Dafür muss Österreichs Nummer eins allerdings verletzungsfrei bleiben.
Als Turnierdirektor von Kitzbühel war Alex Antonitsch in der vergangenen Woche bei den ATP-World-Finals in London zu Gast. Im Interview mit oe24.at spricht der Kärntner über perfekte Rahmenbedingungen in London, Melzers Zukunft und erklärt, warum er sich für die Einführung der täglichen Turnstunde stark macht.
oe24: Mit dem Finale zwischen Novak Djokovic und Roger Federer ist in London die Saison auf der ATP-Tour zu Ende gegangen. Ein würdiger Abschluss?
Alexander Antonitsch: Definitiv! Das Finale zwischen Federer und Djokovic war Werbung für den Tennissport. Djokovic hat wieder einmal gezeigt, wie stark er vor allem bei den „big points“ spielen kann und hat Roger damit den Nerv gezogen. Aber nicht nur das Finale, sondern das ganze Event war atemberaubend. Die ATP hat in London ein unglaubliches Turnier mit einem sensationellen Rahmenprogramm auf die Beine gestellt und das wird von den Zuschauern auch aufgenommen. Die Halle fasst rund 17.00 Zuschauer und sowohl Day- als auch Night-Session waren täglich ausverkauft.
oe24: Von ausverkauften Stadien oder Hallen können Österreichs Veranstalter nur träumen. Was konnten Sie sich als Turnierdirektor von Kitzbühel in London abschauen?
Antonitsch: Wenn man die Top-8 der Weltrangliste zur Verfügung hat, ist es sicher leichter die Halle zu füllen. Federer, Djokovic, Nadal und Murray sind einfach Ticket-Seller – da braucht man nicht großartig die Werbetrommel rühren. Es ist aber utopisch, diese Top-Stars nach Österreich zu holen. In Kitzbühel versuchen wir, unsere Zielgruppen zu bedienen, bauen auf Spieler aus der Region. Mit Aktionen wie dem „Spiel des Lebens“ - wo heuer ein Physik-Student mit Philipp Kohlschreiber im Doppel eine Runde gewonnen hat - versuchen wir die Fans einzubinden. Das hat heuer schon gut geklappt und wir werden uns noch weiter verbessern.
oe24: Sie sind bekennender Federer-Fan. Können Sie mit Novak Djokovic als Weltranglisten-Erstem leben?
Antonitsch: Auf jeden Fall! Er hat heuer eine sensationelle Saison gespielt. Djokovic hat nur 17 Turniere in der Wertung der besten 18 Ranking-relevanten Turniere und hat trotzdem über 2500 Punkte Vorsprung auf Federer.- das ist eine gewaltige Leistung. Besonders imponiert hat mir, wie er sich heuer immer wieder aus brenzligen Situationen befreit und seinen Gegnern damit den Nerv gezogen hat. Als Zuschauer habe ich manchmal den Eindruck gehabt, dass er in der Defensive noch eine Spur stärker ist, als in der Offensive.
oe24: Warum sind Djokovic, Federer, Murray & ein gesunder Nadal für den Rest der Welt nahezu unerreichbar?
Antonitsch: Die Top-Spieler sind abartig fit, das haben mir in London auch Marian Vajda und Gebhard Gritsch – die Coaches von Djokovic - bestätigt. Der zweite große Unterschied ist die Konstanz. Federer, Nadal und auch Djokovic spielen seit Jahren auf diesem Top-Niveau. Murray hat heuer einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht, aber er kann seine Leistungen noch nicht konstant über eine Saison abrufen. Zuletzt hat Wien-Sieger Del Potro gezeigt, dass er die Waffen hat, um den Top-4 gefährlich zu werden. Wenn er in den nächsten Jahren fit bleibt, wird er sich vorne festsetzen und Djokovic & Co. ärgern.
oe24: Einer, der die Top-4 der Welt schon geschlagen hat, ist Jürgen Melzer. Wie beurteilen Sie die Leistungen von Österreichs Nummer eins?
Antonitsch: Jürgen beendet das Jahr auf Platz 29 der Welt, ohne eine Riesen-Saison gespielt zu haben - er kann also nicht allzu viel falsch gemacht haben. Er hat in den letzten beiden Jahren immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen gehabt und konnte sein Potential auf Dauer nicht abrufen. Für ihn wäre es wichtig, jetzt einmal verletzungsfrei durch die Vorbereitung zu kommen, dann wird er nächste Saison immer wieder aufzeigen den österreichischen Fans Freude bereiten. Die Rückkehr unter die Top 10 wird schwierig, aber er hat immer noch das Zeug für die Top 15.
oe24: Etwas trostlos sieht das dahinter aus. Mit Andreas Haider-Maurer ist nur ein weiterer Österreicher unter den Top 200. Was darf man sich von der „zweiten Reihe“ für 2013 erwarten?
Antonitsch: Andreas Haider-Maurer hat heuer eine seltsame Saison mit einer langwierigen Knöchelverletzung hinter sich. Trotzdem klopft er nach einigen guten Challenger-Ergebnissen an die Top 100 an. Spielerisch wird er sich noch weiterentwickeln und wenn er gesund bleibt, kann er sich zwischen Platz 50 und 70 einpendeln. Dahinter stehen mit Michael Linzer, Martin Fischer, Gerald Melzer, Dominic Thiem und Philipp Oswald vier Spieler zwischen Platz 200 und 400. Vielleicht schafft jemand aus dieser Gruppe in naher Zukunft einige Überraschungen und kann sich zumindest in die Nähe der Top 100 spielen.
oe24: Besonders Dominic Thiem wird hierzulande als heißeste Aktie gehandelt…
Antonitsch: Dominic hat sich auch international schon einen Namen gemacht. Ivan Lendl, Gritsch und Vajda halten sehr viel von ihm und sind der Meinung, dass da ein großer nachkommt! Aber man muss ihn behutsam aufbauen und ihm Zeit geben. Er ist heuer während der Saison noch einmal vier Zentimeter gewachsen und hat im körperlichen Bereich noch viel Aufholbedarf. Momentan ist er noch nicht so weit, dass er eine volle Saison bei den Herren durchhält. Für nächstes Jahr erwarte ich, dass er die Top 200 knackt – vielleicht auch mehr. Er hat aber auf jeden Fall noch genügend Zeit, vor allem wenn man bedenkt, dass derzeit kein unter 20-Jähriger in den Top 100 steht und das Durchschnittsalter immer höher wird.
oe24: Wie beurteilen Sie die Situation bei den österreichischen Damen?
Antonitsch: Tamira hat dank einer überragenden Rasen-Saison ihre beste Jahresabschluss-Platzierung erreicht. Sie hat aber noch enorme Leistungsschwankungen und viel Luft nach oben. Sie wird im nächsten Jahr sicherlich bei dem einen oder anderen Turnier wieder gehörig aufzeigen. Dahinter wird es dann aber sehr überschaubar: Patricia Mayr-Achleitner und Yvonne Meusburger werden immer wieder an den Top 100 anklopfen und hoffentlich ein paar Überraschungen liefern. Die größte Zukunfts-Hoffnung ist aber sicherlich die erst 16-jährige Babsi Haas – aber auch ihr muss man unbedingt Zeit geben und darf sie nicht verheizen.
oe24: Sie galten lange Zeit als scharfer Kritiker des ÖTV. Seit Anfang des Jahres gibt es mit Sportdirektor Clemens Trimmel und Präsident Ronnie Leitgeb eine neue Verbandsführung. Wie sieht Ihre erste Bilanz aus?
Antonitsch: Trimmel hat als Davis-Cup-Kapitän einen tollen Job gemacht. Wir haben das Viertelfinale erreicht und das Team hat sich auch in Spanien gut verkauft. Dass dort aber wenig zu holen sein wird, war schon im Vorhinein zu erwarten.
oe24: Wie beurteilen Sie seine Arbeit als Sportdirektor?
Antonitsch: Da bin ich ehrlich gesagt zu wenig drinnen im Verbandsleben. Ich glaube aber, dass Trimmel und Leitgeb gut zusammen arbeiten und nach dem Stillstand der letzten Jahre wieder für Aufbruchsstimmung im österreichischen Tennis gesorgt haben. Jetzt gilt es, Konzepte auszuarbeiten, um den Nachwuchs für das Tennis zu begeistern, Talente zu finden und diese dann auch sinnvoll zu fördern. Ich sehe es selbst bei meiner Tochter, wie schwierig es ist, Schule und Spitzensport unter einen Hut zu bringen und erfolgreich zu sein, weil auch die internationale Konkurrenz gewaltig ist. Auf den Verband wartet gerade im Nachwuchsbereich viel Arbeit und es wird noch einige Zeit dauern, bis hier Erfolge sichtbar werden.
oe24: Sie setzen sich auch sehr für die „tägliche Turnstunde“ ein - mit welchen Erwartungen?
Antonitsch: Gleich vorne weg: Bei der Forderung nach der täglichen Turnstunde geht es nicht um Olympia-Medaillen, sondern um die Gesundheit unserer Kinder. Gerade einmal 28 Prozent der Jugendlichen betreiben regelmäßig Sport! Beim Rauchen (Platz 3) und beim Alkohol-Konsum (Platz 5) liegt unsere Jugend aber im „Spitzenfeld“. Angesichts dieser Zahlen frag ich mich, warum über die Notwendigkeit von mehr Bewegung überhaupt noch diskutiert werden muss.
oe24: Immerhin scheint jetzt etwas zu passieren…
Antonitsch: Es gibt in vielen Bundesländern sehr gute Projekte! Jetzt ist es Aufgabe der Politik auszuloten, welche davon flächendeckend zum Erfolg führen können. Man muss sich überlegen, wie die tägliche Turnstunde in der Praxis funktionieren soll, ob man dafür beispielsweise Vereine und ausgebildete Trainer in die Schulen holt. Das wichtigste ist aber, dass jetzt endlich von allen Seiten Bewegung in die Sache kommt – auch wenn mir das als ehemaligem Sportler immer noch zu langsam geht.