Überführter Doping-Sünder gab am Montag in Wien das Ende seiner Profi-Karriere bekannt.
"Ich habe freiwillig gedopt - in einem System, in dem du ohne Doping nicht gewinnen kannst." Weil es den großen Sinneswandel im Radsport nicht gibt und Bernhard Kohl "das Lügen satt" hat, entschied sich der derzeit gesperrte Niederösterreicher dazu, seine Karriere zu beenden. Der 27-Jährige, der Doping gestanden hat und mit den in der aktuellen Affäre ermittelnden Beamten zusammenarbeitet, möchte sich in Zukunft der Doping-Prävention und -Aufklärung widmen, Vorträge halten, wie man Höhenflüge verkraftet und Krisen bewältigt, sowie Radcamps organisieren.
Leben ohne Lügen
Kohl sagte, er sei an einer Weggabelung
angekommen, die eine Richtung bedeutete die Rückkehr in den Radsport und
damit zurück zu den Lügen, die andere in ein Leben ohne Lügen. "Ohne Doping
gibt es keine Chancengleichheit im internationalen Spitzenfeld. Ich will ein
Doppelleben, das auf Lügen basiert, nicht weiterführen. Deshalb ist
endgültig Schluss", erläuterte Kohl, der bereits mit 19 Jahren erstmals zu
unerlaubten Mitteln griff (EPO-Spritzen), seinen Entschluss. "Der saubere
Sportheld sei oft nur Fiktion. "Talent, Training und knallharte Disziplin
reichen irgendwann nicht mehr. Doping wird dann oft zur Regel, der saubere
Sport ist leider eine Ausnahme", erklärte er.
CERA als Stolperstein
Als Dritter der Tour de France 2008 und
Gewinner des Bergtrikots hatte der gelernte Rauchfangkehrer Österreichs
Sportwelt in wahre Freudentaumel versetzt. Nachdem er dann bei
Nachkontrollen positiv auf das EPO-Derivat CERA getestet worden war und
unter Tränen ein erstes, aber wie sich später herausstellte, nicht
umfassendes Geständnis abgegeben hatte, blieb ihm die Rolle als "Buhmann der
Nation" (Eigendefinition). Und mit dem Lügen war auch damals noch nicht
Schluss: "Wie man weiß, war mein Manager, mein Berater, Stefan Matschiner.
Seinen Zusammenhang mit dem Thema Doping weiß man jetzt. Natürlich bin ich
auch von ihm geleitet worden. Ich war entscheidungsunfähig. Mit den falschen
Beratern an der Seite macht man natürlich immer weiter Fehler."
Comeback-Traum aufgegeben
Kohl wollte nicht wahrhaben, dass nun
alles vorbei sei, er dachte, er gebe nach der Sperre sein Comeback und fahre
weiter. "Um zu ermöglichen, dass man wieder retour kommt, kann man nur bis
zu einem gewissen Grad Sachen zugeben. Man muss immer weiter lügen, dass man
in das System Sport wieder retourkommen kann. Kein Team würde einen sonst
noch verpflichten. Für die Fehler möchte ich mich bei allen entschuldigen.
Bei der Öffentlichkeit, den Medien und meinen Fans natürlich. Und der ganzen
Jugend, die mich als Vorbild gesehen hat. Ich habe leider Gottes versagt und
habe damals noch immer gelogen."
Nach Gesprächen und Diskussionen mit Familie, Freundin und Freunden sei dann langsam der Entschluss gereift, aufzuhören. "Da ist die Einsicht gekommen, dass ich mit dem System, wie es einfach herrscht, nicht mehr leben kann oder nicht mehr leben will. Hauptgrund ist, dass ich die Lügerei und die Heuchlerei von dem System einfach satthabe." Wäre er zurückgekommen, hätte er wieder dopen müssen, um Erfolg zu haben: "Man braucht sich nur die Tour de France anschauen. Wir fahren über drei Wochen mit der Durchschnittsgeschwindigkeit von 40 km/h, fahren umgerechnet fünf Mal den Mount Everest hoch. Es ist logisch, dass es in der Weltspitze ohne Doping nicht funktionieren wird", sagte der Niederösterreicher.
Gefasst
Kohl wirkte in der Pressekonferenz am Montag
selbstsicherer und gefasst - kein Vergleich zu früheren Auftritten. Nochmals
schilderte er, wie hart die vergangenen Monate für ihn gewesen seien. "Durch
meinen Erfolg bei der Tour bin ich auf einmal zum Helden der Nation
geworden. Das war schon einmal für mich komplett überfordernd. Aber wenn das
positiv ist, kann man das noch relativ gut rüberbringen. Aber als dann die
zwei positiven CERA-Proben bei den Nachtests gekommen sind, war natürlich
der absolute Ausnahmezustand. Auf einmal ist alles eingebrochen, ich bin vor
den Trümmerhaufen meines Lebens gestanden, ich hatte das ganze Leben nur auf
Radsport aufgebaut. Auf einmal war kein Lebensinhalt mehr da."
Im Dezember ging Kohl mit seinem Dopingwissen zu seinem Anwalt Manfred Ainedter, damals habe sich die Staatsanwaltschaft noch relativ wenig dafür interessiert. Erst als dann die SOKO Doping gegründet wurde, kam das Ermittlungs-Werk ins Rollen. "Ich denke, das war schon sehr hilfreich für die und hat dann auch zu Verhaftungen geführt." So klickten etwa bei Stefan Matschiner die Handschellen.
Im Visier der Staatsanwaltschaft
Mittlerweile sieht sich Kohl
selbst mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen seine Person nach
22a Anti-Doping-Gesetz konfrontiert. Es besteht der Verdacht, dass er eine
mitfinanzierte Blutzentrifuge auch anderen zur Verfügung gestellt haben
soll. "Bernhard ist in dieser Causa noch nicht einvernommen worden. Bernhard
hat aber keine Kenntnisse, dass Matschiner auch noch anderen als den
Mitfinanziers die Maschine zur Verfügung gestellt hat", sagte Anwalt
Ainedter. Er glaube nicht, dass etwas rauskommen werde, genauso wenig wie in
dem anhängigen Strafverfahren in Klagenfurt. Nicht öffentlich nennen wird
Kohl Namen von Sportlern, sowie auch nicht den Namen jenes Aktiven, der ihm
zu CERA verholfen hat.
Kampf gegen Doping
Bernhard Kohl, der bestätigte, dass sein
Deckname bei Humanplasma jener der Animationsfigur "Shrek" gewesen sei, will
nun seine Erfahrungen anderen mitteilen und sich der Dopingprävention
widmen. "Ich glaube, es kann keiner glaubhafter erzählen, was Doping mit
einem Menschen wirklich anstellen kann. Ich habe das von A bis Z
durchgelebt." Im Schul- und Jugendbereich will er ansetzen, mit dem
Bundesministerium habe er einen ersten Kontakt gehabt.
Zudem habe sein deutscher Rechtsanwalt ein Konzept zur Dopingprävention für den Profisport entwickelt, den Vereinsverantwortlichen will Kohl aufzeigen, wo und wie ein Sportler betrügen kann. "Ich habe in meiner Karriere 200 Dopingkontrollen gehabt, von den 200 waren zwei positiv mit dem gleichen Stoff. 100 hätten positiv sein müssen. Eine negative Dopingkontrolle heißt bei weitem nicht ein negativer (sauberer/Anm.) Sportler. Das ist durch mein Beispiel deutlich widerlegt."
Der strafrechtlichen Verfolgung von Dopingsündern kann Kohl einiges abgewinnen: "Das hätte mich abgeschreckt, denn in den Häfen gehen will ich nicht."