Freiburger Expertenbericht erhebt schwere Anschuldigungen. Auch Österreicher im fraglichen Zeitraum bei diesem Team unter Vertrag.
Der Abschlussbericht zur Doping-Affäre an der Universitätsklinik Freiburg wirft einen Schatten auf die komplette Erfolgsgeschichte des früheren deutschen Rad-Vorzeigeteams Telekom/T-Mobile. Nach der Befragung von 77 Zeugen kam die Doping-Untersuchungskommission zu dem Ergebnis, dass im Profiteam mehr als zehn Jahre lang manipuliert wurde. "Die Untersuchungskommission hat ermittelt, dass im Team Telekom/Team T-Mobile von 1995 bis 2006 durch die beiden Ärzte Dr. Heinrich und Prof. Schmid systematisch gedopt wurde", heißt es in dem 63-seitigen Abschlussbericht.
Auch Österreicher betroffen?
Im angegebenen Zeitraum fuhren
auch drei Österreicher für den deutschen Radrennstall: Der Tiroler Georg
Totschnig (1997 bis 2000), dessen Landsmann Gerhard Trampusch (2000 und
2001) sowie der Niederösterreicher Bernhard Kohl (2005 und 2006). Kohl, der
im Vorjahr bei nachträglichen Dopingkontrollen der Tour de France als
Sportbetrüger entlarvt worden war, hat am 31. März dieses Jahres Doping seit
2005 gestanden.
Statement von Trampusch
Während Totschnig vorerst für keine
Stellungnahme erreichbar war, ließ Trampusch folgendes Statement
veröffentlichen. Er sei zwar selbst mehrmals in der Uniklinik Freiburg
gewesen, "allerdings nur zu sportmedizinischen Untersuchungen und Tests." Von
systematischem Doping bei seinem Team habe er nichts mitbekommen. "Da habe
ich nie etwas gemerkt oder gesehen", betonte der Tiroler, um dann noch
anzumerken: "Ich war damals ja ein kompletter Außenseiter im Team - jung und
Ausländer. Ich war deshalb überrascht, als ich erstmals davon gehört habe,
was da abgegangen ist. Vor allem Professor Schmid, der als Typ ein feiner
Kerl war, hätte ich das nicht zugetraut."
Doping perfektioniert
"Das systematische Dopen unter
ärztlicher Kontrolle wurde perfektioniert", sagte der
Kommissionsvorsitzende Hans Joachim Schäfer bei der Vorstellung des Berichts
am Mittwoch in Freiburg. Neben zahlreichen geständigen Dopingsündern wurden
die beiden deutschen Radprofis Andreas Klöden und Matthias Kessler
namentlich erwähnt und damit schwer belastet.
Kommission nennt Namen
Die drei Kommissionsmitglieder unter dem
Vorsitz des Juristen Schäfer kamen zu dem Schluss, dass "neben dem
geständigen Fahrer Patrik Sinkewitz während der Tour de France 2006
zumindest zwei weitere Radfahrer mit Hilfe der beiden Ärzte Eigenblutdoping
betrieben haben: Matthias Kessler und Andreas Klöden." Kessler,
noch bis zum 26. Juli wegen Testosteron-Dopings gesperrt, und Klöden haben
bisher alle Doping-Vorwürfe bestritten.
"Ein Rhein-Konvoi mit mehreren Fahrzeugen hat sich nicht erweisen lassen. Aber es war in jedem Fall ein Fahrzeug mit Sinkewitz, Klöden und Kessler", sagte Schäfer. Die drei Fahrer sollen sich am 2. Juli 2006 während der Tour Eigenblut-Transfusionen unterzogen haben. Sinkewitz' frühere Freundin habe sie im Auto von Straßburg nach Freiburg gefahren - und wieder zurück.
Doping unter ärztlicher Leitung
Laut dem Dokument begann
systematisches EPO-Doping in der Telekom-Equipe unter Anleitung der
Teamärzte Schmid und Heinrich im Jänner 1995 während eines Trainingslagers
auf Mallorca. Schon 1994 seien Glucocorticoide und Wachstumshormone im Team
Telekom eingesetzt worden. Der Bericht listet verschiedene Indizien auf, "die
in Verbindung mit weiteren Erkenntnisquellen der Kommission auf Doping mit
EPO-Präparaten oder Blutdoping bis einschließlich 2006 hindeuten".
77 Zeugen einvernommen
Für seinen Bericht hat das Gremium mit
Schäfer, Biochemiker Wilhelm Schänzer und dem Pharmakologen Ulrich Schwabe
insgesamt 77 Zeugen, viele aus dem Bereich des Profi-Radsports, befragt.
Zudem wurden zahlreiche Quittungen und Kontobewegungen ausgewertet und
nachträglich 58.800 Blutproben nachgetestet. "Mühsam war es",
betonte Schäfer.
Sponsoren entlastet
Zugleich entlastete die Kommission die
Bonner Unternehmen Telekom und T-Mobile. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür,
dass die früheren Hauptsponsoren "in die Aktivitäten der
dopingbelasteten Ärzte verwickelt waren". Auch die Uniklinik habe
demnach keine Kenntnis von den Dopingvorgängen in ihrem Haus gehabt. "Ein
Ergebnis des Kommissionsberichts ist, dass die maßgeblich für die Betreuung
von Profiradsportlern verantwortlichen Ärzte ohne Kenntnis und ohne
Nebentätigkeitsgenehmigung des Universitätsklinikums zusätzliche persönliche
Einkünfte erzielten", hieß es.
Auch die Apotheke der Uniklinik sei "zu keiner Zeit in die Beschaffung von Dopingmitteln durch die beiden Ärzte" involviert gewesen. "Vielmehr konnte aus Sicht der Kommission eine Apotheke in Elzach als eine der Haupt-Lieferanten ermittelt werden", schreibt die Kommission. Neben den beiden maßgeblich beschuldigten Medizinern Schmid und Heinrich hätten drei weitere Ärzte ungenehmigte Nebeneinkünfte erhalten.