ATP, Barcelona
Unglaublich: Thiem schlägt Nummer eins
28.04.2017
Die Sensation ist perfekt: ÖTV-Star schlägt Murray in einer Nervenschlacht.
Zugetraut worden ist es Dominic Thiem schon, doch der 23-Jährige hat es im dritten Duell mit dem Weltranglisten-Ersten Andy Murray tatsächlich geschafft. Thiem feierte im Halbfinale des mit 2,373 Mio. Dollar dotierten ATP-500-Turniers einen seiner größten Erfolge und rang Murray nach 2:13 Stunden mit 6:2,3:6,6:4 nieder.
Thiem qualifizierte sich damit für sein insgesamt zwölftes Finale auf der Tour und spielt am Sonntag (16.00 Uhr im oe24-LIVE-TICKER) gegen Sandplatz-König Rafael Nadal. Der Weltranglisten-Neunte ist erst der dritte Österreicher nach Thomas Muster (1996 gegen Pete Sampras) und Jürgen Melzer (2010 gegen Rafael Nadal) dem es gelungen ist, eine regierende Nummer eins der Tennis-Welt zu schlagen.
Thiem wandelt auch in Barcelona in den Fußstapfen des großen Thomas Muster, denn der 44-fache Turniersieger und ehemals Weltranglisten-Erste hat 1995 und 1996 in Barcelona triumphiert. Mit dem Finaleinzug hat der Schützling von Günter Bresnik 300 ATP-Zähler sowie ein Preisgeld von brutto 227.585 Dollar (208.220,49 Euro) sicher.
Ein mitreißender Showdown
Thiem gelang in einem immer besser werdenden, mitreißenden Match ein Auftakt nach Maß. Der Lichtenwörther nahm dem Weltranglisten-Ersten im Auftaktgame den Aufschlag ab und stellte auf 2:0 bzw. nach einem weiteren Break sogar auf 4:1. Zwar gelang Murray ein Rebreak zum 2:4, der Schotte musste sein Service aber neuerlich zum 2:5 abgeben. Thiem verwertete in der Folge seinen dritten Satzball nach rund 34 Minuten zum 6:2. Der Stuhlschiedsrichter wollte den Ball eigentlich wiederholen lassen, aber Murray gestand sehr sportlich Thiem den Punkt zu.
"Man muss ehrlich sagen, dass er wirklich schwach begonnen hat. Da habe ich jetzt nicht wirklich viel dazu machen müssen. Mitte zweiter Satz ist es ein wirklich offenes Match bis zum Ende geworden", stellte Thiem fest. "Heute habe ich das glücklichere Ende gehabt, aber natürlich kann man so einen Sieg nicht erwarten. Trotzdem bin ich mittlerweile in einer Situation, in der ich jetzt gegen jeden Gegner reingehe das Match gewinnen will."
Das Niveau des Spiels nahm im zweiten Satz deutlich zu, Murray steigerte sich wie auch in den Vorrunden mit zunehmender Dauer des Matches. Thiem ließ zunächst im ersten Game und dann bei 3:3 jeweils eine Chance zum Break aus, und musste dann im achten Game seinen Aufschlag zum 3:5 abgeben. Murray servierte zum Satzgleichstand aus.
(c) APA
Der entscheidende Durchgang begann mit Break und Rebreak für Murray bzw. Thiem, der im vierten Game zwei weitere Breakbälle vorfand. Erst zum 4:2 gelang es Thiem, dem 45-fachen Turniersieger Murray den Aufschlag abzunehmen. Aber der Schotte bewies Kampfgeist und nahm wiederum dem Niederösterreicher den Aufschlag ab. Thiem schlug in dieser Phase einige besonders imposante Winner, mehrmals auch von seiner bilderbuchhaften Rückhand entlang der Linie.
Murray konnte da nur noch lächeln, am Ende hatte Thiem aber den breiten Grinser im Gesicht. Er nützte gleich den ersten Matchball zum vielleicht größten Triumph seiner Karriere. 41 Winner (bei 34 unerzwungenen Fehlern) zeugen von Thiems grandioser Performance, Murray machte im Vergleich nur 19 Winner (30 unerzwungene).
Nun wartet Sandplatz-König
Der Sieg über Murray war sein bester Sieg in diesem Jahr und auch sein erster über einen Top-Ten-Spieler 2017. "Das war ein großer Schritt vorwärts heute." Schon bald lag der Fokus aber auf seinem zwölften Endspiel auf der ATP-Tour, das Thiem sein viertes Duell mit Nadal bringen wird. "Murray und er sind komplett andere Spieler. Ich muss schauen, dass ich derjenige bin, der am Drücker ist, was eh schwer genug ist gegen ihn", meinte Thiem.
Denn sobald Nadal in den Ballwechseln das Kommando übernimmt, wird es ganz schwierig. "Dann kommt man dann nicht mehr aus seinen Klauen raus", bestätigte er. "Ich darf mich nicht zu sehr in die Defensive drängen lassen."
Im ATP-Ranking bringt Thiem nur ein Finalsieg eine Verbesserung um einen Platz auf Position acht, im Race 2017 ist er schon jetzt Vierter und könnte Stan Wawrinka auch noch überholen. Der Siegerscheck, der am Sonntag vergeben wird, würde 464.260 Dollar brutto (424.757,55 Euro) einbringen. Thiem hat übrigens erst vor kurzem die Sechs-Millionen-Dollar-Preisgeldmarke (vor Abzug von Steuern) durchbrochen.