"Dachverbände müssen weg"

Deshalb gewinnen wir nichts

30.08.2016

Forscher Zellmann: "Dachverbands-Struktur muss weg".

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Der Freizeit- und Tourismusforscher Peter Zellmann fordert Sportminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) auf, endlich das für ihn entscheidende Manko in der österreichischen Sportförderung zu beheben. "Die Sportpolitik muss aus den drei Dachverbänden einen machen und die Fachverbände aufwerten", sagte der Experte. Das würde letztlich auch mehr Erfolg im Spitzensport nach sich ziehen.

Ein Dachverband als Lösung
"Man hätte sich längst auf einen Dachverband einigen müssen", meinte Zellmann im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur. Das alte System, in dem Fördermittel mit der Gießkanne ausgeschüttet würden, habe endgültig ausgedient, weil es ineffizient sei und politische Grabenkämpfe bedinge. "Der Auftrag, das grundsätzlich zu verändern, kann nur von einem mutigen Politiker kommen, der das anordnet und strikt von oben durchzieht", stellte Zellmann klar, der seit 30 Jahren Unternehmen und Institutionen zu Fragen von Sport, Freizeit und Tourismus berät.

Österreichisches Unikum
Dass es neben den Fachverbänden wie zum Beispiel Fußballbund (ÖFB) und Ski-Verband (ÖSV) drei sportübergreifende Dachverbände gibt, ist ein österreichisches Unikum. Die Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich (ASKÖ) ist eine Vorfeldorganisation der SPÖ, die nur auf dem Papier parteiunabhängige Sportunion das Gegenstück auf ÖVP-Seite. Überparteilich agiert der Allgemeine Sportverband Österreichs (ASVÖ).

Politik dagegen
Forderungen, den Institutionen-Wildwuchs im Sport zurückzustutzen, hatten in den vergangenen Tagen mehrere Experten, Praktiker und Ex-Sportler, darunter Österreichs Rekord-Olympionike Felix Gottwald und Volleyball-Verbandschef Peter Kleinmann, erhoben. Sportminister Doskozil bestätigte am Mittwoch bei einem Medientermin, dass er momentan nicht daran denke, die Dachverbands-Strukturen zu ändern. "Wir haben hier eine historisch gewachsene Struktur, die sich bewährt hat", argumentierte er. "Die Dachverbände tun dir nicht weh", meinte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel.

System ist schuld
Für Zellmann ist das Festhalten am System der Kardinalfehler, warum Österreich vergleichbaren Ländern im Spitzensport hinterherhinkt. Darauf habe er in Expertengremien und bei den Verbänden selbst immer wieder hingewiesen. Das Eisen sei aber zu heiß, als dass sich irgendjemand daran gewagt hätte. "Da gibt es Funktionärspfründe, die werden verständlicherweise nicht aufgegeben."

Zahlen sind falsch
Schon allein die Zahlen, mit der die Dachverbände ihre Hausmacht begründen, seine eine Illusion. "Das sind Doppel- und Dreifach-Zählungen und Karteileichen dabei", sagte der Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT). "So kommt jeder Verband auf etwa eine Million Mitglieder. In Wahrheit sind es viel weniger, die dort aktiv Sport treiben."

Auflösung "zum Wohle des Sports"
Dass es der machtpolitischen Logik der Regierungsparteien widerstrebt, ihre eigenen Vorfeldorganisationen zu zerschlagen, leuchtet Zellmann ein. Für ihn wäre das aber ein kluger Schachzug. "Wir haben heute eine Situation, wo die ehemaligen Großparteien um die 20 Prozent haben. Die Vorfelder funktionieren ja gar nicht mehr als Lieferanten", meinte er. "Da kann man gleich hergehen und sie zum Wohle des Sports auflösen."

Reform dringend notwendig
Die Wichtigkeit einer Sportreform hebt Zellmann auf eine Stufe mit für ihn ebenfalls dringend notwendigen Reformen des Bildungs-und Pensionssystems. "Das ist Politik in Österreich. In wirklich wichtigen Feldern werden Reförmchen angeboten. Da müssen wir wirklich jetzt etwas tun", forderte der Doyen der österreichischen Freizeitforschung. "Sport ist nach dem Tourismus der Bereich in Österreich, der die am meisten unterschätzte Bedeutung hat."

Ein Präsident
Seine sportpolitische Konzeption umfasst eine zentrale, mit breiten Kompetenzen ausgestattete Organisation. "Wir brauchen eine Kammer des Sports, ähnlich der Wirtschaftskammer. Mit einem Präsidenten, der den österreichischen Sport überwacht", betonte Zellmann.
 

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