ÖSTERREICH-Interview

Baumgartner: 
Der Mann, der 
vom Himmel fiel

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Nach Testsprung: Rekordsprung aus 36 km Höhe. Wie gefährlich die Mission ist.

Als Felix Baumgartner (43) in der Wüste von New Mexiko landete, ließ er einen Freudenschrei los. Die Generalprobe (aus 29,4 km Höhe) für den waghalsigen Sprung aus 36.576 Meter Höhe – also der Stratosphäre – war geglückt. „Ich bin wahnsinnig müde, aber glücklich“, postete Baumgartner. Zeit zum Ausrasten hat der Salzburger keine.

Freier Fall
Denn jetzt geht es aber erst richtig los. Spätestens im September (der genaue Termin steht noch nicht fest) will Baumgartner den Sprung seines Lebens wagen: mit einem Ballon, so hoch wie ein Wolkenkratzer, in eine Höhe von 36 Kilo­metern aufsteigen. Beim Absprung soll er als erster Mensch die Schallmauer im freien Fall durchbrechen.

Die Bilder von Baumgartners 2. Sprung

Noch nie ist ein Mensch aus dieser Höhe gesprungen (der Rekord liegt bei 31 km). Und noch nie hat ein Mensch im freien Fall Überschallgeschwindigkeit erreicht. Felix Baumgartner will all diese Rekorde schlagen. Dafür setzt er sein Leben aufs Spiel. In einem Atemzug mit den Brüdern Wright oder Neil Armstrong genannt zu werden, ist Baumgartners Traum. Seit sieben Jahren arbeitet er dafür an dem Red Bull Stratos-Projekt.

Zwei Jahre auf Tour
Baumgartner hat keinen Zweifel: „Ich werde diesen Sprung überleben.“ Für die Zeit danach hat der Salzburger schon genaue Pläne. Zwei Jahre will Baumgartner rund um den Globus jetten und Interviews über das Abenteuer seines Lebens geben.

Danach beginnt das „normale“ Leben des Felix Baumgartner: Er will Hubschrauberpilot werden und seine Freundin Nicole Öttl aus Linz heiraten und eine Familie gründen.

Baumgartners erster Stratojump-Testsprung


 

"Ich hänge 
schon sehr am Leben"

ÖSTERREICH: Herr Baumgartner, der letzte Testsprung aus 29 km Höhe ist geglückt. In wenigen Wochen steht der Rekordsprung aus 36 km Höhe an. Warum müssen Sie unbedingt in die Stratosphäre?
Felix Baumgartner: Viele fragen mich, warum wir NUR fünf Kilometer zum bisherigen Rekord von 31 km dazulegen. Aber das ist sehr viel. Das ist vergleichbar mit dem Extrembergsteigen. Zwischen 7 und 8 Kilometern liegen zwar nur 1.000 Meter, aber die sind maßgeblich. Weil dann die Todeszone beginnt. Mit 36 Kilometern liegen wir in einer guten Mitte, um die Schallmauer zu durchbrechen.

ÖSTERREICH: Was erwartet Sie in 36 km Höhe?
Baumgartner: Auf 36 Kilometer Höhe habe ich keinen Sauerstoff, das heißt, du brauchst eine Sauerstoffversorgung. Es gibt in dieser Höhe fast keine Atmosphäre mehr. Auf der Erde haben wir 99,9 Prozent Atmosphäre, die auf uns lastet und einen Druck ausübt. Auf 36 Kilometer Höhe haben wir nur mehr 0,5 Prozent Atmosphäre, genau diese Differenz gleicht der Anzug aus und ist daher lebensnotwendig.

ÖSTERREICH: Warum braucht der Mensch überhaupt Druck?
Baumgartner: In einer Höhe von ungefähr 18 km hat der Druck bereits enorm abgenommen. Alle Flüssigkeiten im Körper würden ab 18 Kilometer Höhe bei der normalen Körpertemperatur zu kochen beginnen.

ÖSTERREICH: Warum beginnen die Körperflüssigkeiten zu kochen?
Baumgartner: Auf der Erde beträgt der Siedepunkt des Wassers 100 Grad. Umso höher man steigt, desto mehr nimmt der Siedepunkt ab. Das heißt, das Wasser beginnt früher zu kochen und man würde zugrunde gehen. Um das zu verhindern, gibt es den Druckanzug. Darüber hinaus ist im Blut sehr viel Stickstoff. Wenn der Druck mit zunehmender Höhe abnimmt, dehnen sich diese Bläschen aus. Wenn diese Luft im Blut zum Herzen gelangt, erleidet man eine Embolie und stirbt. Der Druckanzug ist ein zentraler Punkt beim Projekt – er hilft mir beim Überleben. Er schützt mich vor der extremen Kälte. Auf 36 Kilometer Höhe, also beim Absprung, hat es ca. minus 23 Grad.

ÖSTERREICH: Gerade der Druckanzug hat Ihnen besonders große Probleme gemacht …
Baumgartner: Fünf Stunden muss ich im Anzug mit geschlossenem Visier verbringen, nach einer Stunde im Anzug habe ich klaustrophobische Zustände bekommen. Niemand dachte, dass ausgerechnet der Raumanzug die Mission gefährdet. Das war der Moment, als ich das Vertrauen des Teams verloren habe. Ich musste die Hilfe eines Psychologen in Anspruch nehmen. Der Anzug wird nie meine zweite Haut werden. Ich liebe die Freiheit, aber der Anzug sperrt mich ein wie einen Vogel im Käfig.

ÖSTERREICH: Warum wagen Sie diesen gefährlichen Sprung. Möchten Sie in einem Atemzug mit Neil Armstrong genannt werden?
Baumgartner: Das wäre schön, natürlich ist das auch mein Ziel. Es gibt heute nicht mehr viele Rekorde, die man brechen kann. Der erste Mensch zu sein, der die Schallmauer durchbricht, ist etwas ganz Großes. Jeder Mensch kann sich erinnern, wer der erste Mensch am Mond oder auf dem Everest war, hier möchte ich mich auch einreihen.

ÖSTERREICH: Sie betonen immer wieder, dass der Sprung selber keinen Spaß macht. Das ist eine sehr ungewöhnliche Aussage …
Baumgartner: Es ist ein Erlebnis, aber es muss nicht unbedingt Spaß machen. Wenn man im Krieg gekämpft hat, hat man auch was erlebt, aber das war kein Spaß. Denn ich weiß vor keinem Sprung, ob es nicht mein letzter Sprung ist. Mich interessiert viel mehr die Herausforderung, der Weg zum Ziel. Du stehst vor einem Gebäude und zerbrichst dir den Kopf, wie komm ich da jetzt rein. Es beginnt mit einer Version, dann kommen Planung, Vorbereitung und als Krönung der erfolgreiche Abschluss.

ÖSTERREICH: Der Tod ist Ihr ständiger Begleiter, haben Sie Angst vor dem Tod?
Baumgartner: Meine einzige Angst ist, mich so zu verletzen, dass ich nicht mehr das Leben haben kann, das ich jetzt lebe. Ich kenne einige Topsportler, die im Rollstuhl sitzen. Auch wenn sie ihr Schicksal augenscheinlich gut meistern, machen mich solche Momente nachdenklich. Denn so eine Verletzung ist ein radikaler Einschnitt in dein Leben.

ÖSTERREICH: Haben Sie sich schon einmal gedacht: Bevor ich so lebe, bin ich lieber tot?
Baumgartner: Das hat sich sicher jeder schon einmal gedacht! Aber wenn es dann wirklich so weit ist, hängt man doch mehr am Leben, als man glaubt. Und ich weiß, ich werde überleben.

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