kette. Da steht offenbar eine Organisation dahinter, das ist offenbar flächendeckend", sagte der Radsport-Funktionär. Die Fahrer seien auch Opfer eines Systems. "Man kann das Problem nicht beseitigen, indem man gedopte Fahrer herausklaubt. Das ist zu bequem und zu einfach."

Massak hatte nach den vergangenen Skandalen geglaubt, dass eine Kehrtwendung möglich und gelungen sei. "Aber je feiner die Testmethoden werden, desto mehr wird einem die Illusion geraubt, dass bei den Fahrern ein Umdenken da ist."

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