Riesensensation in Melbourne: Der ungesetzte Franzose Jo-Wilfried Tsonga fertigt Rafael Nadal in drei Sätzen ab und zieht ins Finale ein.
Jo-Wilfried Tsonga hat durch einen überraschenden Erfolg gegen den Weltranglisten-Zweiten Rafael Nadal das Endspiel der Australian Open erreicht. Der 22-jährige Sensationsmann aus Frankreich setzte sich am Donnerstag im Halbfinale erstaunlich klar mit 6:2,6:3,6:2 gegen den Spanier durch und steht zum ersten Mal in seiner Karriere im Finale eines Grand-Slam-Turniers. Dort trifft die Nummer 38 der Weltrangliste am Sonntag auf Titelverteidiger Roger Federer aus der Schweiz oder den Serben Novak Djokovic.
Unaufhaltbar
"Das ist unglaublich, ich habe eine Gänsehaut.
Heute konnte mich nichts aufhalten", sagte Tsonga unter dem Jubel der
15.000 Zuschauer in der Rod Laver Arena nach seinem Coup gegen den
dreimaligen French-Open-Champion. Bei seiner fünften Teilnahme an einem
Grand-Slam-Turnier hatte Tsonga zuvor unter anderem den an Nummer neun
gesetzten Schotten Andy Murray, den an Position acht eingestuften Franzosen
Richard Gasquet und im Halbfinale den Russen Michail Juschnij bezwungen.
Durch den Einzug in das Endspiel wird der vom Aussehen her an Box-Legende
Muhammad Ali erinnernde und deshalb auch so gerufene Franzose aus Le Mans in
der Weltrangliste erstmals unter die Top 20 klettern.
Wie Ali
Tsonga ähnelt nicht nur äußerlich dem Größten aller
Boxlegenden. Am Platz tänzelt er leichtflüßig entlang der Grundlinie,
Vorhand und Aufschlag kommen wie eine Dampfwalze daher. Im zweiten Satz
stierte er Nadal in einer Wechselpause sogar mit den Augen in bester
Boxermanier nieder. Und um einen markigen Spruch ist der Franzose auch nie
verlegen. Schon vor dem Spiel knallte er Nadal beim Aufwämren in der Kabine
eine ordentliche vor den Latz: "Pass auf, dass du dich nicht zu sehr
verausgabst, denn heute bin ich in Form." - Ballyhoo in Reinkultur...
Fehlerfreier Nadal nicht gut genug
Die Abfuhr kam umso
überraschender als Nadal alles andere als schlecht spielte. In den ersten
zwei Sätzen unterliefen ihm nur vier unnötige Fehler, am Ende, nach weniger
als zwei Stunden (1:57), waren es lediglich zwölf. Aber Tsonga entpuppte
sich einmal mehr als wahrer "Kraftmeier" und fegte Nadal förmlich
vom Platz. Tsonga fügte dem ein Jahr jüngeren Spanier aus Mallorca die
klarste Niederlage bei einem Grand-Slam-Turnier zu. Er tat dies mit 17
Aufschlag-Assen und 49 Gewinnschlägen aus dem Spiel heraus.
Im ersten Satz zog Tsonga gleich auf 3:0 davon, im zweiten Durchgang gelang ihm das Break zum 5:3. Nadal besaß eine einzige kleine Chance im Spiel zu Beginn des dritten Satzes, als er zu drei Breakmöglichkeiten für eine 2:0-Führung kam. Tsonga wehrte diese Chancen ab und realisierte daraufhin die entscheidenden Breaks zum 2:1 und 5:2.
Nadal: "Ich hatte keine Chance"
Der Spanier ging nach
einer seiner bittersten Pleiten grußlos in die Katakomben. Ohne Satzverlust
war der Linkshänder aus Mallorca ins Halbfinale eingezogen und schien in
starker Verfassung. "Ich habe sehr, sehr gut gespielt", sagte er, "aber
nicht gut genug, um Tsonga zu schlagen. Die Wahrheit ist, ich hatte keine
Chance."
Nadal kannte auch die Gründe für seine Chancenlosigkeit: "Tsonga hat sich unglaublich gut bewegt, war sehr explosiv. Ich kann nichts Schlechtes über sein Spiel sagen, aber ich werde darüber die ganze Nacht nachdenken." Dennoch führte er ins Treffen, dass Tsonga derzeit über seine Verhältnisse spielen würde: "Aber er kann nicht jede Woche so spielen. Das ist unmöglich."
Gut für Überraschungen
Tsonga setzt die Liste der
Überraschungs-Finalisten bei den Australian Open nahtlos fort. Er ist
bereits der achte in den letzten zehn Jahren nach Thomas Enqvist (1999),
Arnaud Clement (2001), Thomas Johansson (2002), Rainer Schüttler (2003),
Marcos Baghdatis (2006) und Fernando Gonzalez (2007). Nur Thomas Johansson
vor sechs Jahren konnte dann aber auch noch das Finale gewinnen.
Tsonga gab sich für das Endspiel aber zuversichtlich: "Egal, ob der Gegner Federer oder Djokovic heißt. Er hat auch nur zwei Hände und zwei Beine wie ich."